Blattflechten im Ehrenfriedhof

Es gibt 1 Antwort in diesem Thema, welches 165 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von PBR.

  • Hallo zusammen,


    nachdem ich mich nur recht langsam durch die Krustenflechten der Alpen hindurcharbeite, war ich vorgestern zur Abwechslung nach der Arbeit auf dem Heilbronner Ehrenfriedhof.

    Eigentlich wollte ich gerne Erdzungen finden. Das hat wieder nicht geklappt.

    Aber ein vermutlich nicht einheimischer Laubbaum, den ich nicht bestimmen konnte, mit sehr weicher, dicker Borke, hatte einen seiner Haupttriebe einladend tief über den Grund ausgebreitet.

    Bild 1a/b Blattloser Laubbaum mit auf Boden aufliegendem Ast. Die braune Blätter gehören zu einer Rotbuche dahinter.


    Bild 1b Gleicher Baum von der anderen Seite; seine Borke ist dick und sehr weich (vgl. Bild 13).


    Auf dem Ast, der auf dem Boden aufliegt, sind etliche große Blattflechtenarten zu finden. Das will untersucht werden!

    Bild 2a Hellgraue, glänzende Parmotrema perlatum mit welligen, rundlichen Loben und kopfigen, hellen, feinmehligen Soralen, meist an den Lobenrändern.

    Die Lappen sind deutlich aufsteigend.

    Die Buchten zwischen den Läppchen an den größeren Lappen sind rundlich.

    Die Lappenränder sind mit lange, schwarzen Cilien geschmückt.

    Das Mark reagiert P+orange:

    Bild 2b Eigenschaften von Parmotrema perlatum


    Bild 3a Auf den ersten Blick sehr ähnlich wirkt Hypotrachyna afrorevoluta.

    Sie hat in der Längsachse eingerollten Loben und kräftig-grobe Sorale, die deutlich abdunkeln (können).

    Die Lappenränder sind leicht nach unten gebogen.

    Cilien fehlen. Das Mark reagiert C+rot, P-:

    Bild 3b Eigenschaften von H. afrorevoluta


    Bild 4 Punctelia jeckeri mit undulierenden Rändern, vielen Borten- und Punktsoralen


    Bild 5 Eine gelblich grüne Flavoparmelia caperata mit querrunzeligem Thallus und groben Soralen in der Thallusmitte


    Bild 6 Parmelia sulcata - hier mit einigen kleinen Apothecien


    Bild 7 Braunflechte mit Apothecien: Aufgrund der länglichen, samtig feinen Isidien (auch an den Apothecienrändern) möchte ich hier Melanohalea elegantula vermuten.


    Bild 8 Eine weitere Punctelia jeckeri mit sehr schön ausgeprägten Bortensoralen an den welligen, aufsteigenden Lagerrändern.


    Bild 9 Eine weitere Braunflechte versteckt sich im Moos - nur welche? Die Aufnahme ist leider nicht detailliert genug.


    Bild 10 Vom letzen Herbststurm abgebrochenes Ästchen mit Hypogymnia physodes und rechts davon Punctelia cf. subrudecta, und ...


    Bild 11 ...neben dieser Punctelia eine weitere Braunflechte mit nach oben sich verdickenden, spatelförmigen Isidien - damit Melanohalea exasperatula.

    Ein kleinerer Thallus von Parmelia sulcata mit länglichen Pseudocaphellen beginnt die Braunflechte zu überwachsen.


    Bild 12 Eine Hypogymnia physodes mit deutlichen Lippensoralen: Die Lappenränder biegen sich nach oben und die hellbraune Unterseite ist sichtbar.

    Die Soredien werden im Inneren der aufgerissenen, hohlen Lappenenden gebildet.


    Bild 13 Am Stamm des Baumes einige ältere (abgestorbene), ausgebleichte, weiße, weil algenlose Flechtenthalli mit deutlichen Punktsoralen:

    Für P. sulcata fehlen die linienförmigen Pseudocyphellen, für P. jeckeri die ausgeprägten Bortensorale. Vielleicht vormals eine P. subrudecta (vgl. Bild 20).


    Ein Stück weiter gelangt man zu einer schlanken Fichte.

    Bild 14 Ehrenfriedhof Heilbronn


    Die Äste und Nadeln der Fichte sind für die Gegend hier ungewöhnlich stark bewachsen:

    Bild 15 Hypogymnia tubulosa mit Soralen an den röhrigen Lappenenden:

    Im Gegensatz zu der sehr ähnlichen H. physodes (Bild 10) reißen die Lappenenden nicht auf.

    Es werden keine Lippensorale (Bild 12) gebildet, sondern endständigen Kopfsorale.


    Bild 16 Parmotrema perlatum, als junges Exemplar mit langen, schwarzen Cilien, aber noch kaum Soralen an den Lappenrändern.

    Gut erkennbar die aufgebogenen Lappenränder mit der am Rand braunen, rhizinenfreien Unterseite.

    Vielleicht lohnt sich hier ein zweiter Blick zwischen und unter die großen Blattflechten, um kleinere Krustenflechten zu finden...


    Neben dem Friedhof auf einer alten Streuobstwiese am Stamm eines alten Apfelbaums (?) ein Überraschungsfund:

    Bild 17 Platismatia glauca habe ich hier im Flachland am Neckar erst dreimal gefunden.

    Das Exemplar hier sitzt zwischen etlichen Thalli von P. sulcata und präsentiert seine sorediös-krausen Ränder und seine braun-weiß gefleckte, stellenweise schwarze Unterseite.

    In den Bergen ist sie, wie die Hypogymnien, eine Massenflechte.


    Bild 18 Evernia prunastri


    An einer im Sturm umgestürzten Esche in Kronenhöhe sind die Hauptäste flächig mit Blattflechten überzogen

    Bild 18 Liegende Esche


    Bild 19 Üppig wuchernde Parmelia sulcata mit braunen Apothecien bedeckt den Stamm


    Bild 20 Rechts neben der bläulich grünen Parmelia sulcata eine im feuchten Zustand gelblich grüne Blattflechte mit vielen Punkt- aber auch Bortensoralen.

    Die Thallusränder der Punctelia subrudecta liegen dem Substrat an, sie steigen nicht wie bei P. jeckeri auf.

    Die Lobenränder sind mit einer feinen braunen Linie gesäumt.


    Auf dem Rückweg am schattigen Bachrand hat noch ein Feldahron meinen Blick angezogen.

    Seine Borke wird oft von Bacidia rubella besiedelt, einer kleinen Krustenflechte mit grünlichem, körnigem Thallus und kleinen, braunorangen Apothecien (um 1 mm).

    Die Flechte verrät sich, trotz ihrer Kleinheit, durch typische Färbung und Textur schon aus größerem Abstand an den Feldahornstämmen.

    Bild 21 Krustenflechte Bacidia rubella mit körnigem Thallus und braun-orangen, alt randlosen Apothecien.

    Die Sporen sind nadelförmig mit einem rundlichem und einem zugespitztem Ende.

    Sie sind mehrfach querseptiert und 8-16-zellig.


    Bild 22 Alte Rotbuchen


    Auch wenn es mit den Erdzungen diesmal wieder nichts geworden ist - ich komme wieder, vielleicht finde ich irgendwann mal welche.


    LG, Martin