Hallo Sebastian,
zunächst einmal: Bei den von Dir gefundenen Fruchtkörpern handelt es sich eindeutig um schon ziemlich alte und stark ausgewaschene Exemplare. Jung bzw. frisch sahen diese Saftlinge
noch ganz anders aus (mit viel mehr Farbe und deutlich weniger durchscheinend gerieft). Deshalb habe ich ja auch ein Foto bemüht, welches ebenfalls schon etwas ältere Exemplare zeigt.
Bei Ludwig hast du gelesen: “nicht oder schwächer durchscheinend gerieft“. Das stimmt auch bei ganz jungen Exemplaren, es ändert sich aber schnell, wenn die Pigmente
ausgewaschen werden und die Lamellen zunehmend sichtbar werden. Übrigens steht in der Saftlingsmonographie von Boertmann bei der Beschreibung des Hutes: „often translucently striate“.
Will sagen: Die stärker durchscheinenden Lamellen sind für H. mucronella-Fruchtkörper dieses Alters absolut typisch!
Weiter zitierst du den Ludwig mit „Lamellen eng und dünn“. Das entspricht nicht der Realität. Da reicht ein Blick auf die zahlreichen Abbildungen von H. mucronella
im Netz. Die Lamellen sind überwiegend normal entfernt und normal dick. Auch die Abbildung im Boertmann zeigt nichts anderes und dein Fund passt wunderbar dazu!
Nächster Punkt, der Geschmack: Da hast du festgestellt, dass die Fruchtkörper zum Zeitpunkt des Auffindens nicht bitter schmeckten. Das bedeutet aber ja nicht zwangsweise, dass es bei den Fruchtkörpern im jungen
Zustand auch schon so war. Auch Bitterstoffe können durch Witterungseinflüsse ausgewaschen werden oder mit zunehmender Alterung der Fruchtkörper stark an Intensität verlieren. Wir
müssen hier also keine „milde“ Variante von H. mucronella mit dann auch noch anderen Mikromerkmalen annehmen.
Über andere Saftlingsarten als H. insipida und H. mucronella brauchen wir uns bei deinem Fund auch keine Gedanken machen. Da stimme ich mit dir voll überein, denn da gibt es
nichts, was auch nur annähernd passt.
Wenn nun etwas für H. insipida spricht, dann ist es der nach deinen Angaben deutlich klebrige Stiel. Das ist nicht von der Hand zu weisen.
Dagegen tragen die von dir gezeigten Sporen meines Erachtens nicht zur Klärung bei. Leider sind es nur sehr wenige und die sind nach meiner Einschätzung nicht voll entwickelt und lassen
so keine Entscheidung zu. Nimmt man aber an, dass sie voll entwickelt sind, dann wären sie aufgrund ihrer Form nicht mit H. insipida vereinbar.
Nun zu weiteren Merkmalen, die für H. mucronella sprechen.
1. Die Art, wie sich der Hut entfärbt.
Bei H. mucronella (die anfangs kräftig orange-rot gefärbt ist), wird der Hut mit zunehmenden Alter immer blasser, dabei bleibt das Zentrum orange, das orange wird in Richtung
der Ränder aber immer schwächer und der unmittelbare Hutrand erscheint farblos bis weiß.
Bei H. insipida (die anfangs meist rot-orange bis orange-gelb gefärbt ist) schwinden die Rot- und Orange-Töne auch im Zentrum und die Hüte behalten danach noch recht lange
eine gelbliche Färbung.
2. Lamellenform und Lamellenansatz
H. mucronella hat breit angewachsene und oft auch bauchige Lamellen. Sind letztere deutlich bauchig, ist der Blick auf den Lamellenansatz nur direkt von unten möglich.
H. insipida hat breit angewachsene bis herablaufende und nur selten etwas bauchige Lamellen. Der Lamellenansatz ist in der Regel völlig frei sichtbar.
3. Die Färbung der Lamellen
Bei voll aufgeschirmten Hüten sind die Lamellen von H. mucronella deutlich orange gefärbt und der farbliche Kontrast zwischen den Lamellen und dem Stiel ist eher gering.
Bei H. insipida sind die Lamellen meist weniger intensiv gefärbt (schwach orange bis gelb) und so ist meist ein deutlicher farblicher Kontrast zwischen Stiel und Lamellen vorhanden.
Das war jetzt recht viel Text für einen Forumsbeitrag, es war mir aber wichtig, noch mal zu verdeutlichen, weshalb ich hier für H. mucronella plädiere. Andere Meinungen oder Einschätzungen sind willkommen.
LG Ingo