Guten Abend zusammen,
ich kann mir denken, was Steffen meint und bei ernsten Erkrankungen geht man sicherlich besser zum Arzt anstatt einen Tee von Heilpilzen zu trinken. Der verschreibt Medikamente, deren Wirksamkeit durch klinische Studien belegt wurde und auch die Neben- und Wechselwirkungen sollten da bekannt sein. Wobei da sicher auch Schindluder getrieben wird, längst nicht alles öffentlich ist (aus verschiedenen Gründen) und die Pharmaindustrie natürlich auch ein Interesse an Vermarktung hat und dabei nicht immer ethisch einwandfreie Wege geht. Beispiel Opiodkrise in den USA. Und auch unser Gesundheitssystem hat sicherlich den ein oder anderen Nachteil, z. B. gab es bis vor ein paar Jahren zu HPV keine Impfempfehlungen für Jungs, inzwischen aber schon, wohl aber nicht für Erwachsene, was letztlich nur auf fehlende Forschungsdaten zurückzuführen ist. Auch wird das System oft als kalt empfunden, so hat ein Arzt heute nicht mehr so viel Zeit für einen Patienten und die Wartezeiten sind lang.
Entsprechend erlebten wir vor einigen Jahren eine Rennaissance der Naturheilkunde und so mancher geht sogar zum Heilpraktiker. Vieles halte ich für Humbug (z. B. Homöopathie, Bachblüten), aber freilich gibt es auch Heilkräuter, die tatsächlich eine Wirkung haben. Das ist ja auch hinlänglich bekannt. Jeder kennt den Kamillentee, ferner auch Fenchel und Pfefferminze und solche Sachen wirken auch. Die Prüfung eines Heilpraktikers beim Gesundheitsamt zielt letztlich darauf ab, dass er lebensbedrohende Krankheiten erkennt und den Patienten zu einem richtigen Arzt schickt. Und das ist auch gut so.
Aber nicht wenige Stoffe aus Pflanzen wurden erforscht und fanden letztendlich den Weg in ein Medikament, welches der Arzt verschreiben kann oder welches zumindest in der Apotheke erhältlich ist, ob in unveränderter oder abgewandelter Form. Da wäre z. B. die Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin), die eine chemische Abwandlung des Wirkstoffes in der Weidenrinde ist (Salicylsäure). Oder das Johanniskraut, dessen Wirkstoff Hypericin stimmungsaufhellend und gegen Nervenschmerzen wirkt.
An Wirkstoffen aus Pilzen wurde und wird geforscht, was ich auch absolut richtig finde. Das Penicillin hat Claudia schon genannt und das hat unzählige Menschenleben gerettet. Inhaltsstoffe des "Reishi" sowie anderer Pilze werden ebenfalls erforscht. Wer sich dafür interessiert, findet dazu sicherlich einiges auf PubMed. Sogar die einst verteufelten psychedelischen Wirkstoffe wie Psilocybin werden heute erforscht (die Rechtslage machte das allerdings schwierig bis unmöglich) und soweit ich weiß sind die Forschungsergebnisse vielversprechend.
Klar ist aber auch, dass Pflanzen, Pilze, Tiere in unveränderter Form auch etliche andere Stoffe enthalten, die möglicherweise schädigend sind. Zum Beispiel enthält der früher gegen Husten als Tee getrunkene Huflattich (Tussilago farfara, da steckt der Husten schon im Namen) auch leberschädigende Pyrrizidoalalkaloide (ein Wort, dessen Schreibweise ich jedes Mal erst googlen muss).
Kurz gesagt: Von einem Heilpilzpülverchen würde ich auch nicht zu viel erwarten. Das ist eher ein Lifestyle, der gerade unheimlich gehypt und gepusht wird durch die kapitalistischen Interessen derjenigen, die daran verdienen - inklusive mancher Privatpersonen, die ihre selbst gesammelten Baumpilze dann online anbieten. Das ist natürlich eine eher zweifelhafte Sache. Zumindest sollten solche Pülverchen standardisiert werden, da - vermutlich - die Konzentration der Inhaltsstoffe schwankt, wie bei Heilpflanzen auch.
Zum alpha-Amanitin gegen Tumorzellen: Da bin ich nicht auf dem Laufenden, gehe aber davon aus, dass das nicht automatisch zielgerichtet Tumorzellen zerstören kann, sondern dass das mit Antikörpern gekoppelt wird, die ihre "Sprengladung" (das Amanitin) erst ans Ziel, die Tumorzelle, bringen.
Ich glaube aber schon, dass in Pilzen eine Menge Potenzial steckt. Nicht nur für die Pharmaindustrie und Medizin, sondern auch für andere Branchen. Und so lange man es nicht besser weiß, soll von mir aus jeder mit seinem Pilz-Kaffee glücklich werden. Hauptsache ist, dass damit niemand die Gesundheit anderer durch kapitalistisch motivierte Heilversprechen gefährdet und z. B. Fliegenpilzhüte auf Ebay verkauft. Allerdings bin ich da wenig optimistisch, da man in Zeiten von Tiktok und Co wohl eher nicht davon ausgehen kann, dass sich da so schnell die Vernunft durchsetzt.
Beste Grüße
Oliver