Pilzökologie: Wald-/Pflanzengesellschaften, Bodentypen, Zeigerpflanzen

Es gibt 13 Antworten in diesem Thema, welches 672 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Reinhard Wegner.

  • Hallo in die Runde,


    ich suche derzeit Informationen zu ich sage mal Pilzökologie, also Informationen, welche Pilze wo wachsen, und wie diese Standorte zu erkennen sind.

    Rita Lüder hat in ihrem "Grundkurs Pilzbestimmung" da schon ein paar Waldgesellschaften kurz vorgestellt, und auch jeweils einige typische Zeigerpflanzen zum Erkennen von zB. saurem Nadelwald gebracht.

    Auch in anderen Büchern finden sich solche kurzen Übersichten, zB. im Kosmos-Handbuch Pilze von Gminder und Karasch.

    Das ist eigentlich schon ziemlich das, wonach ich suche, nur vom Umfang her etwas zu knapp.

    Ein bisschen Recherche bringt mir leider immer nur Extreme: Rita Lüders gute aber sehr sehr knappe Einführung auf der einen, irgendwelche Spezialliteratur mit hunderten von Seiten zur Bodenkunde usw.


    Prinzipiell ist eine gewisse Kenntnis häufiger Wald- und Pflanzengesellschaften doch auch für Pilzfreunde interessant, und sie anhand von sagen wir 5 bis 10 häufiger Zeiger auch, welche Pilze in welcher Umgebung wachsen sowieso, oder?


    Gibt es da vielleicht irgendwelche Übersichtsliteratur, idealerweise natürlich zur Pilzökologie, wo dann aber auch die entsprechenden Gesellschaften übersichtlich vorgestellt und erläutert werden?


    Gibt es da vielleicht irgendwelche Broschüren, Artikel oder idealerweise natürlich Bücher kleineren Umfangs, in denen so etwas dargestellt wird?


    Ansonsten wäre natürlich auch jeweils gute Einführungswerke zu den einzelnen Themen, also vielleicht häufige Waldgesellschaften mit jeweiligen Bodentyp und entsprechenden Zeigerpflanzen in einem, und vielleicht einen Fachartikel, der beschreibt, in welchen Gesellschaften und unter welchen klimatischen Bedingungen welche Pilze zu erwarten wären.


    Markus Sailer hatte mal einen sehr guten Einführungsartikel zu Pilzen ich glaube für den Tintling, geschrieben:


    http://tintling.com/artikel/pilze.pdf


    Vielleicht gibt es da ja ähnliche Artikel, die einen Überblick über solche ökologische Fragen geben?


    Gibt es da irgendwas in der Richtung?


    Man erkennt beim Lesen vielleicht, dass ich schon bei der Formulierung meiner Anfrage ziemlich schwimme.


    Viele Grüße

    Michael

  • Hallo,


    Ich glaube im ersten Kosmos Buch von Andreas Gminder war das recht ausführlich drin, wenn ich mich nicht irre.


    Ansonsten geht Pilze in Sachsen in diese Richtung, da wird zumindest bei jeder einzelnen Art etwas zur Ökologie geschrieben. Ist ein richtig gutes Buch finde ich. Am Anfang gibt es auch noch einen kurzen Überblick zu Habitaten.


    Ansonsten müsstest du vielleicht präzisieren, was du mit ökologischen Fragen meinst. Nur den Ort wo du bestimmte Arten erwarten kannst oder auch deren Lebensweise?


    Beste Grüße!

  • Hallo Michael,


    die vielfach schlechtgeredeten Großpilze Baden-Württembergs Band 1 bis 5 bieten genau das: zu jeder bisher in Baden-Württemberg gefundenen Pilzart eine ausführliche Habitats- und Baumpartnerbeschreibung mit zahlenmäßiger Fundstatistik. und teilweise sogar mit MTB/Q-Angaben mit Gewannbezeichnung, so dass man sich exakt in dieses Gewann begeben und von der dortigen Abundanz dieser Pilzart überzeugen kann.


    Über die Waldtypen/Waldgesellschaften gibt es Fachliteratur, z. B. den Farbatlas Waldlandschaften von R. Pott aus dem Ulmer-Verlag. Diese allerdings ohne Pilze. Die Verbindung Habitat-Pilzvorkommen gibt es so nur in den Großpilzen Baden-Württembergs.


    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo Kaiserling Hallo Oehrling,


    Danke euch beiden!

    Das Buch von Gminder ist das "Handbuch für Pilzsammler"?


    Werde mal versuchen, beide Werke irgendwo in die Hand zu bekommen um MdL ein paar Blicke rein werfen zu können - die Großpilze BWs wären ja doch eine größere Anschaffung...


    Zu deiner Frage Beflockter Kaiserling : Interessieren tut mich eigentlich alles rund um Pilze, und die Frage zur Ökologie habe ich deswegen auch ziemlich offen gestellt, weil das Thema in allen Facetten (wie so vieles) eine offene Flanke bei mir ist... auch unter welchen klimatischen Bedingungen welche Pilze wachsen würde mich interessieren. Ein paar Sachen habe ich schon aufgeschnappt - chondrostereum und der Spaltblättling mögen es warm, der Satansröhrling kommt eher wie viele Cortinarien auf Kalk, Saftlinge mögen es mager, Parasole eher gut gedüngt, Rötelritterlinge wachsen bevorzugt Ende Herbst... bei vielen (fast allen) Arten habe ich keine Ahnung.


    Theoretisch fände ich es auch spannend, warum Pilze solche Vorzüge haben (kommen Rötelritterlinge Ende Herbst wegen der Temperaturen, und wenn ja, was haben Sie dadurch für einen Vorteil? Keimen deren Sporen nur bei relativ niedrigen Temperaturen, oder kommen Sie dann, weil viel Laub zum zersetzen da ist? Oder trifft beides zu? Wieso finde ich Psathyrella spadicea hier häufig, aber immer nur an der Basis von Rosskastanien, wo Mürblinge doch eigentlich als Saprobionten gelten? Und wieso dann die Vorliebe für Rosskastanien - ist das Zufall, weil vielleicht gerade die Rosskastanien hier geschwächt sind? Und wieso schossen diese Psathyrella zusammen mit Raslingen letztes Jahr nach dem Wintereinbruch Anfang Dezember bei uns überall aus dem Boden?)

    Diese ganzen Fragen würden aber wohl zu weit führen.


    Deswegen dachte ich, ich fange mal mit den Habitaten an.


    Der zweite Teil meiner Frage hinsichtlich Zeigerpflanzen hängt damit zusammen: Wenn ich jetzt in einem mir unbekannten Habitat unterwegs bin, wie könnte man einschätzen, wie die Bodenverhältnisse zumindest grob sind?


    Mit Pflanzen kenne ich mich noch weniger aus, als mit Pilzen, deswegen wäre eine kleine Sammlung von Pflanzenportraits von vielleicht fünf typischen Pflanzen für die häufigsten Habitate optimal.


    Eigene Beobachtungen mache ich schon, aber die Schlüsse, die ich daraus ziehe, sind halt unzuverlässig und relativ spärlich ( wachsen Tollkirschen im Oberpfälzer Wald jetzt nicht, weil es denen dort zu kalt ist, oder mögen die kein vulkanischen Grundgestein?)


    So interessant das ist, will ich jetzt auch kein Studium Bodenkunde anfangen, sondern eben nur etwas mehr Infos.

    Für Leure, die gern für Speisezwecke sammeln, aber sonst nicht tiefer eintauchen wollen, gibts ja diese Bücher a la"die 20 häufigsten Speisepilze und ihre giftigen Doppelgänger" -

    Sowas für Habitate und wie man sie erkennt...


    Das kann man sich natürlich alles durch Recherche selbst erarbeiten. Ich dachte nur, ich frage mal, ob sich die Mühe vielleicht schon jemand mal gemacht hat - wenn, dann würde das hier im Forum jemand wissen ;)


    Ich eiere ziemlich herum, tut mir leid...


    Nochmal danke für eure Tipps soweit!


    Michael

  • Huhu

    das ist genau mein Interessengebiet:

    Abseits der Bilderbücher kann ich folgende Literartur empfehlen;

    - Winterhoff: Fungi in vegetation science

    - Krieglsteiner: Ökologische Erfassung der Grosspilze Mitteleuropss.

    Viele Grüsse

    Reinhard

  • Hallo Reinhard,


    Das Werk von Krieglsteiner ist Beiheft 8 zur ZfM, oder?

    Das gibt's ja sogar online als PDF bei der DGfM:


    https://www.dgfm-ev.de/publikationen/einfuehrung-in-die-oekologische-erfassung-der-grosspilze-mitteleuropas-dgfm-pilzkartierung-2000-bestands-monitoring-pilze/download


    Ich habe es jetzt nur kurz überflogen, aber die Informationsdichte ist ja gewaltig, und ziemlich genau das, was ich suche!


    Ich denke, ich werde gleich mal ein Gesuch nach der Papierausgabe stellen, vielleicht hat jemand das ja noch bei sich rumm liegen und wäre bereit sich davon zu trennen...


    Vielen Dank für den Tipp Reinhard Wegner !


    Michael

  • Hallo Michael,


    ja genau, das Handbuch für Pilzesammler. Habe jetzt noch mal rein geschaut und es bietet das alles sehr übersichtlich, Charakterpflanzen (wie von dir nachgefragt, so zwischen 3 und 5 Stück) und -pilze werden angegeben, sowie eine Beschreibung des jeweiligen Waldtyps.


    Darüber hinaus, schau mal hier https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/38192/lesen. Dort kann man Pilze in Sachsen als pdf runterladen oder auch für einen kleineren Betrag als Buch kaufen (wobei die zwei Bücher dann echt gewaltig sind).


    Die weiteren Fragen sind natürlich etwas spezieller, da würde ich eher empfehlen einzeln in wissenschaftlicher Literatur zu suchen. Ich wäre auch vorsichtig mit Übersichtswerken in der Richtung, da vieles noch nicht gut erforscht ist, und die jeweiligen Autor/innen oft auch nur mutmaßen können.


    Beste Grüße!

  • Interessieren tut mich eigentlich alles rund um Pilze, und die Frage zur Ökologie habe ich deswegen auch ziemlich offen gestellt, weil das Thema in allen Facetten (wie so vieles) eine offene Flanke bei mir ist... auch unter welchen klimatischen Bedingungen welche Pilze wachsen würde mich interessieren. Ein paar Sachen habe ich schon aufgeschnappt - chondrostereum und der Spaltblättling mögen es warm, der Satansröhrling kommt eher wie viele Cortinarien auf Kalk, Saftlinge mögen es mager, Parasole eher gut gedüngt, Rötelritterlinge wachsen bevorzugt Ende Herbst... bei vielen (fast allen) Arten habe ich keine Ahnung.

    Hallo,


    für die Beantwortung genau solcher Fragen sind die GroßpilzeBW absolute Pflichtlektüre, und sooo ewig teuer sind sie nun auch wieder nicht. Anscheinend bist du sogar aus Baden-Württemberg.


    Mal ein kurzes Anwendungsbeispiel:

    Im Buch liest du bei der Pilzart Hydnellum aurantiacum, dass das eine kalkliebende Pilzart ist, die hauptsächlich mit Fichte verbandelt ist, aber vereinzelt schon unter Kiefer gefunden wurde. Weiter wird gesagt, dass der Pilz am 18.10.1990 auf der Alb, und zwar westlich von Upflamör gefunden wurde. Du ermittelst auf der Landkarte, dass Upflamör auf der Zwiefalter Alb, keine 50 km von Ulm entfernt liegt. Auf der Landkarte siehst du westlich von Upflamör ein kleines zusammenhängendes Waldstück mit einem Wanderparkplatz. Du weißt: wenn jemand schon nach Upflamör zum Pilzesuchen gefahren ist, parkte er sicherlich auf diesem Wanderparkplatz. Du fährst also am 18.10.24 auf diesen Wanderparkplatz. Beim Aussteigen fällt dir ein lockerer Fichten-Kiefern-Bestand auf. Du gehst da hinein und stehst vor zwei Hydnellum-aurantiacum-Exemplaren (und jeder Menge anderen Seltenheiten).

    Funktioniert so nicht immer, aber doch oft.


    Du merkst dir,die optischen Chararkteristika dieser Waldart. Bei deiner nächsten Tour auf die Alb kommst du an einem anderen Waldstück vorbei, das genau diese Charakteristika aufweist. Du hältst an, steigst aus, und was siehst du herumstehen? Hydnellum aurantiacum.

    Funktioniert nicht wirklich oft, aber doch manchmal.


    Nun kennst du einen Pilz und seine potenziellen Standorte, von dem die meisten Leute noch nie etwas gehört haben, geschweige ihn je zu Gesicht bekommen haben.


    FG

    Oehrling.

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo Oehrling,


    Deine Antwort ist ja fast länger als meine Anfrage! Die nachreichen ist angekommen - Die Großpilze Baden-Württembergs werde ich mir auf jeden Fall ansehen - wie du sagtest, wohne ich in BW, und in unserem Verein haben die Bände sicher mehrere Leute. Und deiner Beschreibung nach wäre mein Weihnachtsgeld da gut aufgehoben... mal sehen, ob sich dann ein Verkaufswilliger fände.


    Vielen Dank für deinen Tipp, und deine umfangreiche Antwort!


    Viele Grüße

    Michael

  • Guten Abend in die Runde!


    Ich bin auf der DGfM-Webseite auch noch auf das PDF-Dokument "Artensteckbriefe von Zeigerpflanzen in der Feldmykologie" von Hans Halbwachs (2013, 34 Seiten) gestoßen:


    https://www.dgfm-ev.de/publikationen/weitere/halbwachs-2013-zeigerpflanzen?name=Artensteckbriefe15-9-13web.pdf&reattachment=a3c0a1fea3b8f9953e43ad559f6b97fa


    Viele Grüße, Sus(h)i

  • Hallo,


    hierzu ein absolutes Highlight auch optisch, leider nur in schwedisch und in Deutschland selbst in großen Bibliotheken sehr, sehr rar.


    Nitare J (2000) Signalarter. Indikatorer pa skyddsvärd skog. Flora över kryptogamer. Skogsstyrelsens förlag, 394 S.


    Beste Grüße

    Stefan F.

  • Hallo in die Runde,


    Ich dachte, ich gebe nochmal Rückmeldung, was es bei mir jetzt geworden ist...


    Erstmal nochmal vielen Dank an alle, die mir Tipps gegeben haben, insbesondere Bibliothekar , dem ich noch gar nicht gedankt hatte.


    Inzwischen habe ich Krieglsteiner: Ökologische Erfassung der Grosspilze Mitteleuropas günstig "übereignet" bekommen.

    In den Großpilzen Baden-Würtembergs konnte ich länger schmökern.

    Und das Handbuch für Pilzsammler von Gminder ist ja noch im Handel erhältlich.


    Die übrigen Werke sind für mich leider entweder nicht beschaffbar, oder aufgrund fehlender Sprachkenntnisse leider keine Option.


    Ehrlicherweise wäre das aber auch erstmal gar nicht nötig:

    Das Handbuch für Pilzsammler ist wirklich gut, es bietet auf jeweils zwei Seiten eine schöne Übersicht über rund 10 verschiedene Habitate, aber auch der Rest des Buches ist wirklich gut gemacht: die Art, wie die Pilze als Teil ihrer Gattungen präsentiert werden, wie diese Gattungen aufgefasst (eher Formgruppen) und ebenfalls ausführlich und doch übersichtlich beschrieben werden hätte ich mir zu Beginn meiner "Laufbahn" gern gewünscht und bringt mir auch jetzt noch sehr viel.

    Was das Thema dieses Threads angeht, sind es aber vor allem die Großpilze BWs und besonders die "Ökologische Erfassung", die mich beeindrucken. Die beiden Werke ergänzen sich meiner Meinung Nach perfekt und lassen mich erstmal wunschlos glücklich zurück :)

    Sind die Großpilze BWs eher ein Nachschlagewerk, um sich über die Ökologie bestimmter Pilze umfangreich zu informieren, ist Ökologische Erfassung der Grosspilze Mitteleuropas ein umfangreiches Übersichtswerk, welche Habitate wie zu erkennen sind, was dort zu erwarten ist, Bestimmungsschlüssel für Zeigerarten, insbesondere Bäume, Bodentypen usw.

    Schade, dass beide Werke nur noch antiquarisch erhältlich sind, und insbesondere die "Ökologische Erfassung der Grosspilze Mitteleuropas" leider wenig robust gebunden sind.

    Das Buch sollte man eigentlich immer dabei haben.


    Nochmal vielen Dank an Beflockter Kaiserling , Reinhard Wegner , Oehrling und Sushi !


    Michael

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    LG