Servus Bernd,
FeSO4 ist kein elementares Eisen, sondern eine Eisenverbindung (deshalb hat das Eisen sie Oxidationsstufe II - ich habe ja auch nichts von Eisenionen geschrieben). Hier darum geht es ja wohl auch nicht.
Ich habe auch nicht geschrieben, dass IndexFungorum behaupten würde, letzte Instanz zu sein. Es gibt aber viele Amateure, die dies in IF (und MycoBank) sehen. Und da du IF als Quelle herangezogen hast (dass "eine Russula amoena ein Synonym von R. violeipes" sei), wollte ich das nur zum Ausdruck bringen. Ich werde oft mit der Aussage konfrontiert, etwas sei nach MB oder IF Synonym und dann sei das so...
Nach ICN gibt es gültige Namen und andere, aber keine Kriterien für "aktuell" oder "richtig" - das ist ausschließlich Konventionssache.
Klar, stimmt, der ICN legt festwelche Namen gültig sind und welche nicht. Mit der Synonymie von heteritypischen Namen hat das nichts zu tun. Außer, dass im Falle einer Synonymisierung der älteste Name verwendet werden muss (und dass man z. B. beim Herabstufen nicht den älteren unter den jüngeren stellt). Aber die Gültigkeit der Namen war ja nicht Teil der Diskussion. Sowohl Russula violeipes als auch Russula amoena sind gültig beschrieben.
Hintergedanke meiner Frage war der, dass mit dem Übergang von makroskopischen Eigenschaften zu mikroskopischen/chemischen und weiter zu DNS-Sequenzierungen die Artbestimmung immer mehr in Richtung Black-Box geht "ist halt so", ohne dass klar ist, was genau da vorgeht und warum - schon klar, das ist ein taxo-philosophisches Thema für verschneite Wintermonate.
Hm, sehe ich anders. Das war vorher auch nicht anders. Angenommen zwei Populationen unterscheiden sich anhand der Sporenmaße, dann ist auch nicht klar, was da vorgeht und warum sie unterschiedlich sind. Man vergleicht nur Ähnlichkeit und definiert zwei Taxa.
Bei den chemischen Reaktionen kennt man teils die zugehörigen Stoffe und Stoffwechselwege. Manche sind ökologisch bedeutsam - es gibt in Bremen eine Forschungsgruppe "ökologische Chemie" mit Schwerpunkt Pilze (Prof. Spiteller leitet sie), sehr spannend... und nein, da gibt es nicht nur Black Boxes.
Beispiel für ein schwaches Merkmal: Guajak-Reaktion bei Täublingen. Man testet damit die Konzentration bzw. Aktivität von Phenoloxidasen. Jetzt sind alle Russulales Weißfäuleüilze (Verwandtschaft eben, die kennt den Abbau von Lignin). Hier testet man etwas, was alle können... und die, die es nicht können, haben die Genbox wohl nur abgeschaltet und können die eventuell auch mal einschalten. Kurz gesagt: die Guajak-Reaktion wird zum Artunterscheiden verwendet, obwohl sie wackelig ist. Im Prinzip testet man, welche Art es "gelernt" hat, die Phenoloxidase-Produktion in den Fruchtkörpern abzuschalten und das nur noch im Myzel macht. Guajak-negative Arten wären abgeleitet, stark positive ursprünglich. Nur ist das Anschalten mehrfach unabhängig passiert.
Bei der FeSo4-Reaktion hingegeb testet man auf ein Stoffwechselendprodukt eines Stoffwechselwegs, der nur von einer Verwandtschaft bekannt ist.
Irgendwie ist das für mich sogar weniger Blackbox als klassische Merkmalsinterpretation. Oder weißt du, warum das Pigment des Birkenspeitäublings so gut wasserlöslich ist, das von Russula emetoca s.str. nicht?
Während man den makroskopischen Eigenschaften zugesteht, je nach Biotop und Wetterlage verschieden auftreten zu können, zeigt man enormes Vertrauen in die Zuverlässigkeit chemischer Reaktionen. Ein Pilz, der auf z.B. einer Müllkippe wächst, und da ein enormes Angebot an Elementen und Verbindungen hat, wird in vielerlei Hinsicht anders reagieren als ein Pilz, der in chemisch karger Landschaft aufwächst. Farbe, Geruch, Geschmack sind determiniert durch die chemische Zusammensetzung, das sind die Reaktionen auf externe Chemikalien auch. Mitunter erscheint es mir, dass man Sachverhalten, je weniger diese klar sind, desto mehr Vertrauen entgegenbringt.
Den Gedankengang kann ich gut nachvollziehen. Wie gesagt: siehe allein schon Guajak. Man muss auch wissen, dass Bakterien, die Guajak spalten können, falsch-positive Ergebnisse liefern oder auch Sauerstoffradikale (die auch von Bakterien gebildet werden). Und dann werden die Sekunden gezählt, ab wann eine Russula Guajak blau färbt (durch Spaltung).
Nur was soll man tun? Nicht jeder hat die Zeit, die Hintergründe von chemischen Reaktionen nachzurecherchieren. Liegt es nur an der Konzentration eines Stoffs (schwaches Merkmal), einem andere Stoffwechselweg (starkes Merkmal) oder ist der Stoffwechselweg nur möglich, wenn bestimmte Spurenelemente vorhanden sind, um bestimmte Enzyme einzuschalten? Dann relativiert sich die Sicherheit sofort.
Aber deshalb nochmal: warum sollten andere Merkmale sicherer sein. Eigentlich müsste man wissen, wann welches Merkmal wie ausgebildet wurde und welchen evolutiven Vorteil es brachte. Erst dann kann man Arten besser definieren. Nur haben wir diese Infos meist nicht.
Liebe Grüße,
Christoph