Hallo zusammen,
wir sind uns einig, dass das Ziel der Zubereitung sein muss, dass Stoffe, die beim Rohverzehr zu gesundheitlichen Problemen führen, aus dem Gargut entfernt werden..
Dazu gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Die Stoffe gehen in die Gasphase über und sind danach nicht mehr im Gargut, sondern verteilt in der Luft der Küche.
2. Die Stoffe werden durch chemische Reaktionen in unschädliche Substanzen zersetzt.
Für beide Vorgänge ist Temperatur ein beeinflussender Parameter, aber auch - was im kompletten Thread ignoriert wird - der Druck.
Bei meiner bevorzugten Zubereitung passiert folgendes:
Die Pilze saugen die Butter fast vollständig auf. Die Pfanne fällt kurz trocken.
Nach weniger als einer Minute Garzeit beginnt viel Wasser auszutreten.
Das Wasser siedet, während des Vorgangs geben die Pilze noch mehrere Minuten Wasser ab.
Beim scharf Anbraten passiert folgendes:
Es tritt kurz eine geringe Menge Wasser aus.
Die Oberfläche der Gargutstückchen ist nach ca. 1-2 Minuten durch das Garen dicht, es kommt kein Wasser mehr nach.
(Ich beobachte das zum Beispiel auch in Restaurants, bei denen ich von der Theke in die Küche sehen kann)
Der überwiegende Teil des Wassers bleibt eingeschlossen.
Damit entsteht in den Stückchen ein hoher Druck.
Ausgasen von Giftstoffen ist verhindert.
Endstoffe von chemischen Reaktionen können nicht aus dem Reaktionsraum entfernt werden.
Damit eine chemische Reaktion vollständig ablaufen kann, ist aber genau das nötig.
Damit eine chemische Reaktion:
A + B -> C + D
vollständig stattfindet, müssen C und D ständig entfernt werden.
Entsteht bei der Reaktion ein gasförmiger Stoff, führt der in den Stückchen entstehende Druck nach dem Prinzip des kleinsten Zwanges dazu, dass die Reaktion zum erliegen kommt
oder sogar in die andere Richtung läuft.
Durch die Temperatur in den Pilzstückchen würde die Reaktion zwar schneller ablaufen, aber durch den Druck kann sie in der angegebenen Richtung nicht mehr ablaufen.
Da kann man stundenlang weiter erhitzen, entgiftet wird da nicht mehr.
Nun noch mein bisheriges Verständnis des Tintling Artikels zur Hämolyse:
Das werden drei Hämolysine benannt:
Eines aus dem Knollenblätterpilz: Phallolysin.
Nach Literatur ist aber einer der Giftstoffe des Knollenblätterpilzes: Phalloidin.
Das hat man extrahiert und damit Giftigkeitsexperimente gemacht.
Phallolysin findet sich in meiner Literatur nicht in der Auflistung der Giftstoffe des Knollenblätterpilzes.
Vielleicht hat da jemand aber neuere/bessere Literatur.
Zwei aus Speisepilzen:
Eines aus der Krausen Glucke und eines aus dem Perlpilz.
Merkwürdig: Während in der Literatur von schweren Vergiftungen nach Rohverzehr des Perlpilzes berichtet wird, schreibt keiner so etwas von der Krausen Glucke.
Ich habe mir die Angelegenheit beim Perlpilz mal näher angesehen.
Rubescenslysin ist der beschriebene Stoff.
Dazu finde ich:
Handbook on Toxicology:
"Rubescenslysin is lethal when injected.
Its intravenous LD50 is 150µg/kg in rats. Very large dosis may cause death in 15 seconds."
Nun habe ich ja noch nicht von Perlpilzrohverkostern gehört die nach 15 Sekunden tot umgefallen sind,
aber man sollte denn doch eher darüber nachdenken den Pilz von der Liste der Speisepilze zu streichen,
anstatt ihn unter Angabe von Garzeiten frei zugeben.
In anderen Fällen z.B. Nebelkappe, Frühjahrslorchel hat man das ja mit Recht getan.
50 % der Ratten sterben, wenn man ihnen 150µg pro kg ihres Körpergewichts injiziert.
Der entscheidende Punkt ist aber:
Damit eine Hämolyse stattfinden kann, muss der Stoff in Blutgefäße gelangen.
Inwiefern das bei oraler Aufnahme erfolgt, wurde offenbar zumindest nach dieser Quelle nicht untersucht.
Zweite Quelle:
Published: February 1980
Studies on rubescenslysin haemolysis
Ruth Seeger
Rubescenslysin is consumed on haemolysis and markedly inhibited by ...
It is also inhibited by cholesterol and various phospholipids ...
Die Giftwirkung wird also zum Beispiel durch das auch im Menschen vorhandene Cholesterol verhindert.
Das sind aber alles Laborversuche, über den Wirkmechanismus bei oraler Aufnahme sagt das nichts aus.
Man kann auch daraus nichts ableiten, bei welcher Temperatur und bei welchem Druck Zersetzung stattfindet und ob eventuelle Zersetzungsprodukte harmlos sind.
Es ist ja zum Beispiel durchaus denkbar, dass das Protein "denaturiert" ist, das Gargut aber immer noch giftig ist, weil die Bruckstücke genau so giftig sind wie das Polymer.
Es wäre hilfreich, wenn diesbezüglich Versuche gemacht würden:
Garen nach der Anweisung und dann eine chemische Analyse und Vergiftungsversuche mit Ratten oder Mäusen.
Gruß,
Marcel