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Mir ist der Artikel über die Giftigkeit der Rettich-Helmlinge wieder in den Sinn gekommen. Steht in der Zeitschrift für Mykologie 48 (1) 1982, S. 27f.
Zitat:
Mycena rosea ist –žpharmakodynamisch" von M. pura trennbar!
Im Gegensatz zu mikroskopischen Unterschieden sind makroskopische und ökologische Argumente bislang weitgehend unterbewertet worden, und da die beiden Sippen mikroskopisch kaum trennbar sind, wurden sie vermengt. Erst durch das Auftreten verschieden ablaufender Vergiftungsfälle wurde man auf die selbständige Stellung der M. rosea aufmerksam.
In manchen Gegenden wurde M pura bis heute als Speisepilz verwendet, und so schreibt z. B. J. S c h r o e t e r (1889), der die Sammelart als Agaricus roseus Bull. 1790 vorstellt, wörtlich: –žLäßt sich als Speisepilz, auch roh, salatähnlich benutzen." Wir selbst haben früher hin und wieder einige Exemplare rnit ins Pilzgericht genommen und keine negativen Folgen verspürt. In anderen Gegenden wurden jedoch immer wieder schwächere und ernstere Vergiftungsfälle bekannt, bis man den Pilz als –žverdächtig" oder gar –žgiftig" einzustufen lernte.
Schließlich unternahm V. E. E t i e n n e 1959 einen Selbstversuch, indem er 40 frische, bei Paris gesammelte, kurz gedünstete Exemplare verspeiste. Das war offenbar zu viel. Das Gericht verursachte eine ziemlich charakteristische psychotrope Vergiftung. 1961 wies H o f m a n n in Mycena pura (Nadelwaldform) psychotrope Indolsubstanzen nach (R. H e i m 1963), was G e r a u l d (1976) bestätigte. Nachdem N o t h n a g e 1 1968 von einer Erkrankung berichtete, die ein Mischgericht mit Mycena pura s. l. verursacht hatte, schrieb M. H e r r m a n n (1973) erstmals in einer deutschen Pilzzeitschrift über die Giftigkeit des Rettichhelmlings, und so stellte man allgemein den Genuß ein.
Nun hatte 1971 G. M a k a r a (Ungarn) nach dem Genuß von 100 g –žRettichhelmlingen" eine mittelschwere Muskarinvergiftung davongetragen! T. T i l s c h o v a (1976), die bislang die violette Nadelwaldform in geringeren Mengen immer wieder ohne Schaden verspeist hatte, unternahm einen Versuch mit derselben Menge der rosafarbenen Laubwaldform. Das führte nach 45 Minuten zu kolikartigen Bauchschmerzen und Durchfällen, die sich immer mehr steigerten, bis der herbeigerufene Arzt zwei Injektionen Atropin gab, worauf sich der Zustand der Patientin besserte. Nun erst wurde nach und nach klar, daß die beiden Sippen offenbar verschiedene Gifte enthalten, und daß rosea-Vergiftungen als klassische Muskarineffekte zu werten sind. So berichten K u b i c k a & V e s e 1 s k y 1978 von der –žpharmakodynamischen" Unterscheidbarkeit von M. pura und M. rosea.
Hallo Harald,
Danke für diesen Exkurs in die Geschichte der Myko-Toxikologie.
Glücklicherweise muss man heute keine Selbstversuche mehr unternehmen, um den Muskaringehalt einer Pilzart zu bestimmen - das macht der Chromatograph.
Alle aktuellen Autoren sind sich in der Einschätzung von pura als Giftpilz einig.
Grüße,
Wolfgang