Bryoplaca jungermanniae in der Schwäbischen Alb? => Bryoplaca sinapisperma (Senfkorn-Schönfleck)

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  • Hallo,


    folgende Krustenflechte wächst auf Moos über dünner Humusauflage über Dolomitfels auf einem kleinen Hügelchen (wahrscheinlich ursprünglicher Bodenhorizont) zwischen flachen Dolinen auf der schwäbischen Alb.

    Bild 1 Flache, verfüllte Dolinen im Dolomit der Schwäbischen Alb


    Der Thallus der kleinen Flechte (Durchmesser 1-2 cm) ist weiß, die zahlreichen Apothecien sind sehr schnell randlos und stark konvex gewölbt.

    Die Apothecien sind trocken braun und haben einen Durchmesser bis 800µm. Im feuchten Zustand werden sie orangebraun.

    Die jungen Apothecien besitzen keinen Thallusrand ich erkenne nur einen braunen Eigenrand:

    Bild 2 Weißliche Kruste auf Moos mit orangbraunen Apothecien (Bildeinsätze: Apothecien trocken und in Wasser)


    Bild 3 Apothecien randlos, die kleineren Exemplare besitzen noch einen schwach erkennbaren Eigenrand.



    Farbreaktionen:

    Makroskopisch hätte ich auf Moos naiverweise eine Bilimbia o.ä. erwartet, aber schon der Farbtest belehrt eines besseren.

    Der Thallus reagiert schwach K+ purpurn - ausgehend von kleinen, schwarzen Strukturen im Thallus (Pkynidien?).

    Die Apothecien (Epihymenium) reagieren K+ sehr intensiv purpurn.

    Bild 4 Thallus K+ schwach purpur (ev. durch Pyknidien verursacht?), Epihymenium K+purpur


    Der Thallus ist C-, während die Apothecien C+ stark purpur-rot reagieren.

    Bild 5 Apothecium C+ fast purpurschwarz in Tropfen aus C, weil Epihymenium (Bildeinsatz) C+ purpurrot reagiert


    Ein Reaktion auf HNO3 unterbleibt am Hymenium und Medulla (N-).



    Das Epihymenium ist dick mit braunorangen Granulen belegt (Epipsamma).

    Das Hymenium misst um 100µm in der Dicke und ist hyalin, reagiert in IKI+ blau.

    Die Paraphysen haben eine Dicke von 2-2,5 µm, sind septiert und verdicken kaum in der Endzelle.

    Bild 6 Lugol => Hymenium J+blau


    Die 2-zelligen Sporen sind deutlich polarilokular, breit ellipsoid.

    Ich messe 18-20 x 9-10 µm.

    Die Septumbreite bestimme ich bei den freien, aber zumeist unreifen Sporen um 2,5-3 µm

    Bei den reifen Sporen fällt das Septum etwas dicker aus: um 4µm.

    Bild 7 Hymenium in Wasser


    Bild 8 Auswahl Sporen 1x reif, 3x in Entwicklung (?)


    Caloplaca s.lat. auf Moos begegnete mir bisher erst einmal in den Alpen, allerdings damals eine Art mit grauem Thallusrand (C. stillicidorum).

    Hier gelange ich beim Schlüsseln zu Bryoplaca jungermanniae, einer arktisch-alpinen Kruste auf Moos, die in kalkreichen Habitaten wächst, und bei der das Epipsamma C+ purpur reagiert.

    Die Alternative Caloplaca livida bevorzugt saure, silikatische Habitate, das Epihymenium reagiert nicht mit C. Die Apothecien besitzen zudem einen bleibenden Eigenrand. C. livida scheidet aus.

    Bei B. jungermanniae soll der Thallus K- bleiben. Ich beobachte eine schwache purpurne Reaktion, die ich auf die Anwesenheit von Pyknidien oder Apothecieninitiale im beprobtem Bereich zurückführe.

    Die Abbildungen der Flechte zeigen durchweg Apothecien mit Eigenrand, deutlich konvexe Apothecien wie in diesem Fall werden aber nicht gezeigt.

    Restlos bin ich deshalb von meiner Bestimmung nicht überzeugt, weshalb ich mich über eure Meinung freuen würde.


    Also, könnte die Bestimmung B. jungermanniae hier passen?


    LG, Martin

  • Kurz zusammengefasst und nachgehakt:


    Charakteristische Punkte

    - auf Moos in Kalkgebiet

    - Thallus weißlich/hellgrau, zusammenhängend warzig-körnig

    - Apothecien ohne Anzeichen eines thallinen Randes, jung mit dünnem, braunem Eigenrand

    - Apothecien verjüngt aufsitzend, randlos, stark gewölbt

    - intensive K+, C+ und P+ purpurne Reaktionen des Epihymeniums

    - Epihymenium N-

    - Sporen-Nachmessung : 16,5-19,5 x 8,1-9,9 µm (Septum 2,6-4,4 µm), Q = 1,9-2,4; N = 15

    Bild 9 Reife Sporen mit breitem Septum


    Bild 10 Ap.-Schnitt in Wasser


    Bild 11 Farbreaktion des Epihymeniums mit C unter Mikrsokop


    Bild 12 Farbreaktion des Epihymeniums mit P in Wasser unter Mikroskop



    Die Nachmessung reifer Sporen aus einem größeren Apothecium ergeben etwas kleinere Sporen- und Septenmaße.

    Es lohnt erneutes Nachdenken:

    Bryoplaca jungermanniae möchte ich jetzt endgültig ausschließen, da ein bleibender Eigenrand vorhanden sein soll.

    Zudem gilt die Flechte in Deutschland als extrem selten bis verschollen.


    Bei den beiden Arten in der engeren Auswahl mit gewölbten Apothecien, Bryoplaca livida und Blastenia ammiospila, sind die Sporenmaße deutlich kleiner und schmaler angegeben (13-18 x 6-8 resp. 14-16 x 6-8 µm). Das passt nicht gut.


    Hingegen Bryoplaca sinapisperma hat u.a. folgende Angaben (Wirth-Hauck-Schultz):

    "Sporen ... 12-22 x 6-12 µm, Ap. rostrot bis braunschwarz", "Thallus weiß bis d. grau, körnig, dünn, uneben", ferner die Angaben

    vorwiegend alpin, reliktisch an (sub)montanen Stufen, kalkhold, auf absterbenden Moosen und anderem Pflanzenresten; selten; Funde in Schw./Fränk. Alb

    Die Septumbreite wird bei Italic mit 2,5-3 (4) µm angegeben, was noch recht gut passt.


    Bryoplaca sinapisperma hat passende Sporenform und -größen, der Thallus wird explizit als weiß, körnig, dünn angegeben.

    Sie ist in der Schwäbischen Alb nachgewiesen und gilt nur als selten.

    Ich denke, diese Art ist die bessere und auch eine gute Arbeitshypothese für den Fund.


    Hallo Patrick nupharlutea , vielleicht magst du deine Meinung geben, ob B. sinapisperma eine gute Zuweisung für den Fund sein könnte?


    LG, Martin



    P.S.:

    Zwischenzeitlich bekam ich eine Rückmeldung via Facebook, dass die Merkmale des Fundes (konvexe, randlose Apothecien) weniger für B. jungermanniae, sondern tatsächlich für B. sinapisperma sprechen. Da fühle ich mich bestätigt.

  • KaMaMa

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