Die verflixten gelben Flechten.

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  • Hallo Zusammen,


    ich bearbeite im Moment Aufsammlungen von einer alten Sandsteinmauer an der eine beträchtliche Anzahl von Flechten zu finden waren. Gestern waren zwei gelbe Flechten an der Reihe, ich würde euch gerne meine Bearbeitung vorstellen und würde mich sehr über Feedback freuen.


    Bei Wirth kommt man hier natürlich immer irgendwo an "schwierige Gruppe" vorbei. Nichtsdestotrotz möchte ich es probieren, das Kind braucht ja einen Namen.


    Bei der ersten Flechte komme ich sowohl mit Wirth (2013) und Italic zu Calogaya arnoldiiconfusa, mit LGBI3(43) zu Calogaya oblitterata die ähnliches oder sogar evtl. das gleiche von der Insel meint. Dazu scheinen mit die zentral weiß werdenden Teile zu passen; in den unterschiedlichen Schlüsseln wird sie teils als tief orange bis rot beschrieben, diese hier ist eher "orange". Auch Sporenmaße und Form scheinen mir passig. Variospora flavescens hat wohl auch diese weißen nekrotischen Bereiche, Sporenmaße,- form und Cortexdicke passen aber nicht wirklich zu V. flavescens. Chemie war wie erwartet K+ intensiv rot, C-, P-


    Lichen thallus of orange colour with white necrotic patches in the middle, the margin has minutely branching lobes with no visible prothallus, there are many variable sized but generally small apothecia. T´he lichen is surrounded by grey and dark brown lichen crusts.

    (1) Übersicht, an der Seite einer kleinen Mauer entlang eines Felds.


    Section through a sample of the lichen. Squares are mm

    (2) Querschnitt durch Ap, (makroskopisch)


    Apothecium section (microscopic view, overview)

    (3) Querschnitt mikroskopisch


    Detail of oval polarilocular spores

    (4) Sporen exemplarisch


    Detail of cortex and medulla with algeal layer

    (5) Cortex, um die 20µm dick.


    Die zweite Flechte fand sich in unmittelbarer Nähe am Sockel einer Scheune. Beim Schlüsseln komme ich sowohl mit Wirth (2013) als auch mit Italic8.0 auf Variospora aurantia. Hier passen mir vorwiegend die Sporen nicht die von der Länge her ok sind aber wohl deutlich zu dünn. Die restlichen Merkmale scheinen mir zu passen.


    Habitat about 40 cm above the base of a barn on a sloped edge.

    (6) Habitat


    Yellow orange lichen filling grey stone

    (7) Großflächiger Bewuchs mit einer gelben Flechte mit zahlreichen kleinen Apothecien.


    Macro photo of lichen peeling away from the grey stone.

    (8) Makro


    Apothecium overview with big bubble and residual peg.

    (9) Ap. im Querschnitt

    spores

    (10)

    another set of spores.

    (11) Sporen, neben zahlreichen verschrumpelten finden sich einige mit guter Morphologie. Eher rhomboid würde ich sagen.

    Spore size 11,67x5,93µm

    (12) Sporen

    Cortex thickness (25 µm)

    (13) Cortex ebenfall in der Größenordnung 20-30 µm, Kein guter Schnitt im Foto, aber so war es überall.


    Wie schon geschrieben würde ich mich sehr dafür interessieren was ihr von diesen Funden haltet. Es sind wirklich verflixte gelbe Flechten.


    viele Grüße

    Peter

  • Moin Peter

    Ich würde beide Beobachtungen zu Calogaya pusilla (= Caloplaca pusilla) stellen. Die Art ist sehr verbreitet und häufig, insbesondere auf Mörtel und Beton; ehemals als Caloplaca saxicola aufgefasst, die in Norddeutschland bisher m. W. jedoch noch nicht sicher nachgewiesen werden konnte (alle Angaben von kalkhaltigen Gestein gehören wohl zu C. pusilla). Im norddeutschen Raum sind die aus den Kalkgebieten bekannten Arten insgesamt ziemlich selten.

    Caloplaca pusilla ist recht variabel; die auf vielen Abbildungen erkennbare Bereifung fehlt auf Exemplaren, die auf nur wenig kalkhaltigem Substrat wachsen, z.B. auf altem Mörtel. Die Art ist ein typisches Element der Mörtel-Mauern im urbanen Raum und ist oftmals Begleiter von anderen häufigen Arten wie Candelariella aurella, Lecanora albescens, Lecanora crenulata (die drei Arten sind auf Deinem Foto auf erkennbar...), Aspicilia contorta, Lecanora semipallida, Caloplaca crenulatella, Caloplaca oasis, Caloplaca flavocitrina, Caloplaca citrina, Lecidella stigmatea, Lecania erysibe, Verrucaria nigrescens und Verrucaria muralis.


    Grüße aus dem Norden

    Patrick

  • Hallo Peter, hallo Patrick!


    ja die lieben Calo-Plagen...

    Patrick hat sicher schon alles gesagt, was zu sagen ist.


    Die Flechten auf den Bildern sind durchfeuchtet, oder?

    Da Patrick nupharlutea mit Abstand hier die meiste Erfahrung hat, traue ich mich ein-zwei Fragen zum Thema nachzuschieben. Vielleicht kannst du uns mit ein-zwei Sätzen etwas im Verständnis weiterhelfen.


    Die Thallus-Gewusel auf Bild 6-8 zeigt lauter kleine Thalli mit kaum sichtbaren, reduzierten Randloben und sehr vielen Apothecien. Eigentlich wachsen die (rel.) häufigen Arten C. pusilla und V. flavescens doch rosettig(er). Liegt deiner Meinung nach hier eine Entwicklungsstörung vor? Ich hätte hier vielleicht an Calogaya saxicola s.str. gedacht, die ist ja auch nicht ganz selten und hat kaum sichtbare Randloben. Ein Bereifung ist auch nicht erkennbar, was aber anm feuchten Zustand liegen könnte. Würdest C. saxicola du hier gänzlich ausschließen? Ich habe den Eindruck, dass alles, was früher C. saxicola war, jetzt C. pusilla genannt wird. Gibt es C. saxicola überhaupt?

    Bild A1 Schwach bereifte, üppig fruchtende Calogaya cf. saxicola s. lat. an Friedhofsmauer - hätte ich zumindest dafür gehalten. Wahrscheinlich auch C. pusilla?


    Ferner irritiert mich die deutlich rhomboide Spore etwas, das passt doch nicht zu C. pusilla, oder? Caloplacen wachsen oft dicht beisammen oder durcheinander auf dem gleichen Substrat. Wenn sie nass sind, ähneln sie sich u.U. stark. Wenn man dann nicht aufpasst, landet beim Abschaben von Probenmaterial eventuell solches von mehreren Arten in der gleichen Schachtel. Die elliptischen Sporen in Bild 4 sehen schon anders aus als weiter unten die Sporen in Bild 9ff, besonders in Bild 12.

    Könnte die rosettige Flechte in Bild 1 nicht ev. Variospora flavescens sein? Die kommt doch auch mal so gelb daher und hat schöne romboide Sporen.

    Bild A2 Gelbe, rosettige Variospora cf. flavescens mit gewölbten Randloben (Bildeinsatz) und rhomboiden Sporen an Burgmauer


    LG, Martin

  • Hi Martin, hi Peter

    Zu Frage 2: Ja, schwierig. Bild 1 könnte habituell auch in Richtung C. flavescens gehen, nur passen dann die gezeigten Sporen nicht wirklich hierzu. Sind womöglich Bilder vertauscht und die rhomboiden Sporen gehören zu Bild 1 (und andersrum)?


    Zu Frage 1: Anmerkung vorweg: C. flavescens ist im norddeutschen Raum keineswegs häufig. In Schleswig-Holstein z.B. beschränken sich die uns bekannten Vorkommen nahezu allesamt auf alte Kirchen und Kirchhofsmauern/Friedhofsmauern. An "einfachen" schnöden Mörtelmauern im normalen urbanen Raum kommt sie bei uns quasi gar nicht vor. Daher beinhaltet meine Mutmaßung auch einen Mix aus eigener Erfahrung und Wahrscheinlichkeit.

    C. pusilla wächst rosettig, ja – sofern die Thalli sich solitär wachsen. Wachsen sie eng beieinander, so entsteht gerne das reichliche Durcheinander wie eben auf Bild 6–8 zu sehen. Die typischen placodioiden Thallusränder muss man dann manchmal wirklich suchen und kommt evtl. auch auf den Gedanken, dass es sich hier um andere Arten handeln könnte, die keine solchen placodioiden Ränder aufweisen (z.B. Caloplaca ruderum). Aber in den gezeigten Bildern sind ja hier und da noch die entsprechenden Ränder erkennbar.


    Ich hatte ja schon geschrieben, dass ich gar nicht weiß, ob wirklich Caloplaca saxicola im norddeutschen Raum vertreten ist. Es gab, so meine ich mich zu erinnern, genetische Untersuchungen vermeintlicher C. saxicola - Kandidaten mit dem Ergebnis, dass keine einzige echte C. saxicola dabeigewesen ist. Die auf Kalk (Beton/Mörtel) wachsenden sind wohl zumeist C. pusillum zuzuordnen; die auf Silikat sind wohl C. arnoldii (ssp. obliterata). Natürlich sind nicht alle Individuen durchgecheckt worden aber das Ergebnis war wohl schon recht deutlich. Und auch die Angaben bei Italic scheinen dies zu bestätigen; zumindest findet sich dort der Hinweis, dass zumindest ein großer Teil der als C. saxicola angesprochenen Funde tatsächlich wohl zu C. pusilla gehört.


    Aber ja: Die gelben Caloplacen sind schwierig und eine Fernansprache per Bild ist hier mit deutlich mehr Unsicherheit behaftet als dies bei manch anderen Gattungen der Fall ist. Meine Hinweise sind entsprechend eher sowas wie ein Serviervorschlag...


    Ach: Dein Bild A1 hielte ich auch für C. pusilla


    Grüße

    Patrick

  • Hallo Patrick,


    danke für deinen "Serviervorschlag". Ich weiß das sehr zu schätzen - insbesondere der Gedankengang wie Du zu den Diagnosen kommst (auch wenn sie in der Fernansprache natürlich fehlerbeahftet sind) und versuche Deine Anmerkungen so weit ich das kann nachzuarbeiten und zu verstehen.


    Ich denke, die Mauer an der ich die Proben gefunden habe kann man gut in die Kategorie "alte Friedhofsmauer/alte Kirchenmauer" stellen, sie umschließt einen alten Gutshof. Nicht urban sondern ländlich und ggf geprägt durch stickstoffreichen Staub von den umliegenden Feldern.


    Was ich für mich daraus mitnehme sind vor allem die Hinweise auf was ich (das nächste mal) im Feld noch mehr achten muss - z.B. explizit nach Thallusrändern suchen. Ansonsten kann ich mich halt nur von schlüssel-item zu item vorhangeln und komme dann wenn ich keine direkten Widersprüche sehe zu irgendwas. Und alleine "ich würde darauf achten" von einem Erfahrenen gibt mir neue Anregungen.


    Gruß

    Peter


    PS: werde von da noch ein paar Funde vorstellen...


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