Lobothallia cf. (prae)radiosa mit Parasit

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  • Hallo,


    vorgestern war ich unterwegs und hielt hinter der fränkischen Grenze kurz an einem Bildstock an. Schnell ein paar Fotos unter Zeitdruck gemacht, ein zwei, drei Pröbchen genommen.

    Zuhause am Rechner muss ich feststellen, dass eine der Krusten interessant aussieht. Auf Anhieb kann ich sie gar nicht einordnen. Der Thallus ist am Rand gelappt, die bereiften (?) Lappen lösen sich vom Substrat (Kalkstein) leicht ab. Der Thallus selbst ist eckig-polygonal gefeldert, die Areolenränder weißlich bis hellgrau, die Flächen hellbraun. Das könnten eingesenkte (eckige) Apothecienscheiben sein - oder nur steriler Cortex, was ich mehr glaube. Sorale oder Isidien sind nicht zu erkennen.

    Der Thallusrand erinnert mich stark an Lobothallia praeradiosa, das Thallusinnere aber weniger.


    Bild 1 Kruzifix auf Kalksteinsockel neben Landstraße unweit der Tauber


    Die Flechte sitzt an der Kante der obersten Stufe.

    Bild 2 Gelappte Krustenflechte direkt auf Stufenkante


    Bild 3 Zweites Foto, etwas stärker vergrößernd. Spuren von Schneckenfraß sind deutlich erkennbar. Die Randlappen halte ich für stark auffällig.


    Was meint ihr dazu?


    Das nächste Mal, wenn ich vorbeikomme, nehme ich mir vor, ein Stückchen zu Analyse mitzunehmen.

    LG, Martin

  • Nach einer klassischen Lobothallia radiosa sieht mir das wegen der losen nicht am Substrat aufliegenden Randlappen nicht aus.

    Außerdem ist die Flechte am Rand stark bereift.


    Gestern war ich nochmal vor Ort. Leider hat es in Strömen geregnet und vernünftige Fotos waren nicht möglich. Die Probe, die ich nehmen konnte, ist von der Stelle, die oben in den Fotos gezeigt wurde. Dabei ließ sich ein Stück der Größe 15 x 10 mm im Ganzen ablösen, wobei der Thallus hier andere Flechten überwächst (vgl. Bild 2/3). Dien Oberseite ist frei von Isidien und Soralen.

    Bild 4 Probenoberseite mit leicht konvexen Areolen der Größe bis ca. 1mm (vgl. untergelegtes Millimeterpapier)


    In den Gräben zwischen den Areolen sind schwarze Perithecien zu erkennen:

    Bild 6 Licheicoler Pilz mit schwarzen Fruchtkörpern


    Die Unterseite der Probe ist weißlich, ebenso wie die seitlichen Ränder der oberflächlich etwas konvexen, unebenen Areolen. Die Probe ist steril und eventuell durch Schneckenfraß geschädigt, was eine korrekte Bestimmung kaum erlaubt. Ein lichenicoler Pilz mit kleinen, eingesenkten Perithecien sitzt der Probe auf (Bild 4).


    Immerhin scheint sich der Verdacht einer Lobothallia zu bestätigen, graue Krusten mit langen, grauen, lose anhaftenden Randloben gibt es nicht so schrecklich viele.


    Die Färbetests passen mit K+ gelb=>rot; P+ gelb; C- zu Lobothallia, dabei zu Arten mit Norstictinsäure als Flechtenstoff (K+rot, P+gelb; hingegen Stictinsäure: K+gelb, P+orange):

    Bild 7: K+rot


    Bild 8: P+gelb


    Der Thallus zeigt eine Dicke um 0,5mm. Die Areolen eine typische Größe von 1mm. Die Randlobenbreite liegt im gleichen Bereich, um 1mm; ihre Länge überschreitet 3mm deutlich.

    Ferner sind die Randareolen gelegentlich überlappend und nur sehr lose bis gar nicht am Substrat anhaftend.


    Der Lobothalliaschlüssel von Paukov et al. von 2019 führt über die Punkte

    1* Randloben vorhanden (Bild 2)

    10* Thallus mit Nortictinsäure (K+rot, P+gelb)

    13 Thallus teilweise nur lose am Substrat haftend, äußere 1-4 mm der Loben nicht anhaftend, Randloben +/- überlappend (vgl. Bild 2)

    14 mit Norstictinsäure, in trockenen Habitaten (alternativ 14* Stictinsäure; vgl. Färbetest)

    15 Thallus an Substrat anhaftend bis auf äußere typ. 1-4mm; Randloben moderat konvex, (sicher nicht quasi-zylindrisch), grau, Ränder der Randloben oft parallel ausgerichtet. Zentrale Areolen flach bis moderat konvex, unebene Oberfläche

    => Lobothallia praeradiosa


    Die weitaus häufigere L. radiosa würde erschlüsselt, mit 10 Stictinsäure (K+gelb, P+orange), oder 13 Th. fest anhaftend, Randlappen nicht überlappend, ... 18* Randloben flach, .. 19* L. radiosa chemotyp subcircinata mit Norstictinsäure.


    Von den 18 Arten der Gattung Lobothallia kommen in D nach WHS nur drei Arten vor, eine davon auf Silikat (L. recedens). Eine von den beiden Arten L. radiosa oder L.praeradiosa wird es wohl sein - wobei meine Tendenz weiterhin zu L. praeradiosa geht.


    LG, Martin


    Der Parasit entpuppt sich wieder als der gleiche Pilz, der ein paar Meter weiter die Circinaria contorta hoffmanniana befallen hat: Muellerella pygmaea.

  • KaMaMa

    Hat den Titel des Themas von „Unbekannte Kruste“ zu „Lobothallia cf. (prae)radiosa mit Parasit“ geändert.