Flechten im Gipskeuper

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  • Hallo,


    am Rande des Steigerwaldes in Franken grenzt kleinflächig fruchtbarer Lössboden an mageren Gipskeuper.

    Der Bauer lässt die unfruchtbaren Randbereiche der Hänge unberührt.

    Die Vegetation ist hinter Schwarz- und Weißdornhecken gegen Düngeranflug leidlich geschützt.

    Es treffen sich Fuchs und Kaninchen, gelegentlich treibt ein Schäfer seine Lämmchen durch - sonst herrscht Ruhe.

    Im Sommer flirrt die Luft, noch ist es angenehm.


    Bild 1 Magerer Boden mit Wacholder, Schlehe, Weißdorn und offenen Erdstellen ohne jeden Pflanzenwuchs


    Im Randbereich Obstbäume, alt und seit langem nicht gepflegt.

    Darunter abgestorbene Apfel- und Kirschbäume mit abblätternder Borke.

    Steckt man den Kopf in die Hecken oder schaut sich die Baumstämme genauer an, kann man allerhand entdecken:

    Bild 2 Strauchflechte Evernia prunastri und die gelbe Xanthoria parietina in Hintergrund


    Bild 3 Farbspiel in der Frühlingssonne: Die allgegenwärtige Gelbflechte (X. parietina) und der kupferbraunen Blattflechte (Melanelixia subaurifera) im Subzeitlupenringen um Platz und Licht.


    Bild 4 Ein Borkenstück, ein Bodenfund neben einem alten, toten Obstbaum, bewachsen mit buntem Flechtenmosaik. Wer zählt die Arten?

    Ja, X. parietina ist auch vertreten, aber in vertretbarer Menge.


    Zwischen den Bäumen liegen kleinere Kalkfelsen und Gipsbrocken.

    Bild 5 Eine Bagliettoa wächst im Kalkstein, ihre schwarzen Fruchtkörper sitzen tief eingebettet im Stein. Dünne Risse um die Perithecien verraten B. calciseda.


    Bild 6 Ein Stückchen weiter auf Kalkstein eine üppige Physcia caesia geschmückt mit blaugrauen Soralen.

    Dieses Exemplar bildet zusätzlich Fruchtkörper.


    Bild 7 Die vermutlich jedem vertraute Protoparmeliopsis muralis nimmt auf Kalkstein eine fast gänzlich weiße Färbung an.

    Auch die Apothecien bleiben dann hell.

    Der Kalkstein selbst erscheint schwarz durch Verrucarien, die darauf wachsen.


    Bild 8 Um den Weißdorngitterrost in voller Pracht zu sehen, bin ich wohl "a wengla" zu spät. Schade.

    Nicht jeder Pilz kann eine ausdauernde Flechte sein!

    [Korrektur der Pilzart (es ist KEIN Birnengitterrost) durch Björn, s.u., und vielen Dank dafür]


    Eigentlich ist der Boden das Besondere hier.

    Bild 9 Peltigera rufescens ist groß und fällt als erstes auf am Boden.

    Kleinere Cladonien kann man auch erkennen.


    Bild 9 Cladonia rangiformis, die falsche Rentierflechte hat Schüppchen an den fleckigen Stämmchen und braunen Spitzen.

    Sie fühlt sich hier wohl.


    Bild 10 Nicht meine Baustelle, aber eindrucksvoll diese Moos.

    Auch hier lugen Cladonien heraus.


    Bild 11 Stielboviste mit hellen Stielen und braunem Hof um das Peristom - Tulastoma brumale.

    Sporen und Capillitium passen zur Art.


    Bild 12 Schütter bewachsene Stellen mit Gipskeuper-Regolit wecken das Interesse.


    Bild 13 Für das ungeübte Auge kaum zu erkennen, da wie Pflanzenabfall wirkend:

    bläulich-graue Kügelchen, braune Schüppchen und schwarze Klumpen - typische Erdflechten.

    Aber es geht auch bunter.


    Bild 14 Thalloidimia physaroides bleibt meist steril und bildet kleine, aufrecht stehende Keulen (Bildeinsatz).

    Die weißen Pünktchen und Striche an der Oberfläche sind Pseudocyphellen und erleichten den Luftaustausch.

    Die Keulchen messen nur wenige Millimeter.

    Links oben im Bild eine weitere, unscheinbar braunschuppige Erdflechte, die in großen Mengen auftritt (vgl. Bild 13):


    Bild 15 Erdschüppchen (1-2mm groß) sind in Mengen auf dem Boden zu finden.

    Oft sind sie von schwarzen Cyanobakterien überzogen und dadurch schwer zu entdecken.

    Soviele Schüppchen die Proben auch enthalten, ich finde keine Perithecien, nur Pyknidien.

    Nass werden die Schuppen grün.

    Vermutlich eine Placidium-Art.

    Ich schwanke zwischen P. squamulosum und P. custnani, wobei ich vermute, dass beide Arten hier untermischt vorkommen könnten.


    Bild 16 Cladonia symphycarpia darf nicht fehlen.


    Bild 17 Das Bienchen weiß, es ist Frühling.

    Sie baut eine Kinderstube mit Kiesauffahrt und Schottervorgarten.


    Bild 18 Manches der Steinchen ist bewohnt. Hier mit Sarcogyne regularis.

    Interessanterweise finden sich auf beiden Seiten des dünnen Steinchplättchens ähnlich viele Apothecien!


    Bild 19 Gleich nebenan goldgelbe Flechten-Nuggets mit roten Pünktchen:

    Wie viele der Erdflechten sind sie in ihrer Größe sehr zurückhaltend.

    Im Stehen braucht es gute Augen, um sie zu erkennen. Hier hilft der Farbkontrast zum Substrat.


    Bild 20 Der krustige Aufbau mit Randläppchen weist auf Gyalolechia fulgens hin.

    Angefeuchtet wird die gelbe Färbung viel kräftiger.


    Bild 21 Grasblüte


    Auf dem Rückweg noch ein paar Rindenflechten:

    Bild 22 Eine flach ausgebreitete, gelbe Candelaria concolor im Schlehengebüsch


    Bild 23 Gelborange Polycauliona candelaria auf Kirsche mit schönen Fruchtkörpern.


    Hierher muss ich bald zurückkehren. Es gibt so viel mehr zu entdecken.


    LG, Martin

  • Hallo Martin,


    Nr. 8 ist nicht der Birnengitterrost Gymnosporangium sabinae, sondern der Weißdorngitterrost Gymnosporangium clavariiforme. Die beiden Arten unterscheiden sich durch die Wahl des Telienwirts: G. sabinae geht nur auf Juniperus sect. Sabina, während G. clavariiforme auf Juniperus communis geht. Ansonsten sind die beiden Arten aber auch makroskopisch unterschiedlich. G. sabinae bildet orange-braune Telien, die im Vergleich zur Höhe relativ breit sind, während die Telien von G. clavariiforme lang und schmal sind und im feuchten Zustand mehr gelb als orange sind.


    Hier einmal beide Arten im direkten Vergleich, jeweils im feuchten Zustand


    G. sabinae


    G. clavariiforme


    Ich denke übrigens nicht, daß du den Rost zu spät gefunden hast. Er war einfach nur trocken und mit etwas Feuchtigkeit wären die Telien auch schön aufgequellt.


    Björn

  • Vielen Dank, Björn!


    Dass es zwei recht ähnliche Pilze gibt, muss mich eigentlich nicht überraschen. Wahrscheinlich gibt's sogar noch mehr davon!


    Ich korrigiere oben.


    LG, Martin