Der springende Punkt scheint ja zu sein, ob man Jülich überhaupt folgen kann. Momentan scheint mir schwer zu beurteilen, ob seine Merkmale schlüssig sind, oder in eine Sackgasse führen.
Servus Pablo,
ich sag es mal so:
Es hat sich ein bekannter, namhafter Mykologe damals jahrelang mit dieser vorher kaum beachteten Gattung befasst und daraufhin als Ergebnis ein recht dickes Buch (füe die "wenigen" athelioiden Pilze) veröffentlicht, in dem er versucht hat, zu erläutern, wie er auf sein Artkonzept kam. Dabei hat Jülich nicht einmal besonders auf die Ökologie geachtet, die hier auch sehr interessant ist (z. B. Algenfresser vs. saprobe Arten).
Da wäre die Chance gewesen, das von Jülich vorgestellte Konzept anhand von weiteren Kollektionen zu prüfen, zu diskutieren, teils zu bestätigen oder auch teils zu verwerfen. Leider wurde zumindest bei uns das m.E. nicht getan, da sofort von Seiten der damals die Kartierung unterstützenden Mykologen wie G. Krieglsteiner die gesamte Arbeit verworfen wurde und die dort vorgestellten Arten nicht einmal kartierbar waren. Krieglsteiner hat ja sogar Athelia arachnoidea mit Athelia epiphylla zusammen geworfen. Er wusste wohl nicht einmal, dass die Athelien Nebenfruchtformen besitzen und die von A. arachnoidea sogar ein bekannter Schädling an Karotten ist.
Kurz gesagt: Athelia war wieder stinklangweilig, weil ja quasi "alles" wieder A. epiphylla war, das nur im Subiculum Schnallen hatte.
Jetzt, 2018, sind wir keinen Schritt weiter, da kaum jemand Athelien anschaut. Ich habe ab und an versucht, Athelien zu bestimmen, aber ich fand niemanden, der ebenfalls bereit war, im "A.-epiphylla-Formenkries" genauer hinzusehen. Es fehlte also an Diskussions- und Austauschmöglichkeiten.
Mittlerweile "darf" man wieder - auch durch neuere genetische Erkenntnisse - versuchen, ein ökologisches Artkonzept zu führen bzw. ein engeres Artkonzept verteidigen. Früher hatte man sich "in der Szene" angreifbar gemacht.
Bei Athelia muss man eigentlich wieder bei Jülich (1972) anfangen. 1972! Das sind bald 50 Jahre... Ob man Jülich folgen kann wurde nicht wirklich hinterfragt. Nein, eigentlich stimmt das so nicht, denn die Nordische Corti-Flora und auch Bernicchia haben ja vieles von Jülich anerkannt. Es ist mehr ein hiesiges Problem, dass man hier wohl oft eine leichte Bestimmbarkeit (und damit Aggregate) den Daten für Einzelarten vorzog. Man muss nur mal die Rotfußröhrlinge anschauen. Früher konnte/durfte man ja nicht einmal "Xerocomus" pruinatus kartieren.
Mein Standpunkt ist da eher andersherum. Wenn ein namhafter, "guter" Mykologe eine Monographie veröffentlicht, er sich also explizit sehr intensiv mit diesen Arten beschäftigt hat, dann gehe ich erstmal davon aus, dass dieser Mykologe mehr Ahnung in dieser Artengruppe hat als ich. Insofern versuche ich wohlwollend die Artkonzepte aufzunehmen, anzuwenden und so zu überprüfen. Und da ich von Haus aus neugierig und auch kritisch bin, prüfe ich dann wirklich anhand meiner eigenen Kollektionen. Wenn ich dann anhand der eigenen Kollektionen zeigen kann, dass manche Trennmerkmale nicht geeignet sind, um sicher zu trennen, ist das ein Erkenntnisgewinn, der dann aber nicht alles, was das zu überprüfende Werk postuliert, widerlegt. Das Überprüfen ist immer leichter als das neu Erarbeiten.
Dass Athelien bisher kaum sequenziert wurden, zeigt die ganze Misere - es traut sich im Moment kaum jemand heran. Hätte es in den letzten 40 Jahren wohlwollend kritische Publikationen gegeben, hätten wir mittlerweile ein gefestigteres Artkonzept und das wäre dann auch genetisch leichter prüfbar.
Ich habe aber Athelien auch nur am Rande angeschaut, da ich Cortis erst nebenbei bearbeitet hatte. Als ich dann zwischendurch ganz in die Cortis einstieg, war dies in erster Linie für ökologsiche Aussagen - also für Aussagen zu Habitatqualität (etc.). Es ging also mehr um die reine Artenbestimmung und weniger um das Prüfen der Konzepte. Und da es sehr viele Cortis gibt - und ich im Akkord zig Proben durcharbeiten musste - war keine Zeit dafür da, als dass ich mehr mit Athelia machen könnte.
Mittlerweile bin ich ja wieder reiner Amateur - und im Moment schaue ich mir diverse Pilze an und mache Cortis wieder nebenbei (und nicht schwerpunktmäßig). So wie eigentlich alles, ob Porlinge, ob Röhrlinge, Champignons, Flechtenparasiten, Wiesenpilze usw. Ich kann also leider selber nichts belastbares über Jülichs Artkonzept aussagen.
Ich kann nur "behaupten", dass ich oft genug Athelia epiphylla s.str. gesehen habe - also in Jülichs Sinn - und hier die Sporenform auch sehr charakteristisch finde. Athelia salicum ist auch häufig, vielleicht sogar häufiger als A. epiphylla s.str. - und hier meine ich jedenfalls, ebenso wie Jülich diese als klar "nicht-epiphylla" zu erkennen.
Für Athelia alnicola fehlt mir einfach die Erfahrung und es fehlen die Aufsammlungen. Ich wäre beruhigt, wenn ich wüsste, dass die Basidienbasisbreite nicht ausschlaggebend ist. Oder auch, wenn klar wäre, dass Atelia salicum und Athelia alnicola konspezifisch wären.
So kann ich nur die Merkmale nachlesen und feststellen, dass Jülich Athelia salicum als eine Art mit schwach ausgeprägtem bis fast fehlenden Subiculum versteht, die weiß ist, wärend A. alnicola ockergelb wird, kräftige Fruchtkörper entwickelt, ein deutluches Subiculum besitzt und damit auch besser grob ablösbar sein sollte. Wenn dann auch die breiteren Subiculum-Hyphen damit korrespondieren und vielleicht sogar die Basidienbasen teils sehr breit werden können, sehe ich einige Merkmale, die die Art definieren. Und wenn die Basidienbasen auch da schmal sein können, bleiben immer noch weitere Merkmale übrig, die Athelia salicum abtrennen lassen.
Krieglsteiner hatte damals weder Sklerotienbildung, Ernährungsweise, Makroskopie noch manche Mikromerkmale beachtet oder auch nur diskutiert, geschweige denn Nebenfruchtformen. Er hat einfach nur zuzsammengeworfen. Das ist natürlich legitim, da jede Publikation letzten Endes nur eine These ist, sie man aufstellt. Leider wurde dem aber m.E. zu blind gefolgt.
Daher wäre es schön, wenn sich mehr Leute wieder mit Athelien beschäftigen, damit die Wissenslücken geschlossen werden können. Und Sequenzierungen sind ja mittlerweile greifbar. Und vielleicht wird Athelia ja mal wieder an einer Uni revidiert. Auch da hilft es, wenn man Kollektionen hätte... Ich traue mich ja fast nicht zu fragen, ob du einen Beleg hast, denn wenn dem so wäre, hättest du vermutlich nachmikroskopiert... Falls du die gelbe Athelia herbarisiert hast, kann ich gerne mal reinmikroskopieren.
Zitat
Im Zweifel ist es natürlich schon geschickter, die Funde wenigstens nach Jülich zu taxieren, als alles zusammenzuschmeißen.
Mir fällt ehrlich gesagt kein einziges Argument ein, einer Monographie ohne sachlich-kritische Gegenpublikation nicht zu folgen. Man sollte also unbedingt nach Jülich die Funde taxieren und das dann mit den Aussagen von Hjortstam, Bernicchia etc. vergleichen.
Zitat
Die Datenlage in der Gruppe ist - vor allem genetisch - sowas von dünn.
Ja, und die Belege sind keine Typen. Die Bestimmung ist daher nicht einmal gesichert. Genetisch geht daher (noch) nichts.
LG
Christoph