Das Ende einer Saftlingswiese

Es gibt 21 Antworten in diesem Thema, welches 1.068 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Wutzi.

  • Hallo zusammen,


    im November soll hier in meinen Pilzgründen eine Wiesenpilzexkursion der ThAM stattfinden, da es hier einige schöne Saftlingswiesen gibt. Damit die Kolleginnen und Kollegen tatsächlich etwas zu sehen bekommen, kontrolliere ich die avisierten Wiesen regelmäßig.


    Bei dieser- ich muss jetzt ehemaligen schreiben - Saftlingswiese handelt es sich um einen Geschützten Landschaftsbestandteil. Damit wir sie als Exkursionsgebiet besuchen können hatte ich eine Betretungsgenehmigung bei der Unteren Naturschutzbehörde sowie eine Entnahmegenehmigung zur Kartierung beantragt.

    Diese Wiese hatte ich erst im letzten Jahr entdeckt, jeweils mehr als hundert Hygrocybe punicea und Hygrocybe splendidissima wucherten in dem kleinen Tal wild durcheinander. So ein Massenaufkommen dieser seltenen geschützten Arten hatte ich noch nie zuvor gesehen. Hier hatte ich letztes Jahr einen Beitrag dazu verfasst: "Meine" neue Saftlingswiese


    Um es kurz zumachen, in der letzten Woche war das Biotop zerstört, das lange geplante Exkursionsgebiet konnte ich komplett abschreiben.

    Das Eulenschild steht am Ende der ergiebigen Saftlingsvorkommen. Auf der darunter liegenden Wiese stehen nur einige Exemplare von H. ceracea und H. reidii.

    1.


    Die Vorkommen der selteneren Arten befanden sich oberhalb des Schildes. Genau da, wo der ausgekofferte Schlamm beiderseits an den Böschungen planiert wurde.

    2.


    3.


    Irgendjemand hat sich wohl daran gestört, dass der kleine Teich verlandet war und ihn mit schwerer Technik ausgebaggert.

    4.


    Bekanntlich wachsen Hygrocyben auf Magerwiesen. Der Faulschlamm hingegen ist nährstoffreich und hat auf Magerwiesen nichts zu suchen. Das heißt, dass die Saftlinge auf absehbare Zeit hier keine Chance mehr haben werden.

    5.


    Die Biotopzerstörer haben noch eins draufgesetzt. Jenseits des Schlamms wurde die Wiese beiderseits frisch gemulcht.

    6.


    Das Resultat sind hingemetzelte Fruchtkörper und Nährtstoffeinträge, die fast genauso schädlich sind für künftige Saftlingspopulationen wie der Faulschlamm..

    7.



    Dies ist die dritte Magerwiese, die in meiner näheren Umgebung binnen dreier Jahre durch falsche Bewirtschaftung zerstört wurde. Die anderen Wiesen hatten keinen Schutzstatus und es blieb ohne Konsequenzen für die Zustandsstörer.


    Nach meinem Kenntnisstand erfolgt die "Landschaftspflege" dieses Geschützten Landschaftsbestandteils aus Mitteln von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vom Bau der Bahntrasse Erfurt-München. Wenn die Verwendung dieser Mittel nicht kontrolliert wird, erweist man dem Naturschutz einen Bärendienst.


    Das passt doch alles nicht zueinander. Einerseits der erhebliche bürokratische Aufwand, um eine Ausnahmegenehmigung für die Entnahme einzelner Fruchtkörper für die Untersuchung und zur Kartierung zu entnehmen. Dabei schadet die Entnahme einzelner Fruchtkörpern dem Pilz nicht. Dennoch ist der Antrag zwingend, es folgt eine Anhörung und am Ende mit Glück die Genehmigung und die Aufforderung, die kartierten Pilze der zuständigen Behörde zu melden. Die Kartierung in Pilze Deutschland reicht hier nicht aus. So viel beschriebenes Papier!


    Allerdings finden keine Kontrollen statt. Als Grund werden die personellen Ressourcen angegeben. Dabei gibt es überall Ehrenamtliche, die den Wert von Biotopen kennen und schätzen und mit Sicherheit zur Zusammenarbeit mit den Behörden und den Landschaftspflegern bereit wären. Oft ist es ja kein böser Wille sondern Unwissenheit, die zu falschen Pflegemaßnahmen führt.


    Ich warte jetzt erst einmal ab, welche Konsequenzen die Zerstörung dieses Habitats in diesem Falle nach sich zieht. Dann sehe ich weiter, wie sich derartige Naturzerstörung künftig vielleicht verhindern lässt.

    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


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  • Zum Heulen, unglaublich.

    Viele Grüße

    Du sagst es. Mir stand tatsächlich das Wasser in den Augen. Inzwischen ist die Trauer einer ziemlich ungesunden, aggressiven Stimmung gewichen.

    Ich habe gerade noch mal meinen Beitrag vom letzten Jahr gelesen.Ich schrieb auf einen Beitrag von Kagi: "Hallo Kagi, und das Beste: die Wiese ist irgendwo im Nirgendwo. Außer Forstarbeitern verirrt sich da kein Mensch hin, man muss ein ganzes Stück laufen und dann auch noch bergauf. Also stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Wiese nicht von irgendwelchen Dumpfbacken zerstört wird."


    Was für eine grandiose Fehleinschätzung!

    Lieben Gruß


    Claudia


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  • Tut mir leid Claudia, aber so ist das Leben.

    Die Mykologen trauern, den Amphibienfreunden gefällt´s.

    Naja Brummel, sieh es doch mal von der Betroffenenseite. Die Bergmolche kommen auch mit kleinen Pfützen klar. Die Saftlinge aber nicht mit der Düngung.

    Lieben Gruß


    Claudia


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  • Servus Claudia,


    so traurig es auch ist, dass schöne Saftlingshabitate zerstört wurden, bin ich persönlich der Meinung, dass das Ausbaggern des Tümpels die weniger problematische Maßnahme ist.

    Nachtürlich besch...eiden für die Saftlinge, aber den Wert solcher Tümpel fürs Ökosystem darf man eben auch nicht außer Acht lassen.


    Ich würde mich mehr am mulchen stören (bzw. sieht's mir eher gemäht aus) sofern die anfallende Biomasse nicht noch abtransportiert wird. Zu dem Thema würde ich auf jeden Fall die zuständige ?Behörde? informieren und sie auf die Wichtigkeit der Mähgutentfernung hinweisen! Dann könnten sich zumindest die umliegenden Habitate gut entwickeln und vielleicht kannst du dadurch ja auch Aufklärungsarbeit leisten um solche katastrophalen Maßnahmen auf größeren Gebieten in den geschützten Flächen zukünftig zu unterbinden.


    Liebe Grüße

  • Hallo Florian,

    für die Tümpelbewohner ist das zweifellos ein Befreiungsschlag gewesen. Aber vor dem Hintergrund, dass die Naturschutzbehörde um den mykologischen Wert des Gebietes gewusst hat, hätte man auch behutsamer mit dem Gebiet umgehen können.


    Du hast auch Recht damit, dass bislang nur die Mahd erfolgt ist. Aber nach meiner Erfahrung bleibt die Biomasse eben fast immer liegen und damit ist der Boden quasi gemulcht. Wenn nicht gemulcht wird, werden die Heuballen im Wald und auf der Wiese vergessen. (auf Bild 1 im Hintergrund zu sehen) Sie rotten vor sich hin und hinterlassen am Ende Plastikbänder. Bevor die zu Mikroplastik werden, strangulieren sich noch ein paar Wald- und Wiesenbewohner. Natürlich habe ich als erstes an die Naturschutzbehöde geschrieben, mit Fotos. Allerdings bis heute keine Antwort bekommen.


    Aufklärung leiste ich wo ich kann, glaub mir. Ich habe mich mit einer Mitarbeiterin einer Naturschutz Behörde und dem Bauern, der eine andere ehemalige Saftlingswiese bewirtschaftet, vor Ort getroffen. Im Folgejahr hat der Bauer erneut Mist ausgebracht und lässt seit Jahren das Mähgut lieben, bzw. letztes Jahr hat er Heuballen gemacht, die er die allesamt unter den Bäumen. Mal sehen was er tut, wenn da kein Platz mehr ist.


    Auf dieser Wiese habe ich noch vor 5 Jahren die herrlichsten Saftlinge gehabt. Seit letztem Sommer sind nur noch vereinzelte Exemplare von H. ceracea gewachsen, die ansonsten gerade alle verfügbaren Flächen besiedeln. Die großen Bärwurzbestände sind auch so gut wie weg.




    Andere Perspektive, aber dieselbe Wiese von oben. 2020 war die Saftlingswelt dort noch in Ordnung.


    Ich werde allmählich zu müde für diese fruchtlosen Auseinandersetzungen.

    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


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  • Servus Claudia,


    natürlich versteh ich deine Frustration nur allzu gut. Wenn ich daran denke wie die Wiesen bei uns noch vor 30 Jahren ausgesehen haben wird mir immer wieder schlecht. Da gab's noch um ein Vielfaches mehr Magerwiesen die ordentlich bewirtschaftet wurden und jetzt drehen auf den gleichen Flächen mehrmals pro Jahr die Güllefässer ihre Runden.

    Ich war selbst auch schon zu oft in der Situation, dass ich mir dachte ich schaff das nicht mehr, aber trotzdem bleibt mir am Ende keine Alternative als mich wieder aufzurappeln und weiter zu machen.


    Allerdings habe ich trotz vieler verlorenen Kämpfe inzwischen gelernt, dass man durch das mantraartige Wiederholen von Naturschutzargumenten und das aufzeigen von Alternativen durchaus auch einiges erreichen und daraus wieder Kraft schöpfen kann.


    Leider kann man damit nie zu allen Personen durchdringen, aber jeder Landbewirtschafter, jeder Behördenmitarbeiter, jeder Anwohner der's versatnden hat ist ein Sieg und kann auch schnell zu einem Multiplikator werden.


    Gib blos nicht auf und erfreu dich zwischenzeitlich an den schönen Wiesen die's noch gibt (und behalt die Hoffnung, dass diese durch dein Engagement wieder mehr werden)


    Liebe Grüße

  • Saftlings-Wiesen-Verlierer vereinigt euch!


    Hallo zusammen, wie ihr vielleicht schon wisst, habe ich auch gerade eine schöne Saftlings-Wiese verloren.

    Titel des Themas: Saftlings-Wiese soll überbaut werden.

    Wird jetzt Neubaugebiet!


    Ist es ok, wenn ich aus euren Beiträgen, mögliche Handlungs-Empfehlungen für die Bewahrung solcher Wiesen heraus arbeite?


    Grüße vom Solmser Saftlings-Botschafter

    Thomas Armbruster

  • So, jetzt mal ein kleines Update für die Haspiseifenwiese.


    Ich hatte mit dem Revierörster telefoniert und die Untere Naturschutzbehörde angeschrieben. dort hatte ich mich erkundigt, welche Auskunft ich meinen Kolleginnen und Kollegen von der ThAM erteilen soll, warum der Geschützte Landschaftsbestandteil Hapiseifenwiese zerstört werden konnte, sodass wir ein anderes Exkursionsziel wählen mussten.


    Es war nachvollziehbar dass sich die Behörde rechtfertigen wollte, da sie dem Förster das ok für die Teichsanierung gegeben hatte. Allerdings konnte sie nicht überzeugend darlegen, weshalb der Förster nicht auf die Pilze hingewiesen wurde, da ja die Naturschutzbehörde die Exkursion und Entnahme der geschützten Arten genehmigt hatte.


    Ein Hoffnungsschimmer war, dass die Behörde in ihrem Antwortschreiben um Informationen über die Ansprüche der Wiesenpilze und um Informationen über weitere bekannte Standorte bat. Ich habe diese zusammengefasst, die verschiedenen Pflegemaßnahmen bzw. eigentlich sind es ja eher Unterlassensmaßnahmen dargestellt.


    Dabei ist mir aufgefallen, dass sich meine Aktivitäten der letzten Jahre durchaus ausgezahlt hatten: Ich hatte den Gemeinderat und die Bürgermeisterin unterrichtet und um Unterstützung gebeten, den Gemeindearbeitern erklärt, dass sie das Schnittgut entfernen müssen, einen Bauern gebeten, die Wiesen im August zu mähen, statt erst Anfang November und ich werde mich nächste Woche mit dem Mitarbeiter zusammensetzen, der die Fäden in der Hand hält, wenn es um die Verteilung der Pferde auf den Wiesen geht. Ich bin hoffnungsvoll, dass sich die Haspiseifenwiese irgendwann erholen wird, denn der Förster hat da jetzt ein Auge drauf. Nur eine gute Wiese ist wahrscheinlich völlig verloren.


    Bei den Saftlingswiesen um Katzhütte ist der aktuelle Stand wie folgt:

    • Bei der großen Katzhütter Wiese, die von Herrn XXX mit Pferden bewirtschaftet wird - wir hatten darüber gesprochen - bin ich optimistisch, dass sich für die Zukunft eine dauerhafte Lösung finden wird, sodass die seltenen Wiesenpilze wieder eine Chance bekommen werden.
    • Um die Pflege einer kleinen innerörtlichen Wiese mit seltenen Arten kümmert sich jetzt die Gemeinde. Eine der zahlreichen Hygrocybe-Arten auf der kleinen Fläche ist noch nicht beschrieben worden. Sie wird sequentiert und wissenschaftlich bearbeitet. Ich hatte Ihnen den Beitrag in der Fachzeitschrift Boletus hierzu geschickt.
    • Der mir bekannte - aus mykologischer Sicht interessanteste - Teil des Tals der Weißen Schwarza scheint in diesem Jahr auch vernünftig bewirtschaftet zu werden.
    • Die Amselteichwiesen sind aufgrund zuverlässiger Bewirtschaftung ein vorbildlicher Hygrocybe-Standort. Der Bauer reagiert entgegenkommend auf Hinweise.
    • Auf einer der wertvollsten Wiesen am Oberen Schwemmbach wachsen nach Düngung und mehrfachem Liegenlassen des Mahdgutes gar keine Arten mehr aus dem seltenen Wiesenpilzsspektrum der so genannten CHEGD-Arten (Clavaria, Hyghrocybe, Entoloma, Geoglossum und Dermoloma). Der Bauer ist nicht einsichtsfähig. Die Behörde hat offenbar kapituliert. Diese Wiese befindet sich im Ilmkreis.

    Es gab und gibt zwar immer wieder Niederlagen, doch die Bilanz ist eigentlich gar nicht so schlecht. Fakt ist, es reicht nicht aus, sich auf die Behörden zu verlassen. Sie mögen zwar unterstützen wollen, aber sie haben weder die Kompetenzen in Sachen Pilze, noch die Ressourcen, sich um die Saftlingshabitate zu kümmern.

    Wenn wir die Saftlingshabitate schützen wollen, müssen wir uns aus unserer Komfortzone bewegen und mit den verschiedenen Akteuren reden, rechtzeitig, bevor irgendwelche Begehrlichkeiten auf die Wiesen gerichtet werden. Dann stehen die Chancen gut, sie zu erhalten.

    Lieben Gruß


    Claudia


    ...leben und leben lassen... ;)


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  • N'abend, warum bringen Bauern Gülle auf Magerwiesen aus, um dann das Heu liegenzulassen? Es liegt nicht daran, dasss der Ertrag gesteigert werden soll. Offensichtlich, denn sonst würde man das Heu ja einsammeln. Es liegt daran, dass Gülle vorhanden ist, und zwar sehr viel davon. Auf kleinen Höfen, wo die Viecher auf der Weide sind oder im Winter auf Stroh, entsteht keine Gülle. Die hat man erst bei großen, sehr großen Höfen. Solche Höfe entstehen, gefördert durch die GAP der EU zur Industrialisierung (das nennt sich Förderung der Wettbewerbsfähigkeit in Brüsselsprech), die Gülle muss aber raus und auf viele Flächen verteilt werden um den diversen Richtlinien im Kontext mit Stickstoff zu genügen. Dazu genügen auch ansonsten nutzlose Magerwiesen, um die anteilige Menge davon aufzunehmen. Auch wenn man so gern auf die bösen Bauern schimpft - denen womöglich und vermutlich die Saftlinge völlig egal sind - so machen die das nicht, um den Saftlingen den Garaus zu machen, sondern um dem Wust an sich widersprechenden Verpflichtungen besonders aus Brüssel nachzukommen.


    LG, Bernd

  • Hallo Helmut, nein. Im Gegenteil. Ohne Viecher keine Wiesen und keine Weiden. Selbst suboptimale Wiesen sind artenreicher als Rapsfelder.


    Wenn man daraus etwas ableiten kann, dann, Fleisch (und überhaupt landwirtschaftliche Erzeugnisse) bevorzugt beim lokalen, traditionell agierenden Bauern zu erwerben, Nicht aus der industriellen Produktion. Idealerweise sollte auch der Übergang von kleinteiliger Landwirtschaft hin zu riesigen Industriebetrieben gestoppt werden.


    LG, Bernd

  • Hallo Helmut, nein. Im Gegenteil. Ohne Viecher keine Wiesen und keine Weiden. Selbst suboptimale Wiesen sind artenreicher als Rapsfelder.


    Wenn man daraus etwas ableiten kann, dann, Fleisch (und überhaupt landwirtschaftliche Erzeugnisse) bevorzugt beim lokalen, traditionell agierenden Bauern zu erwerben, Nicht aus der industriellen Produktion. Idealerweise sollte auch der Übergang von kleinteiliger Landwirtschaft hin zu riesigen Industriebetrieben gestoppt werden.


    LG, Bernd

    Hallo Bernd


    Ursprünglich und prinzipiell hast du natürlich recht: Ohne Viecher keine Wiesen. Aber in meinen Augen gibts heute schon noch andere Zusammenhänge: Wenn wir weniger Fleisch essen, so weiden weniger Tiere auf den Wiesen (sie bleiben also magerer) und es fällt weniger Gülle an, die verteilt werden muss. Die Landwirtschaft wäre also idealerweise so zu steuern, dass es sich lohnt, wenig Tiere auf grossen Weiden zu halten. Das geht nur, wenn wir Konsumenten weniger Fleisch und Milchprodukte essen und dafür bereit sind einen angemessenen Preis zu bezahlen. Was das jetzt genau für Deutschland und Litauen bedeutet, weiss ich nicht. Für die Schweiz bedeutet das, dass Vieh an steilen und hochgelegenen Orten gehalten wird (wo sonst eh kaum was erzeugt werden kann) und in der Ebene auf eine vielfältige, pflanzlich basierte und dadurch effiziente Landwirtschaft gesetzt wird. Dadurch bestünde dann die Möglichkeit, einige Flächen in allen Regionen als ökologische Ausgleichsfläche oder sehr extensiv bewirtschaftete Flächen auszuscheiden. Damit dies mit zunehmender Bevölkerungszahlen möglich ist, braucht es dringend einen stark rückläufigen Konsum von tierischen Produkten. Ansonsten benötigen wir zu viel Boden für die intensive Produktion von Futtermitteln.


    Nun muss ich nur noch anfangen, deutlich weniger tierische Produkte zu essen... und hier hapert es dann immer mal wieder... wohl nicht nur bei mir... und drum leiden die Biodiversität und das menschenfreundliche Klima (nicht nur die Saftlinge).


    LG Andreas

  • Hallo Andreas, nur leider wird die Landwirtschaft nicht marktwirtschaftlich betrieben und ist nicht auf die Nachfrageseite ausgerichtet, sondern wird politisch gesteuert (vielleicht in der Schweiz etwas weniger als in der EU). Die Landwirte reagieren auf die Förderinstrumente und die allfälligen Verbote, Einschränkungen und Angebote, die man nicht ablehnen kann. Das hat nichts mit Markt zu tun. Und offensichtlich haben sich ja alle daran gewöhnt, dass Landwirtschaft ein politisches Zirkuspferd ist, ich zitiere Dich "Die Landwirtschaft wäre also idealerweise so zu steuern". Selbstverständlich ist Ernährungssicherheit ein hohes Gut im öffentlichen Interesse, das durchaus politisch beachtet und ggf. gefördert werden darf. Dass man aber, zum Beispiel, bestes Ackerland für Biogasmais verwendet, ist da eher kontraproduktiv. Nicht sonderlich sinnvoll ist auch die Verstallung von großen Herden, die dann mit importiertem Soja gefüttert werden, weil das den Import von Futter verlangt, was ggf. die Nahrungsmittelsicherheit behindert, wenn Importe wegfallen (mal abgesehen davon, dass man ganz in kolonialer Manier anderen Ländern dadurch die Nahrungsmittel entzieht). Solche Herden würden auch einen etwas ängeren Stromausfall nicht überstehen. Gefördert werden sollten da eher kleine Herden mit lokalem Futter - da bin ich ganz bei Dir - idealerweise von steilen oder steinigen Flächen, die anderweitig nicht genutzt werden können. Oder auch nicht, ganz sicher nicht gefödert werden sollten aber die großen Herden in Stallungen.


    LG, Bernd

  • Hallo Bernd

    Ich glaube, wir sind uns einig!


    Treibstoffe und Biogas dürfen in der Schweiz nur aus Abfallprodukten hergestellt werden, das ist sicher gut (aber im Importieren sind wir auch gut;-).


    Aber auch bei uns ist die Landwirtschaft fast nur von der Politik gesteuert. Wenn sich jedoch die Nachfrage ändert, wird sich auch die Steuerung ändern, da bin ich mir sicher.


    Drum: Nüsse und Hülsenfrüchte essen! Für die Saftlinge;-)


    LG Andreas

  • N'abend, warum bringen Bauern Gülle auf Magerwiesen aus, um dann das Heu liegenzulassen? Es liegt nicht daran, dasss der Ertrag gesteigert werden soll. Offensichtlich, denn sonst würde man das Heu ja einsammeln. Es liegt daran, dass Gülle vorhanden ist, und zwar sehr viel davon. Auf kleinen Höfen, wo die Viecher auf der Weide sind oder im Winter auf Stroh, entsteht keine Gülle. Die hat man erst bei großen, sehr großen Höfen. Solche Höfe entstehen, gefördert durch die GAP der EU zur Industrialisierung (das nennt sich Förderung der Wettbewerbsfähigkeit in Brüsselsprech), die Gülle muss aber raus und auf viele Flächen verteilt werden um den diversen Richtlinien im Kontext mit Stickstoff zu genügen. Dazu genügen auch ansonsten nutzlose Magerwiesen, um die anteilige Menge davon aufzunehmen. Auch wenn man so gern auf die bösen Bauern schimpft - denen womöglich und vermutlich die Saftlinge völlig egal sind - so machen die das nicht, um den Saftlingen den Garaus zu machen, sondern um dem Wust an sich widersprechenden Verpflichtungen besonders aus Brüssel nachzukommen.


    LG, Bernd

    Hallo Bernd,

    bei der Einschätzung, dass die Förderung in der Landwirtschaft in die falsche Richtung läuft bin ich bei dir. Der konkrete Fall hat damit nichts zu tun.

    Es geht hier nicht um einen Großbauern, der Gülle entsorgen musste, sondern um einen Bauern mit einem kleinen Bauernhof und kleinbäuerlicher Tierhaltung. Er hat zunächst den Stallmist über zwei Jahre auf der Wiese ausgebracht, um bessere Erträge zu erzielen. Anfangs hat er die Heuballen auch genutzt. Später hat er das Heu offenbar nicht mehr benötigt und die Heuballen unter Bäumen versteckt. Seit nunmehr drei Jahren lässt er das Schnittgut liegen, obwohl ihm die Untere Naturschutzbehörde bei einem Ortstermin, den ich angeregt hatte und bei dem ich zugegen war, den Sachverhalt erklärt und Fördermittel angeboten hatte. Ob er sie in Anspruch genommen hat, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Das unterliegt dem Datenschutz.


    Eine langfristige Erhöhlung der Wiese wäre wohl möglich, wenn der Pachtvertrag auf einen zuverlässigen Bauern überginge, wie z.B. dem der das benachbarte Tal bewirtschaftet, auf dm wir heute eine schöne Wiesenpilzexkursion durchführen konnten. Das müsste allerdings von der Verwaltung angeschoben werden. Vielleicht versuche ich, das im kommenden Jahr anzuschieben. Es wird allerdings ein Kraftakt mit ungewissem Ausgang, weil ich den Eigentümer ermitteln und mit der Landwirtschaftsbehörde verhandeln müsste. Ich muss da erst einmal nach einem gangbaren Weg suchen, wie dieses Problem zu lösen ist. Ich bin ja nicht mal ansatzweise Verfahrensbeteiligte, denn es ist nur einfach eine Bergwiese ohne Schutzstatus.


    Nicht alle Absurditäten der EU-Förderung haben mit dem Fehlverhalten einzelner Bauern zu tun.

    Lieben Gruß


    Claudia


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  • Hallo Wutzi ,


    danke dafür, dass du dich so engagierst! Und danke, dass du hier mal konkret zeigst, wie du vorgegangen bist und weiteres planst. Ich teile deine Ansicht komplett, dass die sinnvollste Herangehensweise intensive Lobbyarbeit ist: früh Mitmenschen und Entscheidungsträger informieren und sensibilisieren; Möglichkeiten suchen, für die eigene Position zu werben; freundliche Hartnäckigkeit; Teilen der eigenen Begeisterung; sich selbst über die eigenen Möglichkeiten zu informieren... Das ist sicherlich eine erfolgversprechende Methode. Schade, dass das so aufwändig ist, aber wenn man/frau mal so drin steckt, kann es ja auch etwas Spaß machen. Vor allem, wenn es Leute gibt, die sich beteiligen.


    LG Michael

  • früh Mitmenschen und Entscheidungsträger informieren und sensibilisieren; Möglichkeiten suchen, für die eigene Position zu werben; freundliche Hartnäckigkeit; Teilen der eigenen Begeisterung; sich selbst über die eigenen Möglichkeiten zu informieren...


    Schade, dass das so aufwändig ist, aber wenn man/frau mal so drin steckt, kann es ja auch etwas Spaß machen. Vor allem, wenn es Leute gibt, die sich beteiligen.


    LG Michael

    Ja, lieber Michael, es ist schon manchmal anstrengend. Aber nur so funktioniert Demokratie: Mehrheiten bzw. Unterstützer und Unterstützerinnen für eine vernünftige Sache organisieren, nach Ideen suchen, Kompromisse schließen, ja und manchmal eben auch Frust schieben, weil etwas nicht so funktioniert, wie es soll.


    Aber am Ende kann mensch mit den Dingen dann auch einigermaßen zufrieden sein, statt sich in Wut, Hass und Hetze auf Gott und die Welt zu verlieren.

    Lieben Gruß


    Claudia


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