Der Mykophage und der Fachmann

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.527 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Jorge.

  • Angesichts einiger Dispute um Bestimmungsanfragen und machen Reaktion darauf, möchte ich mal etwas zum Nachdenken und gerne auch diskutieren in die Runde werfen.


    Zunächst einmal zu den Anfragen allgemein.


    Es ist in jedem, wirklich jedem, Fachforum absolut normal, dass man eben nicht zuerst die Boardregeln liest, nicht die festgepinnten Informationen, wie man was zu fragen hat und welche Details man wie beschreiben soll.
    Der Neuling möchte Infos, bemüht eine Suchmaschine, stösst auf ein Forum, registriert sich und knallt enthusiastisch seine Frage da rein.
    Nicht selten in einer Art und Weise, dass eine seriöse Antwort gar nicht möglich ist.


    Das ist für die etablierten Forenmitglieder oft unverständlich, aber jeder möge sich bitte mal an die Eigene Nase fassen.


    Man kommt spät abends nach Hause und an der Hoflampe sitzt ein Nachtfalter. Irgendwie scheint er interessant. Man macht ein, zwei Fotos und stellt die in ein Insektenforum um zu erfahren, welche Art man da gesehen hat. Ich glaube nicht, dass mehr als 1% der Fragesteller, alle taxonomisch notwenigen Angaben machen kann. Ich glaube auch nicht, dass sich die Mehrzahl die Mühe macht, zunächst nachzuforschen, welche das denn sind.


    Jeder von uns ist im Prinzip ein Depp, wenn er völliges Neuland betritt.



    Dann zur Bestimmung allgemein.


    Wer sich mit irgendwelchen Bestimmungsarbeiten, seien es Insekten, Pflanzen, Fische, Mineralien , Pilze oder was auch immer, beschäftigt weiß, dass zur Bestimmungsarbeit immer bestimmte Angaben unerlässlich sind.
    Es sind aber eben nicht die meißten Menschen, die in irgendeiner Form schon mal enger mit Bestimmungsarbeit auseinandergesetzt haben.
    Dieser Masse Mensch fehlt jegliches Bewusstsein für die Komplexität der Materie. Für sie ist " Pilze bestimmen " in etwas so, wie Automarken raten. Sie glauben, der " Fachmann " kann durch bloßen Anblick eine bestimmte Art zweifelsfrei erkennen. Das Foto ist zwar unscharf oder zeigt nur den Pilz von oben, aber in ihren Augen zeigt das Bild genug um dem Fachmann eine Bestimmung zu ermöglichen.
    Naivität aus Unwissenheit geboren, vollkommen menschlich und normal.


    Und so stoßen sie vollkommen unbedarft auf den Fachmann.


    Der befindet sich zunächst auf einem ganz anderen Level. Die Grundvoraussetzungen für eine seriöse Bestimmung sind für ihn so selbstverständlich wie atmen, essen und trinken. Er steigt auf einer ganz anderen Ebene in eine Bestimmung ein.. und läuft sofort vor die Wand, wenn die erforderlichen Angaben unvollständig sind oder gar vollkommen fehlen.


    So wie dem Fragesteller das Bewusstsein für Bestimmungsarbeit fehlt, fehlt manchem Fachmann das Bewusstsein für die Komplexität der Anforderungen, die an einen Neuling gestellt werden. Es fehlt manchmal die Einsicht das es notwendig ist zunächst einmal das unterste Level zu betreten und dem Fragesteller zu erklären, wie man überhaupt richtig fragt um eine seriöse Antwort zu bekommen.


    Manchmal wird dann unwirsch, ja sogar unhöflich zurechtgewiesen. Das aber stößte den Fragesteller vor den Kopf, schreckt ihn wohlmöglich ab.


    Ich finde, das sind verpasste Chancen. Jeder Fragesteller hat den Keim des Interesses in sich, sonst würde er sich gar nicht erst die Mühe machen zu fragen. Aber bei jedem besteht die Chance, dass sich aus der ersten Frage ein tieferes Interesse bildet, dass er lernt und bereit ist, sich Wissen anzueignen.


    Und da ist es m.E. die (freiwillige) Aufgabe des Fachmannes, diesen an der Hand zu nehmen und auf das erste Level zu führen. Freundlich und aufklärend aufzuzeigen wie man was machen muss, um befriedigende Antworten zu bekommen. Da trennt sich dann auch bei den Neulingen die Spreu vom Weizen. Die einen (die meißten?) werden das als zu schwierig ansehen, als der Mühe nicht wert. Die tauchen dann in der Folge auch meißt nicht mehr auf. Einige (wenige) aber werden sich in die Sache vertiefen, lernen und vielleicht später selbst zum Fachmann. Und um genau diese ist es Schade, wenn sie gleich am Anfang verprellt werden.


    Will sagen:


    Kein Fachmann ist gezwungen sich eines Neulings anzunehmen und ihn freundlich und nett einzuweisen. Das kann man nicht verlangen und niemand hat einen Anspruch darauf.
    Aber, kein Fachmann ist genötigt, Neulinge abzubügeln und deren Unwissenheit als Dummheit öffentlich anzuprangern.
    Auch der Fachmann kann sich, so er genervt oder brüskiert ist, ganz einfach eines Kommentares enthalten.


    Für mich identifiziert sich der wahre Fachmann nicht durch bloßes Fachwissen, gleich wie groß dieses ist, sondern in erster Linie dadurch, ob und wie er dieses Wissen an andere weitergibt.

  • Hallo Ralf,
    der Umgangston im Forum finde ich grundsätzlich angemessen höflich. Jedoch kam es schon vor, dass einzelne Beiträge einen von mir als unnötige Schärfe war genommene Färbung aufwiesen. Aber das sollte dann auch nicht Überbewertet werden. Nicht jede Antwort ist das Ergebnis von Reflexion und sollte auch nicht als solche angesehen werden.
    VG Siggi

  • Hallo Ralf,


    schön, daß du dieses Thema hier aufgreifst. Bin voll deiner Meinung in allen Dingen. Kompetenz allein berechigt nicht, andere Pilzfreunde-wer immer es auch sei- vor den Kopf zu stoßen(Pilzfresser). Wir-auch der kompetenteste Pilzfachmann-sind alle nur Menschen, und ein menschlicher Umgang miteinander sollte das wichtigste hier in diesem schönen Forum sein und bleiben. Wer glaubt, sich nicht an einen gemessenen Umgangston halten zu können, sollte auf Antworten oder Teilnahme verzichten. Gerade bei Neulingen wirken, wie du es schon angeführt hast, harsche Antworten abstoßend und enttäuschend-und einen solchen Eindruck wollen wir als Community doch nicht auf uns nehmen-sollten wir auch nicht dulden. Wir sollten einen Umgangston pflegen, der dem Fragenden angemessen ist, ihn weiterleitet, ihn, wie du so schön gesagt hast, bei der Hand nimmt und ihn zu mehr Wissen anspornt und fördert. Alles andere ist unserem Stile nicht angemessen-so meine ich jedenfalls. Ingesamt ist aber die Tonlage hier freundlich und den Themen angemessen-das muß zum Schluß auch gesagt werden und wir haben wohl alle viel Freude dran. Leider gibt es aber manchmal auch einen Ausreißer. Auch dies kann mal passieren, denn, wie oben gesagt-wir sind alle nur Menschen und nicht vollkommen. Ich denke, das läßt sich wieder einrenken(vielleicht ist eine Entschuldigung angebracht) und wenn es bei einem Mal bleibt, so solls gut sein.


    Gruß Pilzmandl

    Der Giftpilz kann nichts dafür, daß er giftig ist-aber Du, wenn Du es nicht weißt!

    Einmal editiert, zuletzt von Pilzmandl ()

  • Ich habe versäumt darauf hinzuweisen, dass meine Kritik keineswegs auf ein Grundproblem in diesem Forum hinweisen soll. In den meißten Fällen ist der Tonfall, sind die Antworten, absolut ok.


    Dennoch sollte man darüber reden, denn besser werden geht immer. ;)

  • Hallo,


    hierzu hätte ich noch etwas hinzuzufügen:


    (Dies gilt natürlich nicht für alle Forenmitglieder mit mykologischem Fachwissen sondern nur einen Teil davon)


    Es gibt hier im Forum Personen die tatsächlich sich darüber ereifern wenn Anfänger aber auch Fortgeschrittene um eine Pilzbestimmung bitten, diese Bestimmungsanfrage aber mit zu kleinen, zu unscharfen, nicht aussagekräftigen Bildern oder zu wenigen beschreibenden Informationen versehen.
    Zudem bin ich da manchmal doch sehr überrascht da bei vielen dieser Pilze eine Bestimmung dennoch möglich gewesen wäre (meist da es sich wirklich um typische sowie bestens bekannte Pilze handelt) Warum also hier nicht behilflich sein?
    Ich konnte desöfteren auch beobachten, dass wenn die Bild und Beschreibungsqualität nicht besonders war, einige Personen diese Anfragen sogar mit Kommentaren abschmetterten in dem Sinne "sind sowieso Anfängerpilze, ich interessiere mich für schwierigere Sachen".


    Ich habe das Ganze einige Zeit beobachtet und und habe bei einer guten Gelgenheit mal geschaut welche Kritiker (also nur diejenigen die die Anfänger kritisieren und sich bei einer Bestimmung dann "fachmännich" heraushalten) sich bei einer etwas schwerereren Bestimmungsfrage mit Engagement einbringen.


    Ich habe am 26.9.10 (zum ersten mal) drei Bestimmungsanfragen in die Rubrik Pilzbestimmung und Bestimmungshilfe gestellt mit dem Titel:
    Fund 25.9.10a
    Fund 25.9.10b
    Fund 25.9.10c
    Ich habe mich an alle Regeln gehalten; verschiedene Fotoansichten, Beschreibung der Pilze, Fundorte, lediglich keine Mikroskopischen Bilder :whistling:.



    Ergebnis: ein paar nette Menschen haben versucht Hilfestellungen beizusteuern, aber es hat kein sogenannter "Fachmann" (im Sinne von oben) sich dazu geäussert (und sie haben die Threads gelesen).


    Na dann, Zufall?


    Gruss JORGE


    Hallo: es sollen sich bitte nicht die falschen angesprochen Fühlen!

    Genieße jeden Tag, aber nicht jeden Pilz, es könnte sonst Dein Letzter sein

    100 Pilzchips

    Einmal editiert, zuletzt von Jorge ()