Die Cortinarien sind wieder Zuhause

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  • Hallo in die Runde.


    Irgendwie habe ich es ja schon läuten hören und als ich gestern das Mykis-Update aufspielte, stellte ich mit Erstaunen fest, dass alle Cortinarien wieder in ihre ursprüngliche Gattung zurückgestellt wurden. Die Gattungen Aureonarius, Calonarius, Phlegmatium und Thaxterogaster sind jetzt in der Synonymie zu finden.

    Da fragt man sich natürlich warum die Rückführung veranstaltet wurde. Weiß jemand was zum Thema zu berichten?

    Cortinarius  Tomentella


    Beste Grüße

    Harald

  • Hallo Harald,


    es gab vor kurzem ein neues Paper von Gallone et al. "The genus Cortinarius should not (yet) be split", in dem man sich die phylogenetischen Daten, die der Aufspaltung zugrunde liegen, noch mal angeschaut hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, daß die Phylogenie der Gattung noch unklar ist und man mit einer Aufspaltung lieber erst noch mal wartet.


    Björn

  • Hallo zusammen,

    kurz zusammengefasst sieht es im Augenblick so aus, dass namhafte Mykologen das Konzept des Splittings in verschiedene Gattungen ablehnen.'
    Allen voran sind das die Holländer um Thomas W. Kuyper.
    Thomas hat bei der JEC Europäische Cortinarien Vereinigung) in den letzten 3 Jahren jeweils Vorträge gehalten und versucht zu erklären wie es zu diesem Gattunssplitting kam und warum er es ablehnt.
    Ein Zusammenfassung der Begründung findet man im neuen Buch Flora Agaricina Neerlandica Vol 8 Cortinarius auf Seite 10

    Er zweifelt im wesentliche die statistische Unterstützung der Phylogenie an. Laienhaft ausgedrückt sind die "Wurzeln" des Phylogenetischen Baumes der im Artikel "Thaming the Beast" von Liimatainen et al. 2022 zu wenig statistisch unterstützt.
    Thomas hat mit seiner Gruppe an Hand der Daten der Finnen den Baum nachberechnet und entsprechendes festgestellt.
    Sein Vorschlag ist die monophyletische Gattung Cortinarius so zu belassen. Das strenge Untergattungs Konzept ( wie bei Moser) ist zwar phyllogenetisch auch nicht mehr zu halten, obwohl es an vielen Stellen noch passt.
    Im Augenblick macht es wohl Sinn die Gattung nur noch in Clades genetisch nahestehender Arten zu teilen ( Calochroi, Purpurascentes , Anomali ...)

    So wird mal wohl wahrscheinlich auf annähernd 100 solche Clades kommen, was natürlich auch nicht wirklich übersichtlich ist.

    Für die reine Bestimmungs Arbeit ist die bisherige Aufteilung in Untergattungen ( Phlegmacium, Myxacium, Leprocybe, Dermocybe, Telamonia, Cortinarius) weiter vollkommen sinnvoll und legitim. Einige dieser Untergattungen wie z.B. Myxacium und Leprocybe sind aber phyllogenetisch nicht haltbar.

    Ich bin auf diesem Gebiet auch absoluter Laie, versuche aber zumindest Teile davon zu verstehen. Falls irgend etwas falsch dargestellt ist, nehme ich gerne Hinweise dazu entgegen.
    Vielleicht mag Günter Mykollege_Günter , der ja bei der JEC in der Genetik-Gruppe tätig ist noch etwas ergänzen, korrigieren

    beste Grüße

    Uwe

  • Hallo Harald,


    basierend auf der Arbeit (Kuyper 2024_Cortinarius-split, FAN, Band 8) und der übereinstimmenden Meinung der meisten Cortinarienexperten in Deutschland war die Aufsplittung der Gattung Cortinarius voreilig. Hier eine Antwort von Günter Saar:


    "Thomas Kuiper sieht derzeit keine Notwenigkeit, die Gattung zu spalten (sie ist ohnehin monophyletisch) und wir, die JEC-DNA-Gruppe um Tor Erik Brandrud (CFP), Geert Schmidt-Stohn, Bernd Oertel und meine Wenigkeit werden uns danach ausrichten. Aber auch andere Cortinario- und Mykollegen nehmen diese Rückführung in eine Gattung liebend gerne an, wie ich auf der Cortinarientagung und davor bei der wissenschaftlichen Kommission der Schweiz, auf deren Tagung ich eingeladen war, erfahren durfte."


    Deshalb habe ich mir diese Arbeit der Zurückbenennung in der Taxreflsite Deutschlands (Mykis) gemacht.


    LG

    Frank

  • Uwe hat schon alles Wesentliche geschrieben.

    Es gibt wohl in der "Forschung" mehr "Fleißpunkte" wenn man neue Gattungen beschreibt, als wenn man neue Arten aus der Taufe hebt. Und im Nachgang alles wieder rückgängig zu machen, ist immer schwerer als erstmal etwas nicht ganz Ausgereiftes in die Welt zu setzen.

    Für die, die sich gerne mit der Gattung auseinandersetzen wollen, bleibt die Funga Nordica weiterhin der Einstieg, dann gibt es Werke wie das Pilzkompendium, Cortinarius in Britain, Cortinarius in Sweden, den "Ädelspindlingar, und natürlich auch die CFP, die man nachschlagen sollte. Darüber hinaus gibt es einige Artikel, die bestimmte Clades/Sektionen monographisch bearbeitet haben.

    Und bei Fragen helfen Uwe, Hias und ich auch gerne weiter.

    Günter

  • Lieber Günter,

    Und bei Fragen helfen Uwe, Hias und ich auch gerne weiter.

    Günter

    da nehme ich dich doch gleich beim Wort 😁 - für eine Frage, die mir neulich in einem anderen Thread kam:


    Ich hatte sowas hier, mit dem gelblich-ockerfarbenen Hut, ebenso gefärbten Stiel und rötlichen Lamellen bisher immer als C. semisanguineus (Blutblättriger Hautkopf) bezeichnet:



    Die gibt es bei mir hier in rauen Mengen, und weil die sich für mein Empfinden schon immer in zwei Gruppen zu teilen schienen (ob zu Recht oder zu Unrecht ist für mich immer noch fraglich; C. phoenicus gibt es hier auch, der ist für mich nicht im selben Topf) - welche mit mehr rosalichen Lamellen und welche mit dunkler roten - war ich auf der Suche nach detaillierterer aktueller Information über Hautköpfe (das ist eine Untergattung, die ich besonders gerne mag, weil sie so hübsch sind mit den freudigen Farben, und weil ich sie fürs Färben schätze :) ).


    Jedenfalls bin ich dabei über diesen Artikel gestolpert: Revised taxon definition in European Cortinarius subgenus Dermocybe based on phylogeny, chemotaxonomy, and morphology | Mycological Progress


    Dieser kommt unter anderem zu dem Schluss, dass in Europa C. semisanguineus total selten sein soll, und meistens C. ominosus (hat der auch einen deutschen Namen? :/) als dieser fehlbestimmt sei.


    Da ich gerade einen Haufen verschiedener Hautköpfe eingesammelt habe, deren Farben untersuchen möchte und sie auch mikroskopisch anständig bestimmen möchte, wäre mir wichtig zu wissen, ob ich dafür diesen Artikel heranziehen kann - und insbesondere ob ich meine reichlichen Hautkopffunde mit den rötlichen Lamellen und den ockerfarbenen Hüten/Stielen umbenennen muss.


    Danke schon mal und beste Grüße

    Sabine