Chaenotheca (cf.) subroscida → Ch. phaeocephala

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 170 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kruenta.

  • Hallo allerseits,


    direkt auf dem Hof gibt es eine weitere, sehr farbenfrohe Stecknadelflechte. Das ganze Scheunentor, ostseitig, ist damit bedeckt. Der Hof stammt aus den 1930ern, als nach Bodenreform Straßendörfer mit Land hie und da zugunsten von Einzelgehöften mit kompaktem Land ringsherum umgestaltet wurden. Das dürften die Originaltore sein. Kiefer. Der Wellasbest ist etwas neuer :D

    Auflicht

    Quetschpräparat in KOH 3%

    Sporen in Luftblase, sehr variabel, 3-9 * 3-6 µm


    In beiden Schlüsseln (Wirth et al. / Italic 8) komme ich zu Chaenotheca phaeocephala // subroscida. Wobei phaeocephala wegen der Standortangabe "a cool-temperate, holarctic lichen found on old oaks in open woodlands, in bark fissures seldom wetted by rain" rausfällt. Ch. subroscida passt da deutlich besser "growing on the trunks of old conifers" für Kiefernholz, dass seit ~80 Jahren an der frischen Luft ist.


    Da die Flechte rein optisch auch Ähnlichkeiten zu Fotos von Ch. chlorella hat, habe ich den Weg im Schlüssel noch untersucht. Dazu müsste man wählen "5 Sporen hauptsächlich ellipsoid bis kurz zylindrisch" anstelle von "5* Sp. hauptsächlich kugelig". Die großen elliptischen Sporen fallen zwar ins Auge, aber rein zahlenmäig sehe ich in der Hauptsache kugelrunde Sporen. Zudem soll Ch. chlorella (stabförmige, nach meinem Verständnis) Stichococcus Algen haben - ich sehe aber nur kugelige. Schließlich passt das Biotop nicht sonderlich "in den Borkenrissen von v.a. Eiche ... in luftfeuchten Tallagen ... im Tiefland an Kopfweiden ...".


    Damit bleibt eigentlich nur Ch. subroscida, für die es kaum Vergleichsmaterial gibt. Oder eben eine Art, die in keinem der Schlüssel enthalten ist.


    LG, Bernd

  • Hi Bernd,

    ich muss schon sagen, einen interessanten Schuppen hat du da.

    Gefällt mir!

    LG, Martin

  • N'abend,


    da Chaenotheca subroscida ein außergewöhnlicher Fund wäre, allgemein sehr selten und für LT sowieso neu, habe ich mir noch ein paar Exemplare angeschaut.


    Hier ein offensichtlich überreifes Exemplar, das abgebrochen ist und nur mit kurzem Stiel antrat. Sporen sind noch reichlich vorhanden:


    Und dann ein radikaler Schnitt mit Substrat und Lager:


    Weiterhin keine stabförmigen Algen. Die Form der Sporen kann man zwar mit etwas gutem Willen auch als überwiegend elliptisch bezeichnen - denn wo gibt es in der belebten Natur schon mathematisch perfekte Kreise?


    Zur Ökologie habe ich ein paar Arbeiten aus EE, PL und RUS angeschaut, da heißt es, sofern angegeben, übereinstimmend, auf Rinde von Fichte (bzw. Tanne in PL), allerdings immer mit wenigen Funddaten. Für Polen gibt es eine neue Checkliste der Flechten (2024) [https://www.botany.pl/images/B…24_Lichenes_of_Poland.pdf]

    Aber wer untersucht schon Scheunentore auf Flechten?


    Ich sehe nichts, was gegen Ch. subroscida spricht.


    LG, Bernd

  • Hallo Bernd,

    toll was du mittlerweile alles für Sachen auf deinem Hof gefunden hast! Dafür müssen manche hier weit fahren und ein NSG aufsuchen.

    Wenn ich mir das Standortfoto so anschaue, würd ich vorschlagen, wenn du mit den Stecknadelflechten durch bist und es wieder länger Plus Grade hat, dann lehn mal ne Leiter an den Schuppen und schau dir das Asbest- Moos genauer an- solche alten Kissen könnten den ein oder anderen Becher beherbergen..

    Aber zurück zu deiner Flechte- ich habe mich letztes Jahr versucht etwas in die Stecknadeln einzulesen und bin manchmal schier verzweifelt, denn die Unterscheidungsmerkmale sind wie ich finde nicht immer sehr trennscharf wie die Schlüssel zB bei Italic das suggerieren. Und oft erscheinen mir (innerhalb einer Gattung) sogar makroskopische Merkmale wie die Thallfarbe das auschlaggebende Kriterium zu sein! Diese ist auf Fotos (vor allem bei der nötigen Vergrößerung) bisweilen nicht sonderlich farbtreu. Und: semantische Beschreibungen der Farben sind für micht nicht zu gebrauchen, die Farbwahrnehmung ist interindividuell viel zu unterschiedlich. Bei Russula gibt es für so etwas die Farbtafeln von Romagnesi, man sollte solche Tafeln auch mal für Flechtenthalli definieren. Ich bin zu dem Schluss gekommen, ich muss mal einen Spezialisten begleiten, der mir die Thallusfarben korrekt zuordnen kann.

    Das vorneweg, musste ich tatsächlich bei deinen Stecknadeln oben an Ch. phaeocephala denken, die ich letztes Jahr zwar nur an zwei Orten, dort aber an mehreren Bäumen (meist Eichen und Pappeln) finden konnte. Die hellgraugrüne Thallusfarbe, die leuchtend hellgrün/gelb bereifte Apo Unterseite und das braune Mazaedium passen meine ich gut. Die Sporengröße wäre auch im Rahmen. Ich fand noch ein auffällig grobscholliges Ornament, was ich auf deinen Aufnahmen aber aufgrund des Fokus auf die Sporenmitte nicht gut erkennen kann - wie sah das bei deinen Sporen aus? Siehe Fotos unten zum Vergleich.

    EDIT: nach der Beschreibung bei Italic trifft das für Ch. subroscida: "wall with irregular cracks delimiting polygonal areas" ebenfalls zu..

    Bezüglich der Ökologie wäre ich vielleicht nicht so streng, mir scheint, dass viele Arten sowohl auf Nadel als auch auf Laubholz zu finden sind, falls das Milieu ähnlich (in diesem Fall sauer) ist. Ich konnte auf einer alten Eiche einige Arten finden, die vor allem für Nadelbäume beschrieben sind. Wenn man das Netz durchforstet findet man durchaus auch Beschreibungen von Ch. phaeocephala auf verbautem Nadelholz. Kurzum ich finde den Fall schwierig, die Beschreibungen von Ch. subroscida würden schon auch passen, aber ausschließen würde ich Ch. phaeocephala zumindest aufgrund des Habitats nicht kategorisch. Die Chemie bringt uns hier leider auch nicht weiter, die beiden Arten verhalten sich identisch (alle Tüpfel negativ, Vulpinsäure in der gelben Pruina)


    Zum Vergleich ein paar Bilder von (wie ich meine) Ch. phaeocephala von Quercus rob.

    n.b. der Thallus zu den Fruchtkörpern ist grau, die grünen Thalli sind eine andere Art!



    Photobiont


    grobscholliges Ornament


    etwas ratlose Grüße

    Ingo

  • Hallo Ingo,


    vielen Dank für Deine Erläuterungen. Die Thalli würde ich als hellgrau beschreiben, ohne Grüntöne. Nicht krümelig oder mehlig, das würde nach Wirth et al. auch in die von Dir vorgeschlagene Richtung deuten. Und die Köpfchenform scheint auch besser mit der Beschreibung von phaeocephala zu harmonieren.


    So stark schollig bedeckte Sporen wie bei Dir hatte ich nicht, aber vom Prinzip her gab es sowas auch.


    Die Art hatte ich mir bei den Tschechen nicht angeschaut und daher auch nicht gesehen, dass Funde auf verbautem Holz bekannt oder gar üblich sind.


    Insbesondere die Beschreibung des Thallus passt dann natürlich nicht zu subroscida, hingegen zu phaeocephala.


    Nach Moosbechern suche ich schon eine ganze Weile, auch auf den Dachmoosen (viel sind das nicht auf Asbest, 3-4 Arten, zumeist Grimmia pulvinata) - aber bisher Fehlanzeige. Genauso wie ich keine Stielboviste finde, obwohl ich eigentlich passende Habitate habe.


    LG, Bernd

  • kruenta

    Hat den Titel des Themas von „Chaenotheca (cf.) subroscida“ zu „Chaenotheca (cf.) subroscida → Ch. phaeocephala“ geändert.