Gallertflechten-Anfrage

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  • Hallo,

    Appenzell ca 1300m, Kalkfelsen


    1) bei dieser Collema mit Bechern und Apothezien komme ich nicht weiter.

    Ist das die Zähe Leimflechte (Enchylium tenax)?

    Bild 1


    2) Auch bei dieser mit dicht gedrängten "Linsen" bin ich nicht 100% sicher

    Ich neige zu Enchylium polycarpon (Vielfrüchtige Leimflechte)

    Bild 2


    3) Eine mit reichlich isidienartigen hellen "Grat"verzierungen ("Körnchen")

    ist das noch Variante von Lathagrium fuscovirens (Blaugrüne Leimflechte)?

    dichte kugelige Insidien+, aber lt Wirth : Apothezien oft fehlend???

    diese hat dagegen reichlich

    Bild 3


    Bei der Lappigen reichlich Insidierten bin ich mir ziemlich sicher,

    das ist Lathagrium fuscovirens.

    Bild 4


    Wäre schön wenn die Lichenologen mal einen Blick drüber werfen zu meinen Vermutungen.


    Danke, lieben Gruß, inge

  • Hallo Inge,


    Ich weiß es nicht. Ich kann nur versuchen, mich mit den wenigen Fotos anzunähern:

    Enchylium tenax kommt seltener auf nackten Gestein, eher auf feuchter Erde oder mit Erde und/oder Moosen bewachsenem Gestein vor.

    Auf jeden Fall sind im feuchten Zustand die Loben dick angeschwollen. Ich erkenne wenig Ähnlichkeit, möchte aber prinzipiell nichts ausschließen!

    Diese Collema-Gruppe (Collema, Enchylium, Lathagrium,...) sind immer für Überraschungen gut.

    Ich habe noch selten welche nur vom reinen Anschauen erkannt, außer vielleicht "Collema" crispum.

    Und wenn ich meine alten Bestimmungsversuche heute durchsehe, überkommt mich häufig große Zweifel, ob das stimmen kann, was ich damals dachte zu erkennen.

    Bild A1 Enchylium/Collema tenax auf Moos und Erde auf schattigem Stein-/Ziegelschutt


    Die Flechte im ersten Bild hat tief geteilte Loben, und ist - wenn ich das auf dem Foto im unteren Bereich richtig erkenne - (dort) dicht mit kugelförmigen Isidien besetzt

    Es gibt hier etliche ähnlich aussehende Gallertflechten. Ich möchte, vermuten, dass Flechte 1 mit Flechte 3/4 identisch sind.

    C. fuscovirens eine häufig direkt auf vollsonnigem Kalkstein anzutreffende Flechtenart und käme hier schon in die enge(re) Wahl, was aber meiner Meinung nach mikroskopisch abzusichern wäre.

    C. auriforme kommt meist an beschatteten Stellen auf Moos vor - aber halt nicht immer! C. undulatum ist eine Gebirgsart, kann natürlich aber auch an tiefer gelegenen Orten auftreten.

    Ich habe lernen müssen, der Wortwahl in den Bestimmungsbüchern große Beachtung zu schenken: "Apothecien oft fehlend" heißt nicht "immer", nicht "meistens", auch nicht "sehr oft" - sondern schlicht "oft", was das Auftreten von Apothecien in keiner Weise ausschließt. Was mit "oft" nun genau gemeint ist, ist nicht festzumachen (10%, 30%, 50%..).

    Eigentlich muss man die Sporengröße, -form zur Beurteilung zur Artbestimmung heranziehen und ordentlich durchschlüsseln (Schlüssel für Collemataceae)!


    Die Flechte auf dem 3.Foto sieht nun wirklich anders aus (Lobenränder anliegend, wirklich viele Apothecien) und ich könnte mir C. polycarpa als Arbeitshypothese vorstellen. Dann müsste man aber mikroskopieren, oder zumindest deutlich mehr Erfahrung haben als ich.


    LG, Martin

  • Guten Abend Martin,


    herzlichen Dank für Deine Begutachtung und Hinweise.

    Danke auch für das Darlegen wie Du selbst mit Deinen früheren "Bestimmungsversuchen" umgehst.

    Nun: aller Anfang ist schwer.

    Aber allem Anfang wohnt auch ein faszinierender Zauber inne.

    Ich nehme mir Deine Herangehensweise zu Herzen und halte meine Bestimmungen als Versuche, als Hypothesen aufrecht, die ich jederzeit in Zweifel ziehen kann.

    Vorläufige Bestimmungen da ohne Sporen, aber immerhin schaue ich nun näher auf Merkmale und Literatur.


    Immerhin erkenne ich Fortschritte.

    Jahrelang quälte mich die Frage, was das Nostoc-Vorkommen anbetraf

    Hier half mir Christine auf die Sprünge...

    nun erkenne ich Nostoc schon in den Flechten!

    sehr edukative Forums-Mitglieder :daumen:

    Ich habe lernen müssen, der Wortwahl in den Bestimmungsbüchern große Beachtung zu schenken: "Apothecien oft fehlend" heißt nicht "immer", nicht "meistens", auch nicht "sehr oft" - sondern schlicht "oft", was das Auftreten von Apothecien in keiner Weise ausschließt. Was mit "oft" nun genau gemeint ist, ist nicht festzumachen (10%, 30%, 50%..).


    Hier noch eine Basisfrage zu Flechten:

    Wie oft haben Flechten Apothezien, Isidien, wie lange halten sie vor?

    Ich denke an so etwas wie Blütezeit/Fruchtstand bei den Pflanzen, Fruchtkörper bei den Pilzen...

    Kann es sein, daß die Apothezienbildung nur im Quellzustand im Winter bei niederen Temperaturen vorkommen?

    Dann könnte man sie nur zu bestimmten Jahreszeiten beobachten.

    In meiner bisherigen Flechten-Literatur habe ich bisher keine Jahreszeitlichen Beschreibungen zu Soredien-Ausbildung, Apothezien-Wachstum gefunden...

    Bei Scheidegger gibt es eine Temperaturoptimum-Angabe, die Hinweis für Wintermonate ist.

    Kann ich daraus schlussfolgern, daß Trockenbeobachtungen im Sommer andere Ergebnisse bringen bzgl Apothezien wie Winterquellzustände.

    Begünstigen Dauerquellungen Wachstum und Fruchtkörper?

    Bei Flechten-Abbildungen fehlt leider die Monatsangabe.


    so viel für heut',

    inge





    Grüßles, inge.

  • Hallo Inge,


    ich habe bislang keine saisonale Abhängigkeit der Fruchtkörperbildung bei den Flechten beobachen können.

    Dazu müsste man die selbe Flechte regelmäßig besuchen und den Entwicklungsstand wiederholt dokumentieren.


    Sicher ist richtig, dass jetzt in der kühlen, feuchten Zeit das Vegetationsoptimum der Flechten ist.

    Vielleicht werden damit jetzt auch mehr Fruchtkörper gebildet als in der Sommerzeit. Ich meine aber, dass die Fruchtkörper vieler Flechten so langsam wachsen, dass ein Winter womöglich nicht ausreicht, damit sie ihre volle Größe und Reife erreichen.

    Da die Fruchtkörper allerdings auc hlange Zeit bestehen, bemerkt man ihr Kommen und Gehen auf dem Thallus nur schwerlich.


    Beispiel X. parietina, eine allgegenwärtige Flechte: Schau dich um, wann du willst, die Flechten tragen rund um das Jahr Fruchtkörper und diese Fruchtkörper bilden immer Sporen.

    Andere Flechtenarten bleiben immerzu steril und vermehren sich ausschließlich vegetativ über Soredien, Isidien, Blasidien, ... oder andere Thallusbruchstücke, -abschnürungen etc. (vegetative Diasporen) - vgl. z.B. Lepraria-Arten. Wieder andere setzen normalerweise auf vegetative Vermehrung, bilden aber auch, wenn der Thallus groß und vital ist, Fruchtkörper aus (vgl. Parmelia, Punctelia, ...).

    Aber auch bei relativ schnellwüchsigen Blattflechten wie Peltigera findet man zu jeder Jahreszeit Apothecien, wenn der Thallus groß genug ist oder aus anderen Gründen meint, die Zeit sei reif.


    Man muss bedenken: Die meisten Fruchtkörper bei Flechten sind sehr langlebig und geben Sporen mit geringer Rate über sehr lange Zeiträume ab - denn auch der gesamte Stoffwechsel ist langsam. Ganz anders als bei Pilzen, die Fruchtkörper bilden, die innerhalb von wenigen Tagen reifen und die gesamte Sporenmenge annähernd gleichzeitig freisetzen.

    Nur selten sieht man vergehende Fruchkörper, wie ausgefallene Perithecien bei Verrucaria, die an den Löchern im Substrat erkannt werden können, ind welchen sie saßen, oder leere Apothecien, die kein Hymenium mehr besitzen. Ob das zum natürlichen Zyklus gehört oder durch Fressfeinde und andere äußere Störungen verursacht wird, weiß ich nicht, würde es allerdings vermuten.

    Es würde mich nicht wundern, wenn die Flechtenfruchtkörper nach ihrer Ausbildung so lange bestehen wie der Thallus, der sie trägt.


    Bin gespannt, ob jemand mehr hierzu weiß und uns sein Wissen hier mitteilt.


    LG, Martin