Servus Stefan,
ja, Notizen, auch zur Ökologie, sind immer wichtig. Aber man lernt ja immer Stück für Stück dazu. Auch die Sporenpulverfarbe ist sehr wichtig - bei dem Schüppling kann man sie aber am Stiel eh gut sehen.
Ich gehe einfach mal (mit dir zusammen, virtuell) den Schlüssel durch - ganz von vorne:
Einstieg:
1. mit Lamellen, also weiter zu Schlüssel B (die Buchstaben nehme ich mal mit, in den Schlüsseln fängts ja wieder jeweils von vorne an)
Schlüssel B:
B1. Fruchtkörper nicht durch Autolyse zerfließend, also weiter zu B7
B7.Jetzt werden die rausgenommen, die durch Autolyse zerfließen (die aber hell ockerbraunes, nicht dunkelbraun bis schwarzes Sporenpulver haben - ein "oder bei B1"). Da deiner ja nicht zerflossen ist, bleibt es dabei - die Alternative, weiter zu B8
B8. Hier ist der Text etwas länger - ich trenne die Milchlinge ab (aber lasse die ebenfalls Milchsaft führenden Helmlinge wie den Bluthelmling bei der Alternative - der Schlüsseltext erklärt auch für Einsteiger, was mit Milch gemeint ist). Bei B8* steht u.a., ohne Milchsaft, Fleisch faserig oder brüchig wie ein Apfel - also weiter zu B12
B12. Jetzt werde die Täublinge abgetrennt (kein Milchsaft, aber Fleisch wie Apfel brechend plus weitere Kombinationen an Merkmalen) - deine hat faseriges Gleisch und zudem braunes Sporenpulver, kann also kein Täubling sein (zudem Vela usw.) - weiter zu B13
B13. Jetzt werden die Arten mit Sollbruchstelle zwischen Hut und Stiel abgetrennt. Bei denen sind die Lamellen oft frei oder fast frei, müssen es aber nicht sein. Die Alternative besagt, dass es keine Sollbruchstelle gibt. Die Sollbruchstelle kann man gut an Zuchtegerlingen testen/kennenlernen. Den Stiel kann man einfach aus dem Hut herausdrehen, herausbrechen. Dass dein Pilz keine Sollbruchstelle hat, müsstest du jetzt raten, wenn du keine Notizen hast. Du kannst dann beide Wege gehen und wirst feststellen, dass du beim Weg "mit Sollbruchstelle" rausfliegen wirst, weil keine der dort angegebenen Sporenpulverfarben passen wird. Aich sowas kann hilfreich sein, weil man sich jetzt merkt, was noch mit dem Merkmal Sollbruchstelle korreliert. Dass alles nicht sooo einfach ist, sieht man daran, dass es auch Arten ohne Sollbruchstelle mit freien Lamellen gibt (wie den Halsbandschwindling).Deshalb bei B13* das "oder" falls die Lamellen frei sind, dann ist der Fruchtkörper auffallend zäh, gummiartig. Also passt nur B13*, folglich weiter zu B35
B35 - ein großer Sprung, da alle lamelligen Amanitaceae, Pluteaceae und Agaricaeae vorher abgetrennt wurde (bei B13). Jetzt wird geprüft, ob du eine Entolomataceae vor dir liegen hast - also Sporenpulver "mykologenrosa", rosabraun und Fruchtkörper völlig nackt, ohne Velumspuren. Da dein Fruchtkörper rostbraunes Sporenpulver hat und eine deutliche Cortinazone (und Velum universale am Hut), ist klar, B35* - weiter zu B40
B40 - jetzt werden Hell- von Duinkelsporern getrennt - rostbraun ist bei B40* dabei, also weiter zu Schlüssel F
Schlüssel F - der ist eigentlich für zierliche Braunsporer, die fleischigen werden deshalb sofort abgetrennt...
F1. - Hut und Stiel fleischig, weiter zu Schlüssel G
Schlüssel G - später wirst du bei sowas direkt hier einsteigen, denn es ist ein Braunsporer (kein Schwarzsporer ider sowas) und er ist fleischig. Auf dem Weg hierhin lernt man aber direkt die Sollbruchstelle kennen, die Sporenpulverfarben usw.. Deshalb mag ich dichotome Schlüssel so gerne, denn man lernt beim Bestimmungsprozess, auch wenn man immer wieder mal rausfliegen kann oder nicht weiterkommt, wenn ein Merkmal fehlt (dann weiß man aber für die Zukunft, dass das Merkmal wichtig ist und man darauf achten muss).
G1 - hier geht es um den Lamellenanwuchs. Bei dir ist er ausgebuchtet, also nicht deutlich herablaufend (sieht man gut am Foto), also weiter zu G5, denn sie sind nicht klar herbalufend. Dein Krempling wäre hier bei G2 gelandet und du wärst schnell bei Paxillus rausgekommen...
G5 - so, und hier wäre quasi Schluss gewesen, denn ich frage hier danach, ob auf Holz oder auf dem Boden... Wenn auf dem Boden, kann ja auch mal Holz drunter sein. Pholiota lenta wächst gern scheinbar auf dem Boden (vergrabenes Holz), weshalb ich diese Art auch bei der Alternative "am Boden" schlüssle. Du wärst da aber nicht hingekommen, da ich da auf die weißen Velumreste im Schleim eingehe (weiter hinten). Jetzt können auch bodenbewohnende Arten mal auf Holz wachsen - bei sowas lohnt es sich also, mal beide Wege zu gehen. Man erhält dann vielleicht zwei Gattungen als Ergebnis und kann dann nachsehen, was besser passt (Internet, Bücher). Ich bin mir aber sicher, dass deiner direkt auf Holz war, also G6
G6 - der Hut ist schleimig, man sieht es ganz gut. Bei Feuchtigkeit wird das klarer sein. Flocken des Velum universale schwimmen auch im Schleim . Du kommst aber über beide Schlüsselalternativen zu Pholiota (die trockenhütigen bis wenig schleimigen, nur schmierigen Arten werden nach G13 geleitet... ich schlage hier aber mal G7 vor, da auf dem Foto doch ziemlich glänzender Schleim erkennbar ist. Jung gelbe Lamellen passt auch - sieht man am Foto, der Lamellengrund ist immer noch gelb. G7 passt also sehr gut.
G7 - glatt ist der Hut nicht - ich sehe in der Hutmitte angedrückte Schuppen. Velumflocken sieht man auch im Schleim und der Stiel zeigt ja auch Spuren vom Velum universale - also weiter zu G11 - Funfact - bei G9 beschreibe ich die Ähnlichkeit von Pholiota astragalina zu Hypholoma - nach Drucklegung des Buchs kam eine Publikation raus, die Pholiota neu bewertet und siehe da, Pholiota astragalina ist sehr nah mit Schwefelköpfen verwandt und gehört nicht zu Pholiota, sondern ist nun eine eigene Gattung. Aber egal, wir kommen da ja nicht hin, wir gehen zu G11
G11 - der Hut ist nicht schön orange bis rot, es ist nicht der Rothütige Träuschling (Sporenpulverfarbe passt ja auch nicht) - weiter zu G12 (ich sehe gerade, vor Lamellen rostbraun bis dunkelbraun hätte ich ein "alt" oder "reif" davor setzen sollen. (werde ich in der Folgeauflage verbessern, wobei es hier nicht stört, es soll die alt grauschwarzen Lamellen von Leraceomyces abtrennen - und da hieß es ja alt)
G12 - hier sind wir am Ende, es geht um Kuehneromyces mutabilis vs. Pholiota, also müsstest du bei Pholiota rauskommen ![wink ;)](https://www.pilzforum.eu/images/smilies/smiley3.png)
Man kann zur Gattung über mehrere Wege kommen. Es gibt ja auch schuppenlose Schüpplinge wie Pholiota nematoloides (Schweflkopfschüppling) oder die ehenaligen Schüpplinge der Gattung Flammula (usw.).
Der Weg ist komplex, weil es eben viele Pilzgattungen gibt - und Braunsporer nicht immer einfach sind. Aber bis zum Schlüssel G sollte alles ein Selbstläufer sein. Und je weiter man kommt, umso besser kann man mal beide Wege gehen, wenn man an einem Punkt unsicher ist.
Ich selber habe durch Schlüsseln viel gelernt. Das finde ich viel leichter, als Einzelarten zu erlernen. Man braucht Gattungsmerkmale bzw. ein Gefühl für Gattungen und/oder Habitustypen. Und durch Schlüsseln bekommt man das, wenn der Schlüssel was taugt. Und da kein Schlüssel fehlerfrei ist (die Autoren sind ja Menschen), kann man jederzeit durch Notizen, Anmerkungen, Korrekturen Schlüssel auch selber verbessern und/oder ausbauen.
Ich habe zwar mit Excel-Dateien gearbeitet, in denen ich mir Merkmalslisten gemacht habe, aber man kann auch immer mal eine Merkmalskombination vergessen oder irgendwo den Überblick selber verlieren. Und wenn es um little brown mushrooms geht, dann ist es eh schwer, Gattungen zu schlüsseln. Mit Mikromerkmalen ist das viel einfacher, man hat mehr Trennmerkmale, aber das bringt dem Einsteiger und nicht mikroskopierenden Fortgeschrittenen nichts.
Liebe Grüße,
Christoph