Hysterium angustatum und noch was komisches...

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  • Hallo zusammen,


    ich möchte euch einen Fund vorstellen der mir im Moment Kopfzerbrechen bereitet.


    Auf einer nicht mehr ganz jungen Eiche fand ich gestern reichlich kleine Apothecien von ca. 1 mm Länge und "Kaffebohnen"-artiger Gestalt die mich zunächst an etwas aus dem Kreis Opegrapha denken ließen (erste Überlegung O. atra).

    Die Ap sind unbereift und scheinen manchmal von einem grauen Lager umgeben. Beim schlüsseln (nach WHS) komme ich zu Hysterium pulicare u.A. da das Hymenium nicht oberflächlich blau ist. Bei weiterer Beschäftigung dann zu Hysterium angustatum da die Sporengröße deutlich unter der für H. pulicare beschriebenen liegt. In der Umgebung liegen reichlich Algen, insb. auch Trentepohlia sp. (die hier aber im Moment massiv an den Bäumen "blühen") und auch andere Grünalgen sodass ich einen richtigen Flechtenthallus nicht ausmachen kann. Die Ap. sind aber gut von einem grauen Schleier umgeben.


    Lichens marins - Hysterium angustatum  Alb. & Schw. ex. Mér.

    https://fungi.myspecies.info/all-fungi/hysterium-angustatum


    Soweit so gut, findet sich aber in einer zweiten Probe ein (makroskopisch) etwas deutlicheres Lager mit kleinen schwarzen Punkten die ich erstmal für Pyknidien halten würde, sich für mich aber mikroskopisch nicht so sicher fassen lassen. Die Ap. sind hier auch deutlich kleiner und in der Quetschprobe kommt ein konfuses Bild raus. Hier weiß ich nicht was ich davon halten soll. Zudem hatte ich gesehen, dass Hysterium sp. nur in Kultur anamorphe Formen mit Pyknidien bilden sollen.


    Könnt ihr meine Einordnung zum ersten Teil nachvollziehen oder bin ich auf dem Holzweg und stehe doch vor einer Opegrapha sp?

    Was haltet ihr von der zweiten Probe?


    Vielen Dank schon einmal und viele Grüße

    Peter



    (1A,B,C) Haufenweise kleine schwarze längliche Apothecien in Borkenrissen von Eiche. Teilweise von grauem Schleier umgeben (A), teilweise nicht (B).

    Probe durch das Stereomikroskop (C).




    (2) Querschnitt durch eine Apothecium mit reichlich pigmentierten Sporen und geschlossenem Excipulum. Epihymenium ohne für mich wahrnehmbare Farbe und auch ohne K-Reaktion. Im Randbereich teils reichlich Algen. Wilde mischung aus Trentepohlia sp. und was anderem (Chlorococcus?).


    (3) Weiterer Querschnitt



    (4) Sporen


    (5) Hymenium I+ rot (in Wasser). Epihymenium farblos bis grau.


    (6) Die zweite Probe, Übersicht (A) udn Detial (B).



    (7) Schnitt durch einen kleinen schwarzen Punkt



    (8) Kleiner schwarzer Punkt (DIC, Wasser)


    (9) Kleiner schwarzer Punkt in LCB



    (10-15) Quetschpräparate durch Apothecium 2. Probe (Wasser)


    (11) (Wasser)



    (12) (Wasser)


    (13) (Wasser)


    (14) (in I) fungi.myspecies.info schreibt "one ascospore had dimensions of 45 x 11 µm" ggf. liegt hier auch eine Riesenspore vor.



    (15) (in I)




    (16) Habitat: eine Eiche an der Böschung zum Mittellandkanal in Hannover. Vermehrt im Regenschatten.


  • Hallo Peter, schöne Doku der „kleinsporigen Eichenspaltlippe“. Ich fand Eichenspaltlippen auf der Stecknadelflechtensuche regelmäßig und hatte bei meinem Erstfund ebenfalls zunächst eine Flechte in Betracht gezogen.

    Zu den Pyknidien auf der zweiten Probe kann ich leider nichts sagen.

    Schönen Feiertag,

    Ingo

  • PBR

    Hat den Titel des Themas von „Flechte oder Pilz“ zu „Hysterium angustatum und noch was komisches...“ geändert.
  • Hallo Peter,


    mein erster Gedanke bei Fund 1 war wegen der sehr robusten Fruchtkörper, das es ein Pilz sein müsste.

    Beim zweiten Blick fällt natürlich der weißliche Hof um die FK-Gruppen herum auf, wodurch es wie eine Flechte wirkt. Das gilt aber nur für den Fund auf Bild 1a. Die Folgebilder 1bc zeigen keinen ausgeprägten, weißlichen Hof. Da die Fotos offenbar an unterschiedlichen Stellen aufgenommen wurden, kann man nicht ausschließen, dass unterschiedliche Arten vorliegen können.

    Es stellt sich der Frage, von welcher der Stellen die Probe genommen wurde.

    Deine mikroskopischen Ergebnisse führen jedenfalls auch mich beim Schlüsseln nach WHS zu Hysterium.

    So weit so gut.



    Der zweite Fund wird optisch durch viele schwarze Pyknidien dominiert. Die Apothecien sind flacher, legen das Hymenium breit frei. Die dadurch breit elliptischen Scheiben wirken stellenweise über dem Hymenium grau und ev. leicht bereift (?).

    So ein Durcheinander von Anamorphen und Teleomorphen gibt es ja bei Flechten häufig. Hier würde auch ich ich eine Flechte vermuten.


    Leider gibt es keinen Querschnitt durch das Apothecium. Form, Färbung, Dicke von z.B. Hypothecium, Excipulum bleiben unklar, der Algenpartner bleibt unklar. Du zeigst einerseits spindelförmige (oder doch meist stumpf endende?), 4z Sporen in Asci, dann aber 10z (?) frei Sporen mit deutlich stumpfen Enden und gerundeten Fächern, von denen ich aber sehr geneigt bin, sie für Fremdmaterial zu halten. Ich bin nicht sicher, ob ich das alles richtig erkenne.

    Übrigen lohnt sich natürlich ein genauer Blick auf die Größe und Form der Konidien.



    Prinzipiell schwieriges Terrain, da Algen, Flechten, Pilze, auf Rinde übereinander, durcheinander, ineinader wachsen. Parasiten gibt es ja auch noch. Und der Thallus kann im Substrat verborgen sein.

    Ich würde unbedingt versuchen, mit einem ungequetschten Dünnschnitt die Analyse zu beginnen.


    LG, Martin



    PS:

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die schwarzen, rissigen Borkenbereiche am unteren Stamm älterer Birken praktisch immer flächig von solchen hysterischen Pilzen bewachsen sind und daher die dunkle Borkenfärbung kommt.

    Habt ihr eine ähnliche Erfahrung gemacht?

  • Hallo Martin,


    ich werde es nochmal versuchen. Der Grund warum ich keinen Dünschnitt zeige ist, dass mir dieser noch nicht gelungen ist...

    Zu dem Hof: Ich habe Proben von Lokalisationen mit Hof und ohne. Sie zeigen einen gleichartigen mikroskopischen Befund.


    Wie immer Danke für Deinen Input!


    Peter

  • Hallo zusammen,


    ich versuchs mal das alles zu interpretieren:

    Also Hysterium angustatum ist ja erst mal klar, die flacheren Fruchtkörper auf Bild 6 würde ich für Exemplare in anderem Alterszustand, also noch jünger oder auch schon verwittert halten, hab ich jedenfalls auch schon mal gesehen und kam auf nichts anderes, da mikroskopisch identisch. Das Graue drumrum mit den Pykinidien halte ich für eine Flechte, mit der Hysterium mal zusammen wächst, mal nicht. Zu der kann ich aber nicht weiter sagen.

    Bei 7-9 kann man nicht wirklich was erkennen, außer dass es Pykindien sind, offenbar ohne Konidien darin (überständig?), jedenfalls erkenne ich da nichts weiter. 10-11 gehört dann wieder zum Hysterium und v.a. 10 zeigt unreife Sporen, was dazu passen könnte, wenn man von unreifen Exemplaren ausgeht bei den flacheren.

    12 ist auf jeden Fall ein Fremdobjekt und erinnert mich spontan an einen Ascus von Helicogonium sp. Wäre interessant, ob sich sowas vermehrt finden lässt, es gibt bei Helicogonium Arten, die im Hymenium anderer Pilze parasitieren, z.B. bei Orbilia. Ist aber nur ein spontaner Hinweis und muss nichts heißen.

    13-14 zeigen Konidien eines Hyphomyceten, vermutlich Ellisembia coronata. Die kommt recht häufig vor und ich hab die im Garten auf schwarzem Holunder, bildet da auch ganze Rasen aus.

    15 dann unreife Strukturen vom Hysterium in IKI.

    PS:

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die schwarzen, rissigen Borkenbereiche am unteren Stamm älterer Birken praktisch immer flächig von solchen hysterischen Pilzen bewachsen sind und daher die dunkle Borkenfärbung kommt.

    Habt ihr eine ähnliche Erfahrung gemacht?

    Ob da wirklich die ganze schwarze Färbung daher kommt wäre ich mir nicht sicher, aber Massen Hysterium, v.a. pulicare, finde ich praktisch überall an solchen Birken. Gerade H. pulicare auch in rauen Mengen an nahezu allen Erlen mit grober Rinde, auch noch in >1,5-1,8 m Höhe, und bestimmt noch höher, wenn man schauen könnte. Aber meist nicht so dicht, dass man das von weitem als dunkle Färbung sehen könnte. H. angustatum ist bei mir die weitaus seltenere Art, wenngleich auch nicht wirklich selten.


    Viele Grüße

    Matthias

    Je intensiver man sich mit Pilzen beschäftigt, desto komplizierter wird es, sie zu bestimmen.