Hallo,
da ich bisher noch nie im Basalt unterwegs war, konnte ich mich nicht erwehren, in die Rhön auf den Schafstein (832m, südöstlicher Nebengipfel der Wasserkuppe) zu fahren, um mich dort umzusehen.
Leider war das Wetter ziemlich regnerisch und der Himmel düster, was die Freude und die Erkennbarkeit der Flechten vor Ort einschränkte.
Bild 1 Wald kurz vor dem Schafstein, der Boden übersät mit Basaltblöcken. Der Anstieg ist schon durch die Bäume erkennbar.
Bild 2 Ein sehr steiler Weg führt über rutschigen Erdboden, über nasse Wurzeln, querligende Stämme und Felsblöcke nach oben. Stellenweise muss man in den Wald ausweichen, das der Weg bei dem nassen Wetter kaum begehbar ist. Rauf ist er noch relativ gut begehbar, aber runter ist's eine Qual!
Schöne Blattflechten sind hier Mangelware. Doch schon im Wald fallen Krustenflechten auf den Blöcken auf, die einer genaueren Untersuchung bedürfen.
Eine weißliche bis bräunliche Kruste mit gelb-grünlichen, halbkugeligen Soralen und eingesenkten und dunklen, eingesenkten Pyknidien sollte eine Lecanora sein.
Der Thallus ist rissig gefeldert, teils mit körnig-warziger Oberfläche. Zwischen einzelnen Thalli sind schwarze Demarkationslinien erkennbar, die stark mit den hellen Thallusflächen kontrastieren.
Beim Schlüsseln lande ich mit K+ kräftig gelb, C-, KC+ gelb (bis leicht orange), P+ gelb, N- und den makroskopischen Details bei Wirth und Italic jedes Mal bei Lecanora caesiosora.
Die Art würde vom Habitat her passen.
(Den Fund hatte ich schon einmal hier im Forum ausführlicher vorgestellt.)
Bild 3a Sorediöse Kruste an Basalt-Vertikalfläche neben Waldweg, Thallusrand hier hell
Bild 3b Andere Stelle mit den gleichen Flechten, mehrere Thalli mit schwarzer Demarkationslinie (Prothallus).
Was mich hier stört ist der schwarze Prothallus. L.caesiosora soll einen fasrigen, weißen Prothallus besitzten, der aber nicht immer zu erkennen sei.
In den beigestellten Fotos ist - wie auch hier bei diesem Fund - hingegen durchaus (auch) ein schwarzer Saum erkennbar (z.B. Stridvall).
Ich bin mir deshalb etwas unsicher, auch weil die Flechte als extrem selten eingestuft ist, hier aber wuchert.
Oben angekommen, weitet sich der Blick und die nördliche Blockhalde ist erreicht.
Um ihre Ausdehnung zu erkennen, muss man sehr weit nach vorne gehen, denn sie fällt steil ab und erstreckt sich über gut 200m bis zum unteren Waldrand.
Abgesehen davon, dass es sich um ein Naturschutzgebiet handelt, ist ein derartiges Terrain völlig unbegehbar und so vor Störungen geschützt. Alles, was größer ist als z.B. ein Marder, hat ernsthaft Probleme, sich hier fortzubewegen.
Das ist gut so, denn die Blockhalden hier beherbergen durch ihr kühl-kaltes Mikroklima eine eiszeitliche Reliktfauna mit Arten, die sonst nur aus höheren Lagen und höheren Breiten (Alpen / Skandinavien) bekannt sind.
Bild 4 Nördliche Basaltblockhalde
Die äußerste Reihe Steinblöcke reicht völlig aus, um sich die Haxn zu brechen.
Bedingt durch die geringe Helligkeit, die Nässe und den wackeligen Stand sind die Freihandfotos der durchweichten Flechten nicht von bester Qualität.
Ich muss später im Jahr, wenn es trocken ist, nochmals hierher...
Als erstes fallen die vielen weißen Krusten auf, dazwischen gibt es aber auch manchen Farbtupfer:
Bild 5 Lecidea, durch Eisenoxid-Einlagerung rostfarben
Bild 6 Gelbe Kruste zwischen vielen weißen Krusten: eine Rhizocarpon, nicht weiter untersucht.
Die äußersten Blöcke liegen unter den Kronen der Rotbuchen und sind Moosbewachsen. Hier sind viele Cladonien zu finden.
Bild 7 Becherlose, kräftige Cladonie, schwach verzweigend, berindet, ohne Soredien, wenige Schüppchen, Oberfläche glänzend, warzig-uneben, Basis schwarz, K+ gelb => rotbraun, P+ orangerot.
Das könnte Cladonia macroceras (Chemotyp 1) sein.
Die schön türkisblaue, schuppige Flechte entpuppt sich trocken als schnöde graubraun:
Bild 8 Trocken bräunliche, schuppige Lecidea auf Silikat; C+rosa, KC+ rot, J-, P-, UV- => Lecidea fuscoatra
Bestandsbildend ist auf den Blöcken hauptsächlich die isidiöse Pertusaria corallina, hier auch mit einigen wenigen Apothecien zu finden:
Bild 9 Lepra corallina, isidiös, Isidien hell; P+ orangerot; K+gelb, aber dann braun, C+ hellgelb, Cortex J+blau. Eine typische Blockmeer-Flechte.
An geschützten, tiefer leigenden Stellen zwischen den Blöcken dann der Fund des Tages: Ein Stereocaulon-Erstfund für mich:
Bild 10a Etwa 15mm lange Stämmchen mit hell berandeten, rundlichen Schüppchen. Die Flechte ist hier gar nicht selten.
Bild 10b Pseudopodetien glatt, weißlich; Phyllidien mit hellem Rand und konkaver, grauer Mitte. Damit eindeutig Stereocaulon vesuvianum, die insbesondere auf basischem Silikat, wie Basalt, zu finden ist.
Der folgende seltsam gefärbte, gelb-grüne Fund hat mit länger rätseln lassen, bis ich zum richtigen Schlüssel gefunden habe.
Gilt hier schuppig oder doch krustig? Substrat Basalt oder Moos/Rohhumus? Apothecien sitzend oder gestielt (nur im Querschnitt erkennbar leicht gestielt)?
Letzlich wurde klar, es muss eine Baeomyces sein:
Bild 11 Baeomyces spec - ich möchte Baeomyces carneus vermuten, denn die Flechte bestzt nur wenige, sehr kurzgestielte Apothecien.
Der trocken blasse Thallus ist mit vielen bräunlichen Schizidien auf der Oberfläche verziert und besitzt helle, vernarbten Stellen, wo diese Schizidien fehlen.
Dies und insbesondere die kräftig ausfallende, tiefrote KOH-Reaktion führen zur Art Baeomyces carneus, die im WHS als verschollen eingestuft ist.
Das wäre doch mal ein toller Fund!
Auf den Felsen am Waldweg finden sich hier jede Menge Baeomyces rufus. Diese Flechtenart sieht zwar ähnlich aus, hat abe deutlich gestielte Apothecien und reagiert mit KOH bekanntlich nur gelb.
Die östliche Blockhalde wirkt auf den ersten Blick anders, viel vermooster.
Das liegt aber vornehmlich an der Himmelsrichtung, aus der man sich den Blöcken nähert.
Bild 12 Östliche Blockhalde und Blick in die Ferne
Natürlich diverse Cladonien im Moos:
Bild 13 Becherlein
Bild 14 Vermutlich Diploschistes scruposus, hier in baun-rosa.
Bild 15 Tephromela atra mit dem typisch violetten Hymenium (und Parasitenbefall) kenne ich auch von zuhause.
Zum Abschluss noch eine letzte, weiße Kruste:
Bild 16 Ochrolechia androgyna mit groben Soralen und der typischen KC+ roten Reaktion.
Die Flechte kommt nicht nur auf saurer Rinde, sondern auch auf Silikat vor.
Dort an beregneten Vertikalflächen in luftfeuchter, kühler Lage.
Endlich geht es den 45°-Hang wieder hinunter.
Es war ein feuchter, aber dennoch sehr interessanter Kurzausflug.
Insbesondere die Baeomyces- und die Stereocaulonfunde haben mich gefreut.
Die L. caesiosora lässt mich immer noch grübeln - ob sie es wirklich ist?
LG, Martin