Servus Lars,
danke für deinen Blickwinkel! Das Thema pro und kontra App ist ein ganz spezielles Thema, das wenn, dann eher einen eigenen Thread verdient... Die "Meine Pilze-App" kenne ich von Nutzern der App aus dem Münchner Verein. So eine Onlinebücherei ist aber wohl für die Einsteiger zu komplex - ich sehe die auch weniger als Bestimmungsapp. Es geht ja nicht darum, ob Apps an sich nicht praktisch sein können.
Ich habe eine Astronomieapp, eine Vögel-App, Flora incognita...
Bei Pilzen ist eine Bestimmungsapp aber in den falschen Händen gefährlich, da die Bestimmungssicherheit noch nicht gut genug ist, um den Pilzberater zu ersetzen. Und viele wollen ja so eine App als kulinarischen Führer, behaupte ich mal.
Besonders kritisch beäugen die Experten natürlich die automatische Foto-Erkennungsfunktion vieler Apps (die man übrigens gar nicht braucht, weil Google Photos mit der Funktion Google Lens genau das Gleiche erledigt). Dabei ist die für blutige Anfänger gar nicht so schlecht, weil sie Arten vorschlägt, die man sich mal genauer in der Beschreibung anschauen sollte, um dann rückwärts zu prüfen, ob diese Art passen könnte und dann zu prüfen, ob es nicht doch eine andere ähnliche Art sein könnte (genau solche Vorschläge würde auch ein halbwegs pilzkundiger Begleiter oder auch viele Antwortschreiber hier im Forum machen). Und dabei ist es ein Qualitätsmerkmal, wenn eine App nicht nur mit einer Art als Ergebnis aufwartet, sondern mit mehreren (so wie im Eingangsbeispiel dieses Threads). So werden Anfänger nicht verleitet, die Bestimmung als gesichert anzusehen.
Ich beziehe mich auf das Fettgedruckte - das wird in den seltensten Fällen passieren, behaupte ich mal.
Ich bin da vielleicht sehr altmodisch. Ich bin aber ein Fan klassischer Bestimmungsschlüssel und der langsamen, entschleunigten Bestimmung, um zu lernen. Beim Schlüsseln werden die Hauptkriterien zu Beginn abgefragt. Schon nach ein paar Mal schlüsseln kennt man die Grundfragen und kann direkt die Pilze in mehrere große Gruppen einteilen. Ich selber merke mir auch vieles in solchen durch Differentialmerkmale abtrennbaren Gruppen.
Auch weiter hinten im Schlüssel wird man explizit auf die wichtigen Merkmale stoßen - und man wird gefragt, wie sie denn aussehen. Man muss erst(!) hinsehen, dann selber(!) eine Entscheidung fällen - man hat sich dann schon explizit damit befasst. Hat man sich geirrt, die Strukur fehlinterpretiert und das wird irgendwo erklärt (hier im Forum, im Gelände vor Ort), merkt man sich das dann sofort. Man hat sich ja vorher beschäftigt, bewusst abgewägt, sich entschieden, dann im Nirvana gelandet - nach der Erklärung kommt dann eher ein "ach so sieht das aus, ja dann ist alles klar".
Eine Fotoapp liefert mehrere Namen - o.k., aber wie kommt sie darauf? Welche Merkmale waren wichtig? Und selbst wenn die genannt werden, muss man sich die jetzt passiv merken. Man hat nicht vorher die Fragen selber beantworten müssen... es geht da rein und dort raus, man versucht lange, siche einzuarbeiten und kommt nur langsam voran.
Und eine App die Merkmale abfragt... die gewichtet nicht. Man füllt ne Matrix aus und bekommt wieder Namen - ohne zu wissen, was denn hier definitiv wichtig ist.
Beim klassischen Schlüsseln lernt man durch den Bestimmungsvorgang automatisch mit - wenn der Schlüssel gut ist. Und ist er es nicht, erkennt man selber die Schwäche des Schlüssels und lernt erneut dazu.
Bibliothek im Gelände dabei? Das will ich gar nicht. Ich komme nichtmal in Versuchung, Meine-Pilze zu nutzen, denn ich will nicht vor ort nachschlagen. Ich "will" mich lieber zwei Stunden ärgern, dass mir nicht mehr einfällt, welches Merkmale jetzt wichtig war - entweder es fällt mir dann wieder ein und ich vergesse es nicht mehr so schnell oder ich muss warten, bis ich daheim bin, lese dann in aller Ruhe nach und werde es auch nicht mehr so schnell vergessen, da ich mich ja jetzt lange damit beschäftigt habe.
Wenn ich kurz mal nebenbei nachschlage, vergesse ich das schnell wieder und ich muss beim nächsten mal wieder nachschlagen (usw.).
Manchmal fällt einem nur der Name eines Pilzes nicht ein - da schaue ich dann wiederum schonmal schnell ins Internet (geht ohne Pilzapp) und google mal schnell. Aber der Name ist nicht so wichtig - das Gefühl für die Merkmale ist viel wichtiger.
Das ist grob gesehen mein Ansatz. Für Anfänger sind Bestimmungsapps potentiell gefährlich, Fortgeschrittene brauchen sie m.E. nicht - sie machen es einem zu schnell zu einfach, dann wird das Gehirn zu wenig gefordert und man merkt sich zu wenig. So jedenfalls denke ich da ;-).
Liebe Grüße,
Christoph