Lamellenpilz mit Violettem Stiel

Es gibt 19 Antworten in diesem Thema, welches 1.238 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Vidar.

  • Hallo Pilzverrückte,


    ich bin bei einer Gassi-tour auf folgendes Exemplar gestoßen:


    Aussehen: Stiel Violett, Hut Ocker/Braun, Lamellen Weiß/Beige und eng stehend, keine Knolle, keine Velumreste o.Ä.

    Geruch: Durch mein Corona kann ich leider nicht viel riechen. Ich würde es als sehr Pilzig beschreiben.

    Haptik: sehr fest

    Schnittbild: keine Verfärbungen zu sehen

    Fundort: An einem Feldweg. Es standen noch 3 weitere Exemplare der gleichen Größe in naher Umgebung. Nebenan eine Pferdekoppel mit verschiedenen Laubbäumen (Eiche, Erle, teilweise Holunder eventuell noch weitere)



    Könnt ihr mir einen Tipp geben worum es sich handeln könnte?


    Danke!

  • Ich habe irgendwas läuten hören, dass Zheng‑Mi He et al. (2023) da ziemlichen Unsinn geschrieben haben. Leider habe ich vergessen, wo ich die Info her habe. Vielleicht weiß jemand hier was Genaueres dazu?

    Ich werde diese abenteuerlichen taxonomischen Neuerungen jedenfall erstmal ignorieren. Bei Cortinarius hat sich das auch bewährt.


    Beste Grüße

    Matthias

  • Hallo Hias


    Meinst du das hier? https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1002/tax.13149

    Ja, ich empfehle auch diese neuen Collybia-Kombinationen zu ignorieren. Das wird sich kaum durchsetzen, der Widerstand ist gleich gross wie bei Cortinarius.


    Was die Autoren des Papers vorschlagen, macht viel mehr Sinn, auch wenn es nicht der nomenklatorische Standard-Prozess ist.

    Die drei Sklerotienrüblinge, die bisher noch in Collybia s.str. laufen, sind genetisch mit einigen grossen Trichterlingen und Rötelritterlingen sehr nahe verwandt.

    Diese Tatsache kriegt man nicht vom Tisch.

    Aber da macht es viel mehr Sinn, diese drei Arten umzukombinieren, statt die meisten Rötelritterlinge und Trichterlinge. Genau das schlagen die Autoren hier vor.


    Gruss Raphael

  • Hallo,

    schau mal nach dem Lilastiel Rötelritterling Collybia personata[

    viele Grüsse

    Matthias

    Seit wann heißt das denn nicht mehr Lepista???

    Gnnnnihihiiii !

    Gnüni/Kagni Lilahex  :gklimper:


    105 Pilzchips


    (Stand Nov. 2021=117 -15 Einsatz APR 2021 +4 1000. Beitrag APR +4 Ü200 Punkte im APR +4 Segmentwette =114 (Stand Nov. 2022) -15 Einsatz APR 2022 =99 +5 Gewinn aus Wette mit Suku =104 +5 9.Platz APR 2022 =109 +3 Gnolmkultur-Bonus APR 2022 =112 +7 Zieleinlaufswette APR 2022 =119 -15 Einsatz APR 2023= 104 +4PC Plazierungswette APR23 +3PC Platz 11APR23 +Teamwork-Phahl 3PC +Landungswette APR23 3PC +Gnolmgeschichtenbonus 3PC = 120PC Stand 07.01.24 -15 Einsatz APR 2024 = 105 PC +4PC Platz 9 APR 2024 +3PC Gnolmhessisch-Bonus = 112PC Stand 05.01.2025)


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    Meine Zeichnungen und Fotos sind außerhalb dieses Forums
    nicht ohne meine vorherige Genehmigung zu verwenden!


    Grünis/Kagis verrückte Pilzwerkstatt

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  • Tja, da ist die Frage, welchen Namen man verwenden sollte, wenn man in Forums-Pilzdiskussionen verstanden werden will. Collybia personata kennt niemand, Lepista personata kennt jeder. Ich selber habe auch erstmal gestutzt. Am besten sagt man Lilastieliger Rötelritterling, dann weiß jeder, was gemeint ist. Den derzeitigen wissenschaftlichen Namen kann man sich dann ja selber nachschlagen, wenn einem der deutsche Name nicht reicht.


    Auf jeden Fall ist aus morphologischer Sicht kaum zu fassen, dass der Lilastiel eine Collybia sein soll, der sieht so was von überhaupt nicht nach einer Collybia aus.


    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Ja genau, das Paper meinte ich. Witzigerweise sind es ja dieselben Autoren, die 2023 massenhaft Clitocybe und Lepista-Arten zu Collybia umkombiniert haben, die dieses Unding 2024 wieder korrigieren. So schnell kann es gehen.


  • Sollte das stimmen, was man im Internet bei Online-Vorträgen über das wissenscheftliche Arbeiten hört, verzetteln sich viele Wissenschaftszweige im Stil "Wie viele Engel passen auf eine Nadelspitze"

    Mehr Artikel, mehr Veröffentlichungen, mehr Impakt... Das alles ebnet Wege zu gewissen Dingen..

    Aber, ein Schelm, wer Böses denkt...


    Off-Topic Grüße

    Paulis

  • Manchmal meint man - zumindest als Laie - die haben einfach nichts Besseres zu tun. So ein bißchen "L'art pour l'art"... ==Gnolm7

    Gnnnnihihiiii !

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  • Naja, irgendwie hat das so ein Geschmäckle...

    Ich weiß ja nicht, ob die Autoren im Wissenschaftsbetrieb stecken.

    Aber mir erzählen befreundete Postdocs immer mal wieder, was für Absurditäten der Veröffentlichungsdruck teilweise hervorbringt.


    Erst ein Paper mit falschen Aussagen und anschließend direkt die Korrektur zu veröffentlichen würde jedenfalls den papercount relativ billig hochtreiben ;)


    Mir ist deswegen auch (ich bin Mathematiker, kein Biologe) nicht so ganz klar, warum gefühlt die meisten Mykologen jede Umkombination, die irgendwer irgendwo veröffentlicht hat, sofort und ungesehen mitgehen als hätte der Papst Ex Cathedra gesprochen. Aus "meinen" Bereichen kenne ich so eine unkritische Haltung nicht. naja, vielleicht liege ich auch falsch...

  • Vielleicht will man durch die Verwendung neuer Pilznamen auch nur zeigen, wie schlau man ist. Das darf man ja auch, allerdings bin ich persönlich davon nicht beeindruckt. Es ist ja nur ein anderer Name für das gleiche Objekt.

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  • Mir ist deswegen auch (ich bin Mathematiker, kein Biologe) nicht so ganz klar, warum gefühlt die meisten Mykologen jede Umkombination, die irgendwer irgendwo veröffentlicht hat, sofort und ungesehen mitgehen als hätte der Papst Ex Cathedra gesprochen.

    Naja, wir leben in einer Zeit, in der durch billige Routine-Sequenzierung täglich neue Fakten an's Tageslicht kommen, und die verlangen logischerweise eine Neubewertung der Lage. Da gab es vorher 200 Jahre lang nichts Vergleichbares, insofern ist der Nachholbedarf riesig.


    Dass dabei auch mal über's Ziel hinausgeschossen wird, ist wohl nicht zu verhindern. Wenn ein Wissenschaftler seine eigenen Fehler öffentlich korrigiert, erhöht das bei mir eher das Grundvertrauen in die Wissenschaft als es zu erschüttern.


    Grüße,


    Wolfgang

  • Hallo zusammen


    Also die Tatsache, dass zwischen den Sklerotien-Rüblingen und den Rötelritterlingen eine sehr enge Verwandtschaft besteht, ist schon länger bekannt.

    So tauchen diese Collybia-Arten auch schon bei Alvarado et al. 2015 im phylogenetischen Baum mitten zwischen Lepista und Clitocybe auf.

    Im Text gehen sie auch darauf ein:

    "Results (FIG. 5) show that most whitish clitocyboid species analyzed (C. phyllophila, C. cerussata, C. rivulosa, C. dealbata) have a closer relationship with the Lepista-Collybia clade than to the type species of Clitocybe (C. nebularis)."

    In der folgenden Diskussion gehen sie auch auf die möglichen taxonomischen Konsequenzen ein. Sehen aber bewusst davon ab, diese Änderungen vorzunehmen.


    Die chinesischen Autorengruppe hat dann halt diesen Schritt vollzogen, der aus wissenschaftlicher Sicht grundsätzlich auch völlig richtig ist.

    Da wird nichts herbeigeredet, und es ist auch kein Fehler.

    Es ist lediglich eine suboptimale Umkombinierung von Namen, vielleicht unter Publikationsdruck oder auch nicht, ein erfahrener Mykologe hätte es wohl anders gemacht.

    Uns Hobby-Mykologen stört jetzt halt, dass kleine "Rüblinge" und "Rötelritterlinge" in der gleichen Gattung landen, aber das ist eine Tatsache. Nur weil sie anders aussehen, muss uns die Wissenschaft nicht einen Gefallen machen und sie in zwei Gattungen belassen.

    Es ist nämlich nicht Sinn der Mykologie, uns Laien das Leben so einfach wie möglich zu machen und dafür zu sorgen, dass wir nichts Neues lernen müssen.


    Da gab es vorher 200 Jahre lang nichts Vergleichbares, insofern ist der Nachholbedarf riesig.

    Dazu noch ein Hinweis: In den letzten 200 Jahren wurden auch fleissig umkombiniert, nur aus anderen Gründen.

    Schaut mal, was Quélet in den Jahren zwischen 1870 und 1890 alles an neuen Gattungen produziert hat. Er hat seine eigenen Konzepte sogar innert 10 Jahren verworfen und nochmal alles neu umkombiniert. Und dann gleich als Kundumschlag quer durch alle Gattungen.

    Davor hat Gray 1821 das gleiche gemacht und Kuntze 1898 auch nochmal. Singer hat sein System der Agaricales auch mehrmal umgebaut, und war jedes Mal der Ansicht dass es nun richtig sei. Wenn man heute Kühner & Romagnesi's "Flore analytique" aus den 1950er Jahren anschaut, findet man vertraute Arten in völlig anderen Gattungen, die heute gar niemand mehr kennt. Was waren nochmal die Gattungen "Galera", "Rhodopaxillus" oder "Psalliota"? Wenn sich nichts ändern darf, warum benutzt niemand mehr diese Gattungen? So lange ist das noch gar nicht her, sogar im Moser sind viele Rötlinge noch unter Rhodophyllus drin, und das alles hat sich ohne Phylogramme geändert! Man darf nicht den Fehler machen, ein auserwähltes modernes Werk als "den Anfang und das Mass aller Dinge bezüglich Pilznamen" zu betrachten. Jedes Pilzbuch gibt nur den Stand zum Zeitpunkt seiner Entstehung wieder. Der Wunsch, dass sich die Pilznamen seit dem Besuch der Pilzschule möglichst nicht mehr ändern, ist zwar menschlich und nachvollziehbar, aber eigentlich illusorisch.


    Ich finde, die genetischen Methoden werden oft viel zu voreilig verurteilt. Natürlich macht da nicht jeder Autor alles perfekt. Irrtum gehört zur Wissenschaft, das war früher so und wird auch in Zukunft so bleiben. Aber die Namen der Pilze haben sich schon immer geändert, das ist keine Erfindung der Genetik. Es ist einfach eine neue Methode, und wir müssen/werden uns mittelfristig an die neuen Namen gewöhnen.

    Das braucht seine Zeit, aber dass sich die meisten Namen irgendwann durchsetzen sieht man an Beispielen wie "Coprinopsis", "Gymnopus" oder "Rhodocollybia". Diese Gattungen haben erst etwa 20 Jahre auf dem Buckel, und wir haben uns daran gewöhnt. Natürlich muss nicht jeder Hobbypilzler jeden neuen Namen sofort lernen. Da kann man sich beliebig Zeit lassen. Das hat den Vorteil, dass man Namen, die sich nicht durchsetzen, nicht zu lernen braucht.


    LG Raphael

  • Es ist nämlich nicht Sinn der Mykologie, uns Laien das Leben so einfach wie möglich zu machen

    Meiner Meinung nach besteht der Hauptsinn des Aufstellens von Gattungen bzw. das Zusammenfassen von Arten zu Gattungen darin, den auf den unterschiedlichen Levels agierenden Mykologen die Pilzwelt so einfach und übersichtlich wie möglich zu machen. Gattungen selber sind keine natürlichen Entitäten, sondern Menschengemachtes.

    FG

    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • Hallo Stephan,


    Da stimme ich dir völlig zu! Gattungen sind menschengemacht, aber schon vor der Genetik redete man immer von "verwandten Arten", nicht von "optisch ähnlichen Arten".

    Der Grundgedanke der Systematik war immer, die vermutlichen Verwandtschaftsgrade der Pilze irgendwie in eine menschengemachte Struktur zu zwängen.

    Nur: Nach welchen Merkmalen? Das haben uns die Pilze nie mitgeteilt!

    Oder habe ich ein Buch übersehen, das bezüglich Gattungen ohne jeden Widerspruch und für alle Zeiten über alle Zweifel erhaben ist, wenn man die Genetik mal aussen vor lässt?

    Früher musste man anhand verschiedener Theorien morphologische Merkmale für die Trennung auswählen.

    Zum Glück lagen die Mykologen in der Vergangenheit meistens richtig, sonst wäre das Chaos jetzt noch viel grösser.

    So konnten viele grosse Gattungen trotz Genetik beibehalten werden.


    Ich frage mich auch, ob die rein morphologische Bildung von Gattungen (vor ca. dem Jahr 2000) wirklich immer vorteilhafter war.

    Natürlich gab es da weniger Gattungen, das war auf den ersten Blick übersichtlicher. Aber es gab auch sehr unlogische Gattungen, einige Beispiele:


    Tintlinge:

    Warum genau muss ein winziger Rädchen-Tintling und der Schopftintling in der gleichen Gattung sein?

    Der eine wächst auf Mist, der andere auf dem Boden, noch andere auf Holz. Bei manchen Tintlingen zerfliessen die Lamellen, bei anderen welken sie nur.

    Es gibt knallrote und schneeweisse Tintlinge, solche mit oder ohne Seten. Selbst die Sporenform und die Velumstruktur sind sehr unterschiedlich.

    Es bleibt eigentlich kaum mehr als die Sporenfulverfarbe als Begründung.


    Rüblinge:

    Die winzigen, auf mumifizierten Pilzen wachsenden, weissporigen Sklerotien-Rüblinge und der terrestrische, rosasporige Butterrübling waren auch einmal in der gleichen Gattung. Nur warum? Da gibt es herzlich wenig Gemeinsamkeiten, den Lamellenansatz vielleicht.

    Ich sehe nicht, wie das die Pilzwelt einfacher machte. Eigentlich nur dadurch, dass die Liste von Pilzgattungen kürzer war. Einem Anfänger das Konzept des "Rüblings" zu erklären, war nicht wirklich trivial.


    Trichterlinge:

    Was haben die Nebelkappe, kleine hygrophane Trichterlinge, und die aerifer bereiften Wiesentrichterlinge nochmal gemeinsam? Vielleicht das weisse (oder zumindest helle) Sporenpulver, und dass sie keine Zystiden haben. Aber da braucht der Anfänger ja schon wieder ein Mikroskop, das will er auch nicht. Die Sporenform reicht von tropfenförmig über elliptisch bis spindelförmig. Trichterförmig sind sie nicht alle, sie haben nicht einmal alle herablaufende Lamellen. Es gibt Trichterlinge terrestrisch, auf Mist oder auf Holz. Da musste man sich einfach dran gewöhnen, dass es offenbar trotzdem alles Trichterlinge sind. Das scheint mir nicht weniger abwegig, als dass die drei Sklerotienrüblinge nun auch zu Clitocybe gehören sollen.


    Breitblatt:

    Das ist so eine Art, die von Gattung zu Gattung rumgereicht wurde, bevor es als Megacollybia zur Ruhe kam. Auch so eine Gattung, die wir inzwischen alle akzeptiert haben, und die auch genetisch bestätigt und seitdem nie mehr in Frage gestellt wurde. Man findet das Breitblatt aber auch unter Tricholomopsis, Clitocybula, Collybia, Oudemansiella, Hydropus und Gymnopus. Für jede dieser Zuordnungen gab es valide Argumente, je nachdem welche Merkmale ein Autor wie stark für die Gattungsunterscheidung gewichtete. Da gab es ja keine verbindlichen Vorschriften, also verschiedene Lehrmeinungen und hitzige Diskussionen ohne Ende. Also, in welche Gattung gehört das Breitblatt, wenn man die moderne Gattung Megacollybia aus Prinzip ablehnen möchte?


    Die Genetik löst nicht alle Probleme, sie ist kein Allheilmittel, und wird manchmal auch für vorschnelle Forschungsergebnisse missbraucht. Aber sie hat sich zumindest als einheitliches Werkzeug durchgesetzt. Es gibt nicht mehr die "französische Schule", die "deutsche Schule" und die "nordische Schule" mit verschiedenen Artkonzepten, hinter denen meistens wenige "gottgleiche" Mykologen mit einer Schar von Jüngern standen. Mir ist ein gemeinsames, weltweit anerkanntes Werkzeug lieber, als ein Chaos von verschiedenen Lehrmeinungen. Dafür nehme ich ein paar unbequeme Umkombinierungen gerne in Kauf.

    Aber ja, auch mit der Genetik wird nicht alles perfekt. So waren die Nordländer bei der Aufteilung von Cortinarius zu voreilig, und die Chinesen haben Clitocybe/Lepista unglücklich umkombiniert. Solche Sachen sind halt die Schattenseite der Genetik.


    So genug geschrieben, ich will hier eigentlich niemand umerziehen. Ich kann die andere Sichtweise auch gut nachvollziehen, also alles gut ;)


    LG Raphael

  • Der Grundgedanke der Systematik war immer, die vermutlichen Verwandtschaftsgrade der Pilze irgendwie in eine menschengemachte Struktur zu zwängen.

    Hallo,


    Das kann logisch eigentlich nicht sein, oder? Als Linnaeus die moderne Systematik begründete, galten Arten als von Gott geschaffen und unveränderlich.

    Das Konzept von im heutigen Sinne verwandten Arten kann der modernen Systematik also ursprünglich nicht zu Grunde liegen.

    Der Mensch will die Natur ordnen.


    Und auch heute ist meines Wissens das genetische Artkonzept doch nur eines von - laut Christoph Hahn - wenigstens 30, die erstmal gleichberechtigt nebeneinander stehen, darunter auch das morphologische?


    Bis dann

    Michael

  • Hallo Michael


    Naja egal ob man die Arten als Gott geschaffen anschaut oder nicht, so oder so war die Idee dahinter darin Ordnung zu schaffen.

    Wie menschliche Familien Namen hatten, damit man wusste wer zu wem gehört, so wollte man es auch bei den Pflanzen und Pilzen machen.

    Aber ok, vielleicht waren die allerersten Anfänge der Systematik noch etwas anders motiviert.


    Ja richtig, ich habe auch nie behauptet die Genetik sei das einzige brauchbare Artkonzept.

    Im Gegenteil, das morphologische und das genetisch Artkonzept sollten sich gegenseitig ergänzen, und idealerweise durch weitere angereichert werden, z.B. Kreuzungsversuche.

    Wo die Morphologie Mühe hat, die richtigen Grenzen zwischen Arten oder Gattungen zu erkennen, kann die Genetik helfen. Gattungen wie Cortinarius und Inocybe wären heute ohne Genetik noch der gleiche Sumpf von Fehlinterpretationen und verschiedenen Artkonzepten wie vor 15 Jahren.

    Und wo die genetischen Unterschiede klein sind, hilft die Morphologie zu entscheiden, ob in dem Artkonzept zwei Arten vertretbar sind oder nicht.

    Die Genetik hat gegenüber vielen anderen Konzepten den Vorteil, dass sie weitgehend reproduzierbar ist (ja ich weiss, nicht absolut immer), und zwar unabhängig von Umwelteinflüssen, Alter der Fruchtkörper und Lehrmeinungen. Ja sogar ohne Fruchtkörper ist anhand von Bodenproben oder mit Sporenfallen eine Aussage über Pilzvorkommen möglich. Zudem sind die Ergebnisse der Methode messbar und können in kompakter Form gespeichert werden, zwei unabhängige Mykologen kommen beim gleichen Fruchtkörper zur gleichen Sequenz.

    Man braucht keine individuellen Wahrnehmungsfaktoren wir Geruch oder Farbnuancen.

    Das sind doch recht gewichtige Vorteile, weshalb man die genetische Methode durchaus nutzen sollte.


    Aber: Niemals sollte man den Fehler machen, einen Pilz nur genetisch zu bestimmen!

    Die Fehlerquellen in dem ganzen Prozess sind zu vielfältig, von der falschen Beschriftung des Herbars bis zur Verunreinigung im Labor.

    Am Ende muss auch die Morphologie zum Ergebnis passen.

    Oder das genetische Ergebnis ist nicht eindeutig, dann kommt man oft morphologisch weiter.

    Darum ist es eminent wichtig, dass auch moderne Publikationen immer beides berücksichtigen, und die Morphologie auch in Zukunft seriös erforscht wird.

    Leider ist das nicht immer der Fall...


    LG Raphael

  • Hallo Raphael,


    Schöner umfassender Beitrag! Mir ging es aber weniger darum, für oder gegen irgendein konkretes Konzept zu argumentieren, sondern nur, nochmal herauszustellen, dass fast alles in der Systematik willkürlich ist und dementsprechend wissenschaftlich nicht zwingend. Im konkreten Fall der Umgruppierungen: selbst wenn man die Phylogenetik als Ordnungskriterium für die Systematik anerkennt, gibt es nicht den einen Weg, neue Erkenntnisse in die Systematik umzusetzen - derzeit scheint es zB. Mode, Gattungen immer weiter zu zerstückeln. Genausogut kann man stattdessen aber auch kleinere zu größeren Gattungen zusammenfassen.


    Darum gings mir.


    Schönes Fest!

    Michael