Chaos bei den Schüpplingen? Pholiota allesmöglich

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 450 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von EmilS.

  • Liebe Leute,

    ich habe am 03.04. in Oldenburg auf einer toten Rot-Buche drei Fruchtkörper eines Schüpplings vorgefunden. Motiviert den Pilz auf Art zu bestimmen kamen mir dann viele Fragezeichen. Ich habe das Gefühl, dass je nachdem, in welche Literatur ich schaue, dass ich auf unterschiedliche Ergebnisse komme. Ebenfalls habe ich auch je nach Literatur die deutschen Trivial-Namen durcheinander kombiniert mit den wissenschaftlichen Namen vorgefunden.

    Meine möglichen Ergebnisse laut Literatur sind hier möglich:

    - 123 Pilze: Goldfellschüppling (P. aurivella)

    - Handbuch der Pilze: Hochtrohnender Schüppling (P. adiposa). Hiernach wird noch nur noch zu P. jahnii unterschieden. Es gibt die Aussage, dass die wissenschaftlichen Namen durcheinander angewendet werden.

    - Im GU Ratgeber wird der Hochtrohnende Schüppling als P. limonella bezeichnet.

    - In Pareys ist der Hochtrohnende Schüppling P. cerifera.


    Das sind nur wenige Beispiele. Ich könnte jetzt noch mehrere aufzählen. Da auch überall unterschiedliche morphologische Beschreibungen vorliegen, bin ich mir unsicher, wie ich die Daten nun weitergebe.


    Frage: Ist es ratsam, sich dann einfach auf eine Literatur festzulegen und diese als richtig anzusehen?

    Gibt es neue Erkenntnisse, die ich noch nicht weiß? Und wo könnte ich nachschlagen, wie die korrekte aktuelle Einteilung der Pholiota vorliegt?


    Danke im Voraus schonmal.


    Folgenden im nächsten Beitrag sind noch die Fotos meiner Bestimmung zu finden.

  • Hi,


    herzlich Willkommen in der (semi)professionellen Mykologie. ==Gnolm4 ==Gnolm7 An Fagus kommt in 99,5 der Fälle P. adiposa, der Fettige Schüppling.


    Ich schreibe gleich noch einen längeren Text dazu.


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

  • Frage: Ist es ratsam, sich dann einfach auf eine Literatur festzulegen und diese als richtig anzusehen?

    Gibt es neue Erkenntnisse, die ich noch nicht weiß? Und wo könnte ich nachschlagen, wie die korrekte aktuelle Einteilung der Pholiota vorliegt?

    Hi,


    zunächst was allgemeines hierzu. Solche Fälle findest du immer wieder, dass unterschiedliche Autoren Wissenschaftliche Pilznamen für unterschiedliche Arten verwenden. Das ist ein großes Problem in der Taxonomie. Den Namen "Pholiota aurivella" kannst du vergessen. Der wurde für alle 3 Arten P. adiposa, P. limonella und P. cerifera fröhlich wild durcheinander verwendet. Das nennt man dann "Nomen dubium" und das ist ein großes Problem. Und da sind selbst Autoren wie Erhard Ludwig nicht gefeit gewesen.

    Die einzige Chance, die du hast, die Namen für die richtigen Pilze zu verwenden ist Fachpublikationen zu verwenden. Da helfen spezielle Gattungsmonographien/Monographien über bestimmte Pilzgruppen oder einzelge aktuelle Paper zu Pilzen. In diesen wird dann auf diese Problematiken eingegangen und es werden dann in dem Fall dann auch die gültigen Pilznamen für die entsprechenden Arten festgelegt.


    Bei den Schüpplingen wären dies die Gattungsmonographie von Jan Holec und der Strophariaceaen-Werk aus der Fungi-Europaei-Reihe.


    kurz zusammengefasst lassen sich die Pilze anhand der Substrate trennen:


    P. adiposa auf Fagus

    P. limonella auf Betula/Betulaceaen und evtl. noch Nadelholz

    P. cerifera auf Salix


    Da gibts auch Ausnahmen in der Besiedelung, die man dann auch jeweils mikroskopisch nachprüfen sollte.


    l.g.

    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

  • Hallo "Wildes_und_Buntes",


    also erstmal liegst Du richtig damit, dass Du einen der ähnlichen Schüpplinge mit schleimigem Hut und anliegenden Schüppchen gefunden hast.


    Mit der Merkmalskombination gibt es nach aktuellem Artkonzept einige Arten:

    - adiposa (früher aurivella) : Goldfell-Schüppling

    - cerifera : Weiden-Schüppling

    - limonella : Zitronen-Schüppling

    - jahnii : Pinsel-Schüppling

    - squarrosoides : Bleicher Schüppling

    - lucifera : Fettiger Schüppling

    - tuberculosa : Trockener Schüppling


    Das Artkonzept ist eigentlich seit über 20 Jahren geklärt von Holec 2001 (Libri Botanici 20) , Noordeloos folgt dem in Fungi Europaei 13 (2011), und ist auch bei Gröger (2014) und der Funga Nordica (2008) zu finden.

    Für die Artbestimmung solltest Du besser noch die Zystiden dazunehmen (Cheilo- und Pleuro-, letztere als "Chrysozystiden" mit anfärbbarem Inhalt).


    Mit vorhandenen (teils seltenen!) Chrysozystiden könntest Du die beiden letzten ausschließen (vermutlich ist das so).

    P. squarrosoides und P. jahnii kann man jetzt schon ausschließen, weil Du eine Spore mit großem Keimporus zeigst.


    Die ersten drei lassen sich nur mit sehr sorgfältig gemessenen Sporen, Zystiden und des Keimporus auseinanderhalten, aber an Buche wird P. adiposa die wahrscheinlichste Option sein.

    Alle 3 wurden von irgendwem auch schon "hochthronend" genannt (meist vor 2001), was zur Verwirrung beiträgt.


    Gruß,


    Wolfgang


    EDIT: Climbingfreak hat mich beim Absenden überholt ;)

  • 🙏 vielen Dank euch!!


    Ich werde noch mal die Merkmale abgleichen und mich dann auf Holec beziehen.

    Und die genannten Merkmale nochmal unter dem Mikroskop suchen.


    Ihr habt mir schon sehr geholfen.


    Liebe Grüße,

    Matze

  • Hallo zusammen,


    ich hoffe, es ist in Ordnung, diesen Thread mit einer eigenen Kollektion zu „kapern“. Und zwar mit diesem Fund aus 2020. Ich konnte das Substrat nicht sicher bestimmen, aber Salix ist vermutlich auszuschließen und Fagus recht wahrscheinlich.

    Ich habe ihn damals als P. cerifera bestimmt, aber mit Unsicherheiten. Mittlerweile glaube ich, dass P. adiposa deutlich wahrscheinlicher ist.


    Ich habe noch die folgenden Angaben:

    Liegender, dicker Laubholzstamm (evtl. Ulme, Ahorn, Buche, Esche oder Eiche).

    Hut schleimig, Stiel trocken. Groß und dickfleischig, Hut bis >12, Stiel bis 3 cm dick. Geruch angenehm aromatisch. Cheilozystiden klein, keulig, als Chrysozystiden ausgebildet (in 3% KOH anfärbbar). Pleurozystiden als Leptozystiden ausgebildet (nicht anfärbbar), ebenso keulig, aber manche etwas größer herausragend. Basidien viersporig. Sporen dickwandig, breit ellipsoid, eiförmig, mit Apikulus und Keimporus. 8,5 x 5,8 µm.


    In der Literatur werden teilweise noch die Schleimigkeit des Stiels oder die Hutbreite als Schlüsselmerkmale angegeben. Das ist aber wohl variabel und nicht artspezifisch, oder?


    Teilt mir doch mal bitte eure Vermutungen zu dem Fund mit (oder zum Substrat). Danke.


    Viele Grüße

    Emil

  • Hallo Emil,


    ich bin leider nicht schlauer als die Literatur bei mir im Schrank. P. cerifera habe ich noch nicht selbst gesehen (Weiden sind bei mir eher selten).


    "Cheilozystiden als Chrysozystiden ausgebildet"? Das sollte nicht sein. Die Chrysozystiden sind Pleuros.

    "Cheilozystiden keulig" ist leider zu ungenau. P. cerifera soll breit keulige, schon fast globose Cheilos haben, im Gegensatz zu schmal keuligen bis flaschenförmigen bei anderen Arten.


    P. cerifera soll aber auch eine weniger schleimige Huthaut haben, das passt bei diesem Bild nicht.

    Zusammen mit dem Substrat, das jedenfalls nicht wie Weide aussieht, und den breiten Sporen, käme man mit der Funga nordica recht glatt zu adiposa


    Wolfgang