Große Brennnessel (Urtica dioica), Kleine Brennnessel (Urtica urens)
Wer kennt sie nicht, die Brennnesseln! Bereits Plinius (24 n. Chr., römischer Schriftsteller und Naturforscher) nannte die Brennnessel die "am meisten verhasste aller Pflanzen" und diese Ansicht hat sich bei vielen Gartenbesitzern bis heute gehalten. Die Brennnessel ist eine Pflanze die dem Menschen überall hin folgt, als wollte sie von ihm adoptiert, gehegt, gepflegt und geliebt werden. Sie steht sozusagen am Gartentor um in die Liga der Kulturpflanzen aufgenommen zu werden. Und dies mit Recht, denn sie ist so etwas wie ein "Super-Star" unter den Pflanzen.
Vom "ne" zum Nesselstoff
Die Wurzeln unserer Sprache gehen bis in die Altsteinzeit zurück. Das Wort "Nessel" entstammt dem indogermanischen Urwort "ne". Daraus ergibt sich ein ganzer Bedeutungskomplex (nähen, Netz, nesteln (knüpfen, schnüren), Nestel (Band, Schnürriemen), auch das Wort Nadel gehört in diesen Bedeutungskomplex und noch viele weitere Begriffe.
Die Brennnessel war in den nördlichen Breitengraden die erste wichtige Faserpflanze, neben Lein und Hanf, aus welcher feine Gewebe, Segel- und Sacktuch, feste Stricke und Seile hergestellt wurden. Heute ist Nessel ein Begriff für grobe, ungebleichte Stoffe, seit Kurzem werden in Deutschland jedoch wieder Nesselstoffe hergestellt die leichter und angenehmer wie Seide sind. Von der einstigen Bedeutung als Faserpflanze erzählen noch heute viele Märchen, z.B. "Die sechs Schwäne" der Gebrüder Grimm oder auch Märchen von Christian Anders.
Grüner Riese
Die Brennnessel ist eine unserer hervorragendsten Heilpflanzen, gilt als größte Wohltäterin in vielerlei Hinsicht für einen gesunden Garten, ist eine wunderbare Tiermedizin, und ist eines unserer vitamin- und mineralstoffreichsten Gemüse überhaupt. Auch zum Färben kann die Brennnessel benutzt werden. Ferner ist die Brennnessel sehr reich an Chlorophyll (im Blattgrün), so dass der Bedarf für die Herstellung von Nahrungsmittelfarben, Zahnpasta, Mundwasser etc. vorzugsweise durch Brennnesseln gedeckt wird (Farbstoff E 141) Kräuterpfarrer Künzle sagte z. B.: "Hätte die Brennnessel keine Stacheln, wäre sie schon längst ausgerottet worden, so vielseitig sind ihre Tugenden." Horaz und Ovid haben die Brennnessel besungen, alle großen Heilpflanzenkenner loben sie hoch, auf einem prachtvollen Gemälde von Albrecht Dürer trägt ein Engel eine Brennnessel zum Thron des Allerhöchsten und im 17.Jahrhundert wurde die heilige Maria zuweilen auf Nesselzweigen rastend abgebildet.
Die wunderbare Heilpflanze
"Wenn die Menschheit wüsste, was die Brennnessel alles heilen kann, würde sie nichts anderes als die Brennnesseln anbauen", so die Worte von Maria Treben. Die Brennnessel ist heilkräftig von der Wurzel über die Blätter und die Blüten bis hin zu den Samen bzw. Früchten. Frisches Kraut ist besser als getrocknetes. Nebenwirkungen oder Gegenanzeigen sind keine zu erwarten, allerdings sollte man bei eingeschränkter Herz- oder Nierentätigkeit vorsichtig sein. Leider würde ein näheres Eingehen auf die vielen verschiedenen Heilanwendungen hier den Rahmen sprengen, daher wieder einen Link der einige wenige Heilanwendungen aufführt.
Eine kulinarische Hymne auf die Brennnessel
Brennnesselblätter runden den Geschmack vieler Gerichte ab ohne sich vorzudrängen. Alleine oder als Beigabe zu Gemüse, Spinat, Suppen, Saucen, Salat (Gurkensalat :yumyum: ) Aufläufen, Quark, Pfannkuchen, Füllungen, Soufflees, Broten, usw., usw.
Am besten schmecken die ersten, ca. 20 cm langen, Triebe im zeitigen Frühjahr, später werden nur die obersten 4 - 6 Blätter geerntet. Wenn Brennnesseln aber regelmäßig geschnitten/gemäht werden treiben sie immer wieder nach und stehen somit den ganzen Sommer über zur Verfügung.
Brennnesseln am Wegrand Anfang September
Inhaltsstoffe der Blätter
100 g Brennnesseln 100 g Kopfsalat 100 g Spinat
Vitamin C 333 mg 13 mg 52 mg
Vitamin A 0,74 mg 0,13 mg 0,70 mg
Eisen 7,8 mg 1,1 mg 4,1 mg
Magnesium 71 mg 11 mg 5,8 mg
Kalium 410 mg 224 mg 633 mg
Calcium 630 mg 37 mg 126 mg
Quelle: AID
Obwohl die Brennnesseln so mineralstoff- und vitaminreich sind sollte man sie nicht täglich essen. Sie wachsen mit Vorliebe auf stickstoffreichem Boden und nehmen sehr viel Nitrate auf. Als Bestandteil einer gesunden Mischkost sind sie aber sehr empfehlenswert.
Feurige Samen
Die Samen bzw. Früchte werden im Spätsommer und im Herbst geerntet (zwischen grün und braun werdend). Sie sind geschmacklich relativ neutral, schmecken vielleicht leicht nach Sesam, und sind sehr vitamin- und mineralstoffreich. Sie strotzen geradezu von Proteinen, fetten Ölen, Carotinoide, Kalium, Eisen, Kalzium, vielen wichtigen Vitaminen wie Vitamin A, B und C und Phytohormonen. Man sagt seit Alters her, dass durch tägliches Essen von einem Teelöffel der Samen alle Lebensvorgänge aktiviert und die körpereigenen Abwehrkräfte gesteigert (immunstärkend) werden. Die Samen helfen auch bei chronischer Müdigkeit und Leistungsschwäche, fördern bei stillenden Müttern die Milchbildung, bei Männern die Samenproduktion und gelten allgemein als Aphrodisiaka.
Seit einiger Zeit avancieren die Brennnesselsamen nun zum teuer verkauften Superfood, mit nicht immer vollständigen Angaben zu den Inhaltsstoffen bzw. der Wirkung in den diversen Werbungen. Unter anderem hier kann man jedoch kurz und bündig noch einiges zu den Brennnesselsamen lesen.
Brennnesselsamen im August
Brennnesselsamen Anfang September
Man kann die Brennnesselsamen frisch essen oder trocknen. Wenn es rein ums Kulinarische geht kann man die Samen auch rösten, ich benutze die Samen z.B. auch ab und an als Panade. Ansonsten einfach über den Salat, das Müsli, die Suppe streuen oder in die Butter einarbeiten usw. - der Fantasie sind da fast keine Grenzen gesetzt.
Die Ernte an sich ist ganz einfach und das Trocknen völlig unproblematisch. Man nimmt einfach einen normalen Baumwollbeutel, kehrt die Innenseite nach außen, also das die Nähte außen sind, schneidet die Stiele mit den Samen und den Blättern ab (nicht den ganzen Stiel, sondern nur den Teil mit vielen Samen), steckt alles in den Beutel, die Triebspitzen nach unten, und hängt den Beutel einfach irgendwo auf (wo es einigermaßen luftig und trocken ist). Wenn es einigermaßen trocken ist und dies geht bei der Brennnessel sehr schnell, schüttelt man die Brennnesselstiele vorsichtig, die Samen fallen nach unten in den Beutel, und man zieht die Stiele mitsamt den Blättern aus dem Beutel. Die Samen im Beutel noch etwas nachtrocknen lassen, in ein Schraubglas umfüllen und fertig.
Rezepte
Im Internet findet man eine reichliche Auswahl an Rezepten mit Brennnesseln, dennoch nachfolgend noch zwei Rezepte.
Gebackene Brennnesselblätter
20 - 30 große Brennnesselblätter, 125 g Mehl, ca. 1/4 L Bier, 1 Ei (Eigelb und Eiweiß getrennt), Salz, 1 TL Öl
Das Mehl mit Bier, Eigelb und Salz zu einem dickflüssigen Teig verrühren, das Öl hinzugeben und das zu Schnee geschlagene Eiweiß unterheben. Die Brennnesselblätter mit einem Nudelholz walken und leicht salzen, etwas ziehen lassen, dann in den Bierteig tauchen und bei 180 Grad in Öl goldbraun ausbacken (geht auch wunderbar in der Pfanne). Gut geeignet als Vorspeise mit diversen Saucen, als Suppeneinlage oder einfach so zum knabbern.
Brennnesselchips
Brennnesselblätter in eine Pfanne mit etwas Öl (man braucht nicht viel) geben, goldbraun frittieren (geht ganz schnell), auf Küchenpapier legen und leicht salzen - fertig. Die Chips schmecken warm und kalt.
Ernte und Verarbeitung
Man erntet die Brennnesseln entweder mit Handschuh (und Schere) oder so wie ich: Luft anhalten und pflücken - automatisch fasst man viel kräftiger zu und damit werden die feinen Brennhaare zerstört.
Um die Brennnesseln weiter verarbeiten zu können ohne sich zu brennen gibt es fünf Möglichkeiten:
- mit Handschuhen arbeiten
- in einem feuchten Tuch etwas rollen
- in große andere Blätter (Salatblätter z.B.) einwickeln und dann schneiden
- liegen lassen bis sie angewelkt sind (ist nicht 100 Prozent sicher)
- mit heißem Wasser überbrühen (erste Inhaltsstoffe gehen verloren)
"Erste Hilfe" bei Brennnesselkontakt
Brennt man sich, wächst ein Gegenmittel meist unmittelbar neben der Brennnessel. Ob Wegerich (alle Arten), Ampfer, Giersch oder alle Spingkrautarten, der Saft der zerquetschten Blätter hilft augenblicklich gegen das Brennen und die Quaddeln.
Bei der leichtesten Berührung brechen die Brennhaare an der Spitze ab und spritzen wie Injektionsnadeln schlangen- und bienengiftartige Toxalbumine, Histamine und Ameisensäure unter die Haut. Fast man beherzt zu knicken die Brennhaare weiter unten um und die Substanzen geraten nicht unter die Haut.
Liebe Grüße
Maria
Der obige Text ist ein Auszug aus meinen Veröffentlichungen zur Brennnessel - das © liegt bei mir.