Griass di Craterelle...
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Das ist ein wenig schockierend. Ich hatte bisher angenommen - auch aufgrund Dieters Ausführungen früher in diesem Thema - dass das Vorgehen systematischer wäre.
Nein, das Vorgehen ist nicht systematischer ![wink ;)](https://www.pilzforum.eu/images/smilies/smiley3.png)
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Also wenn in der Literatur bei dieser Art der Notation kein Intervall explizit angegeben ist, ist davon auszugehen, dass es solche freihändigen Schätzungen sind?
Ja, das war früher komplett Usus und wurde dann teils durch das Berechnen von Konfidenzintervallen ersetzt. Jetzt ist die Frage, ob die Konfidenzintervalle eine höhere Genauigkeit vorspiegeln oder beinhalten. Falls letzteres, wäres sie sinnvoll und durchaus wichtig, falls ersteres, kann man, wenn man sich dafür die Mühe macht, ein paar Sporen mehr auszumessen, darauf auch verzichten.
Unabhängig davon ist die Frage, wie man mit klar rechtsschiefen Verteilungen umgeht. Und dann ist auch da zu überlegen, ob der Aufwand, das mit einzubeziehen, lohnt.
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(das ist genau das, wogegen Jens so ankämpft)
Was ich vor diesem Hintergrund tatsächlich nachvollziehbarer finde als bisher.
Völlig klar - es geht dabei aber auch um die Form der Diskussion. Dass eine teils willkürliche Beschreibungsmethode angreifbar ist, ist ja klar. Nimm mal Farbangaben als extremeres Beispiel - wer hat denn die teuren Farbatlanten daheim und nutzt sie konsequent für Beschreibungen? Was ist "mittelbraun"? (siehe Stangls Risspilzwerk...). Auch da stellt sich die Frage, ob die exakte Farbnuance so konstant ist, als dass man z.B. Kornerup & Wanscher nutzen soll (bei Brauntönen ist es noch schwieriger) oder ob "mit einem Hauch von rosa" als Beschreibung reicht.
Mir geht es um die Anwendung und darum, welcher Mehraufwand sinnvoll ist und welcher Erkenntnisgewinn rauszuholen ist. Bei den Sporenmaßen ist mein Eindruck, dass die Variationsbreite größer als meist angenommen ist und man sich eine zu hohe Genauigkeit vorgaukelt.
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Deine Schätzung trifft die Längen einigermaßen, liegt aber bei den Breiten mit unteren Grenze schon auf dem Median (bei der von dir vorgeschlagenen Rundung auf 1/4 µm). 80%- und 95%-Grenzen sind allerdings auch nur einen Rundungsschritt entfernt.
Bei den Breiten ist der Messfehler auch prozentual sehr hoch. Dabei ist aud 1/4 µm zu runden schon fast übergenau. Oft wird nur auf 0,5 µm gerundet (an der Uni hätte ich in meiner früheren Arbeitsgruppe nicht einmal auf 1/4 µm runden "dürfen" - da wurde später immer auf 0,5 µm gerundet)
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Ich würde dann tatsächlich nur den Mittelwert oder den Median anzugeben, wenn man nicht mehr berechnen (oder auszählen) möchte.
Da geht dann aber zu viel Information verloren. Nimm Steinpilzsporen - die schwanken grob gesagt zwischen 14 und 20 µm Länge - nur den Mittelwert anzugeben wäre da ein Verwerfen der Schwankungsbreite. Warum sollte man die ganz wegwerfen?
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Du rundest alle Werte außer die Mittelwerte. Warum die nicht?
Ich runde alle Einzelmesswerte, da eine Genauigkeit von unter einem Viertel Mikrometer einfach nicht gegeben ist. Der Messfehler liegt bei den meisten Mikroskopen noch darüber. Man vermisst entweder unscharfe Fotos oder unscharfe Sporen direkt per Messokular - man sieht ja nicht den Sporenran, sondern Beugungsmuster des Sporenrandes, die man ausmisst. Wie groß die Sporen wirklich ist, kann man ja nicht sagen. Man kann nur angeben, innerhalb welchen Intervalls die "wahren" Sporenmaße liegen müssten (z.B. mit einer Wahrscheinlichkeit von 99%).
Beispiel: ich messe ine Spore als 12,25 x 8,5 µm groß aus. Dann liegt die Länger irgendwo zwischen 12 und 12,5 µm, mit geringer Wahrscheinlichkeit sogar darüber oder darunter (wenn nicht noch weitere Faktoren wie "Spore bewegt sich", "Spore lag nicht ganz plan" usw. dazu kommen). Würde ich jetzt "schätzen", dass die Spore 12,16 µm lang wäre (wie es diese Ausmessprogramme am Foto ausspucken), ist das "komma eins sechs" Augenwischerei. Vielleicht ist die Spore auch nur 11,9 µm lang oder sie ist 12,4 µm lang - das kann man eben nicht so genau messen.
Gibt man also die gemessenen, gerundeten Werte als Grenzen an, so verwendet man das messbare Raster (z. B. 0,5-Mikrometerschritte).
Berechne ich aber einen Mittelwert, so sind ja durch den Ablesefehler manche Sporen als zu lang vermessen, andere als zu kurz vermessen worden. Das mittelt sich dann heraus. Man kann auch einen Bereich berechnen, innerhalb dessen der "reale" Mittelwert liegt - ausgehend von den Einzelmessungen der Sporen, wenn man den Einzelfehler jeder Messung kennt (und die Verteilung der Sporenlängen usw.). Du wirst dann feststellen, dass man hier durchaus auf eine Nachkommastelle heran kommt. Insofern ist es Usus, den Mittelwert mit einer Nachkommastelle anzugeben (manche Autoren nehmen sogar zwei Nachkommastellen, um nicht bei einem ,15 nicht auf ein ,2 hochrunden zu müssen, aber das ist dann für gewöhnlich wieder übergenau).
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Haben sie als berechnete Werte einen "höheren Anspruch" auf Genauigkeit? Dann müsste es ja auch legitim sein, andere berechnete Werte auf eine Dezimal-Nachkommastelle genau anzugeben, oder?
Das ist ja auch so. Deshalb werden ja auch die berechneten Intervallgrenzen auf eine Nachkommastelle genau angegeben, während die geschätzten Grenzen gerundet werden (das sollte jedenfalls so sein - manche Mykologen runden gar nicht nund geben dann geschätzte Werte wie 10,1-12,7 µm als Länge an - das ,1 kann man sich da sparen, ich denke mir das dann einfach weg).
Die Ausgangsfrage bleibt:
Angenommen, das berechnete Konfidenzintervall der Sporenlänge liegt bei Pilz A so: 9,1-9,5-9,9 µm (mit Mittelwertangabe)
Und angenommen, man gibt bei dem gleichen Pilz die Sporenlängen ganz klassich so an: 9-9,5-10 µm
Was bringen dem Bestimmer die sehr exakt berechneten Intervallgrenzen? Bei einer anderen Kollektion der gleichen Spezies A wird man vielleicht folgende Werte erhalten: 8,7-9,2-9,7 µm und geschätzt (und jetzt mal grob gerundet) als 8,5-9,2-9,5 µm. Auch hier wäre der Unterschied gerade mal 0,2 µm und damit geringer als die natürliche innerartliche Schwankung.
Vielleicht habe ich mich auch zu sehr mit Scheidenstreiflingen beschäftigt, bei denen die genauen Sporenmaße und auch die Sporenform jahrzehntelang überschätzt wurden. Man erhält bei der gleichen Art von Kollektion zu Kollektion äußerst unterschiedliche Intervalle / Maße. Mal sind die Sporen bei der gleichen Art bis 13 µm lang, mal bis 19 µm... Und dann soll es darum gehen, im Nullkommabereich eine Genauigkeit zu errechnen, die von der natürlichen Variationsbreite völlig geschluckt wird?
Deshalb frage ich ja so kritisch nach, inwiefern sich das Berechnen wirklich lohnt. Und auch wenn es nicht so klingen mag - ich bin da wirklich sehr offen, zumal ich in der Vergangenheit auch versucht hatte - zumindest bei meinen Kremplingen - mit Hilfe der Statistik das Maximum aus Sporenmessungen herauszukitzeln... Jetzt bin ich Amateur und daher pragmatisch - wenn mir gezeigt wird, dass das Intervallberechnen nicht nur der "Etiquette" dient, sondern tatsächlich einen Mehrgewinn an Aussagekraft hat, rechne ich diese auch gerne aus. Noch bin ich nicht überzeugt, dass es was bringt - noch sehe ich im Gegenteil die Gefahr, dass sie eine zu hohe Genauigkeit vorgaukelt. ![wink ;)](https://www.pilzforum.eu/images/smilies/smiley3.png)
LG
Christoph