Servus Claudia,
hier ein letzter Beitrag für heute abend... (muss morgen früh raus zur Montagmorgen-Pilzberatung in München)
Dass das Pilzberatungssystem im Osten zerschlagen wurde, war eine große Dämlichkeit. Davon gab es ja leider noch ein paar andere. Die Polikliniken der DDR waren auch nicht das Schlechtesten, aber passten nicht ins System. Aber das ist Schnee von gestern.
Ja.
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Wenn die Verbände, oder wenn ein Verband Handlungsbedarf sieht, wird er nur im Schulterschluss mit den anderen etwas bewegen können. Offenbar gab es ja einzelne Bestrebungen, aber nie von allen gemeinsam.
Ich sag mal: jein. Früher gab es ja so gut wie nur die DGfM (jedenfalls in Westdeutschlanf und überregional). Und die DGfM hat damals (noch) Handlungsbedarf gesehen - und trotzdem nichts erreicht. Deshalb wurde ja auch der Pilzberater in PSV umgetauft, um besser verhandeln zu können. Auch das brachte nichts.
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Ich kenne das aus anderen Gebieten ganz gut. Es gibt immer Konkurrenz unter den Vereinen. Da geht es um Mitgliederzahlen, Meinungsführerschaften, Beiträgen und Spenden.
Mag sein. Sehe ich bei DGfM vs. Regionalvereinen nicht so. Das ergänzt sich eher. Spendengelder sind nicht relevant (jedenfalls in der Region), Mitgliederzahlen - vielleicht, aber zu viele haben dann eh Doppelmitgliedschaften. Meinungsführerschaften - klar, das spielt sicher irgendwie eine Rolle, zudem Narzissmus etc.
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Nach meiner Erfahrung waren die Vereine immer dann erfolgreich, wenn sie Konkurrenzen zurückgestellt und gemeinsam agiert haben.
Da gebe ich dir auch recht. Das müssen dann auch alle Vereine so wollen. Die DGfM hatte früher (vor einigen Jahren) aufgegeben. Wie gesagt, es wurden dann (aus Frust?) sogar Möglichkeiten, eine staatliche Anerkennung in Bayern zu bekommen, blockiert / verhindert, was mir bis heute nicht klar ist, warum. Das war dann mit der Grund, warum wir in Bayern eigene Wege eingeschlagen haben - zusammen mit der dann folgenden mangelnden Ausbildungsmöglichkeit in Bayern. Ist aber auch Schnee von gestern.
Ich weiß nicht, was die aktuelle DGfM damit bezweckt, keinerlei Ausbildungsstandards mehr vorzuschreiben und nur die Prüfungsinhalte festzulegen. Das widerspricht eklatant dem, was ich früher, als ich selbst PSV der DGfM wurde, in der Ausbildung erlebt hatte. Da war das Kennenlernen zwischen Ausbilder un Prüfling wichtig, da der Ausbilder auch die genrelle Befähigung zum Pilzberater mit in Augenschen nahm. Das fällt ja bei der DGfM alles weg. Ob damit die Ausbildung anerkannt werden kann, ist fraglich. Das klappt meist erst, wenn Ausbildungen an staatliche anerkannten Ausbildungsstätten ablaufen. Das hatte ich in Bayern erreicht, bevor das dann torpediert wurde. Ich hatte meine Kurse an der Staatlichen Akademie für Naturschutz und Landespflege (ANL).
Nachdem die DGfM diesen Weg zerschlagen hat, bauen wir halt selbst etwas auf. Im Moment sind wir noch zu klein, um (allein) etwas zu erreichen. Wenn wir genügend Pilzberater haben, können wir besser in die Offensive gehen. Würde die DGfM wollen(!), dann könnte man natürlich einen neuen Versuch auf breiterer Ebene starten. Ich denke aber realistisch, geht das nur auf Bundeslandebene - und wenn das klappt, dann vielleicht auf Bundesebene. Oder ganz ohne DGfM mit dem NaBu - der ist größer und kann vielleicht mehr reißen.
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Im Tierschutz bei der Kennzeichnungspflicht von Eiern waren die Verbände zusammen plötzlich stärker als der Bauernverband.
Da hast du aber ganz andere Vereine/Verbände im Rücken. Schau mal, wie viele Mitglieder BUND, NaBU oder Tierschutzvereine, WWF etc. haben und schau mal, wie viele Mitglieder die DGfM hat...
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Ich kenne weder die Myko-Vereine noch ihre Interna. Eigentlich muss sich jeder Verein fragen, was ihm wichtig ist. Und wenn es da Schnittmengen gibt hinsichtlich der gerade diskutierten Themen gibt, sollten sie gemeinsam agieren.
Eigentlich - ja. Uneigentlich klappt das halt oft nicht. Leider...
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Und der Staat ist natürlich nur ein abstraktes Gebilde. Die Entscheider sitzen in den Parlamenten und reagieren ziemlich zuverlässig auf Medienberichte.
Aber nur dann, wenn eine Mitgliederstarke Lobby dahinter steckt. Man kann auch fachlichen Input hinbekommen. Ich war schon im Landtag, ich war auch Redner bei Podiumsdiskussionen (einmal auch im Landtag) - aber eben auf der Ebene des Naturschutzes. Im Gesundheitsbereich ist kaum was zu machen. Da helfen auch die Zeitungsartikel wenig, die es übrigens gibt und gab. Es ist ja nicht so, als hätte noch niemand was versucht.
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Es dürfte doch nicht schwer fallen, die Bedeutung einer seriösen Pilzberatung und Sachverständigentätigkeit in den einschlägigen Zeitungen zu kommunizieren.
Es kam sogar über die dpa - es war im Radio und in den Zeitungen. Konkret brachte es nichts. Aber steter Tropfen höhlt den Stein. Ich konnte der Presse viel Input geben. Bin gespannt, was daraus wird...
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Wenn das Timing stimmt, und die Experten sich genau dann zu Wort melden, wenn sich wieder einmal jemand vergiftet hat, nimmt die Presse das dankbar auf. Es spielt auch keine Rolle, dass Pilzvergiftungen nicht die häufigsten Vergiftungen sind.
Doch, weil es ums Geld geht. Will man etwas, was Geld kostet wird es schwierig.
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Bei der Haltung gefährlicher Tiere hat das auch so in vielen Bundesländern genau so funktioniert.
Das kostet den Staat aber nichts. Denk an die Listen für Hunderassen. Die bringen dem Staat mehr Einnahmen, da die Hundesteuer für Listenzhunde teils um den Faktor 10 erhöht wurde.
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Da gibt es mittlerweile Verordnungen, die die private Haltung von Giftschlangen und anderen gefährlichen Tieren unter einen Erlaubnisvorbehalt stellen.Imme4rhin.
Was kostet das den Staat? Oder ist es nur eine Verordnung, die Auflagen erstellt, aber kaum was kostet? Gibt es Kontrollen? (Das wäre teuer) Ich glaube nicht.
Kein Problem wäre es, sich beispielsweise für Sammelbeschränkungen bei Pilzen starkzumachen. Z. B. 1k g pro Person und Tag / Woche usw. Das kostet den Staat nichts und vielleicht gibt es weniger Vergiftungen?! Das wollen die Pilzfreunde aber nicht. Solche Lösungen gehen. Teure Lösungen halt nicht so einfach.
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Nicht jeder darf sich seine kleine Puffotter halten, wo bei einem Biss das Antiserum aus der Schweiz herbeigeschafft werden muss.
Weil es Geld spart, kein Serum zu benötigen. Und das Sparen geht quasi ohne Vorkosten. Würden Pilzberater unterstützt werden, kostet das erstmal. Ob das mittelfristig zu Einsparungen führen wird, muss man sehen. Und wie gesagt: die DGfM hat sehr lange dafür gekämpft. Und das Ergebnis war damals nur extreme Frustration.
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Die Vereine müssten jedes Mal zeitnah auf Berichte von Pilzvergiftungen reagieren und aufzeigen, wie man das verhindern kann. Nicht nur einmal, aber glaub mir, so kann das funktionieren.
Das reicht halt nicht als kleiner Spartenverein. Dazu zähle ich auch die DGfM. Sie ist viel zu klein, um auf Bundesebene was zu reißen.
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Und natürlich fine ich es besser, eine Landesregierung zu haben als gar keine. Aber alle zusammen wäre halt besser. Ist so wie Steinpilz - Filzer - oder gar kein Pilz
Das verstehe ich jetzt nicht wirklich. Wir haben Landesregierungen - warum sollten wir keine haben? Falls du damit regionale Vereine meinst... da ist der Vergleich mit Regierung sehr schräg, denn die ganzen Vereine sind "nur" e.V., nichtmal "richtige Verbände".
Dein Engagement in Ehren - du kannst aber wirklich davon ausgehen, dass früher von Seiten der DGfM sehr stark gekämpft wurde und sehr viel in die Richtung gemacht wurde. Du sagst, du kennst dich in den Vereinen nicht aus. Dann weißt du aber auch nicht, wer was wann alles schon versucht hat. Da klingt dann "macht das so, dann klappt das auch" zwar nett, aber warum sollte es jetzt klappen, wenn es früher nie klappte?
Meiner Meinung nach ist der beste Weg, möglichst viele Pilzberater auszubilden, deren Tätigkeiten nachzuweisen und pekuniär gegenzurechnen (wie viele Vergiftungen konnten vermutlich vermieden werden...), dann auch Sachverständige mit entsprechender Qualität auszubilden - die dann immer mit den Krankenhäusern abrechnen - dann wird es ein Haushaltsposten. Und dann kann man wieder die Wichtigkeit dieser Ausbildung aufzeigen und wieder versuchen, auch an staatlichen Stellen / an Behörden auszubilden. Und dann ist der Weg zur Anerkennung nicht weit. Wir waren ja hier wie gesagt mal ziemlich weit damit, bevor es zerschossen wurde.
Ich kann aber andere Vereine nicht zwingen, auf Ausbildungsstandards zu achten. Oder zwingen, auch Sachverständige im engen Sinn auszubilden. Vereine sind demokratisch. Will die Mitgliederversammlung das nicht, dann wird es nicht gemacht. Und das ist legitim.
Ein letztes Beispiel:
Der Giftnotruf München hat eine Fortbildungsveranstaltung angeboten - für Pilzsachverständige kostenlos(!) und für Ärzte / Toxikologen anerkannt. Die Inhalte sind und waren für Pilzberater wirklich essentiell. Bei der ersten solchen Veranstaltung hatte ich die DGfM überzeugen können, die als Fortbildung für PSV anzuerkennen. Seltsamerweise war das sehr zäh, aber es klappte.
Jetzt geht das nicht mehr. Der jetzige Vorstand hat die Anerkennung abgelehnt. Trotzdem sind (zum Glück) aus dem gesamten Bundesgebiet PSV angereist. Wer dabei war, wird sicherlich zugeben, dass das eine echte Fortbildung war. Wiederholt man aber einen PSV-Grundkurs (das sollte man als aktiver PSV drauf haben), lernt man kaum was dazu, aber das wird als Fortbildug anerkannt.
Da läuft meiner Meinung nach etwas schief. Mit der Meinung stehe ich in der DGfM offenbar recht allein da. Das ist o.k. und eben demokratisch. Und deshalb bin ich kein PSV der DGfM mehr. Ich finde diese Politik falsch und kann deshalb den Verein wechseln. Eine Regierung kann ich mir nicht aussuchen, ich kann nur ein Kreuz machen und über Politik versuchen, Einfluss zu nehmen. Einen Verein kann ich verlassen.
Was aber das Grundthema angeht, sollten die Ziele über persönlichen Dingen stehen. Deshalb verstehe ich nicht, warum keine gemeinsamen Listen möglich sind. Aber wie gesagt, ich muss ja nicht alles verstehen...
Falls du selber auch Pilzberaterin werden willst - ich kann dir sowohl die Kurse, die Andreas, Lothar & Co. anbieten (mit Prüfung zum PSV DGfM) als auch natürlich unsere Kurse empfehlen. Wenn dich das Thema so umtreibt, wäre es ja sinnvoll, wenn du richtig einsteigst. Und da dir der Frust der letzten Jahr(zehnte) in Sachen Anerkennung von PSV fehlt, kannst du vielleicht frisch durchstarten. Vielleicht hast du ja wirklich recht und könntest was bewegen (das ist alles weder zynisch noch sarkastisch gemeint).
LG
Christoph