Hallo aus Graz,
Als Erstautorin der diskutierten
Publikation möchte ich mich auch zu Wort melden.
Als Erstes freut es mich sehr,
dass unsere Publikation so viel Beachtung bekommt. Fachliche Diskussionen sind
ein sehr wichtiger Teil von Forschung.
Ich hoffe, dass ich mit meinen
Kommentaren ein paar Punkte besser verständlich machen kann.
Ich bin übrigens Chemikerin; also
keine Medizinerin oder Toxikologin.
Zitat von Marcel
Dann
schreiben Sie: „Dieser Stoff ist zwar nicht direkt giftig“
Das
ist gefährlich falsch.
Wie
man hier nachlesen kann:
Dimethylarsinsäure – Wikipedia
gilt
Toxikologische
Daten: 644 mg·kg−1 (LD50, Ratte, oral)
Zum
Vergleich für Arsenik gilt:
10
mg·kg−1 (LD50, Ratte, oral)
Arsenik
ist zwar 64mal giftiger, aber Dimethylarsinsäure ist erheblich giftig.
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Prinzipiell freut es mich, dass
Sie sich mit der Materie etwas eingehender auseinandergesetzt haben. Sie haben
auch Recht, dass DMA eine gewisse akute Toxizität besitzt.
Aber wenn man sich überlegt, dass
ein „durchschnittlicher“ Mensch so 60-70 kg wiegt, müsste man in etwa 40 g
reinstes DMA auf einmal verspeisen, um in die Nähe von diesen LD50 Werten zu
kommen. Außerdem ist der Arsen-Stoffwechsel von Ratten leider nicht sehr gut
mit dem vom Menschen vergleichbar. Also: Ja, theoretisch könnte man sich wohl
akut mit DMA vergiften, aber praktisch ist das nicht sehr wahrscheinlich. Ich
habe das schnell einmal durchgerechnet, und man müsste über 3000 kg
Schwarzblauender Röhrling (mit mittlerem Arsengehalt) auf einmal verputzen, um
an den LD50 Wert zu kommen.
Des Weiteren ist DMA als potentiell krebserregend
(IARC Group 2B: „possibly carcinogenic to humans“ Agents Classified by the IARC Monographs, Volumes 1–123 – IARC
) eingestuft. Im Gegensatz dazu ist anorganisches Arsen als sicher
krebserregend klassifiziert. Wie gefährlich es nun ist, wenn man 1x im Jahr
einen Schwarzblauenden Röhrling isst, kann ich nicht zufriedenstellend
beurteilen. Ich bin Chemikerin, und keine Medizinerin oder Toxikologin.
Allerdings wird für eine krebserregende Wirkung meines Wissens nach von einer
über längere Zeit andauernden Belastung ausgegangen. Ob da 1x im Jahr schon
genug ist? Dass DMA nur potentiell krebserregend ist, mach die Sache nicht
einfacher. Im Zweifelsfall würde ich allerdings eher kein Risiko eingehen
wollen und auf diesen Pilz verzichten.
Zitat von Marcel
Vor
diesem Hintergrund würde es mich nun interessieren, welches denn die „bekannten
Grenzwerte für DMA“ sein sollen. Ich finde da nichts.
Das stimmt, ich kenne auch keine
internationalen Grenzwerte für DMA.
Wie Tricholomopsis richtig
erwähnt hat, haben wir in unserer Publikation den „margin of exposure“ (MoE)
berechnet (Error - Cookies Turned Off
), mithilfe des „benchmark dose lower limit“ von DMA (BMDL10, 10 % erhöhtes
Risiko, Regulations.gov
).
Zitat von Climbingfreak
Was
ich mich gerade frage, wie der Pilz aktiv die Arsenverbindung aktiv anreichern
kann ohne nennenswerte Quellen in der Nähe. Wenn aber keine relevanten Quellen
in der Nähe des Fundortes vorhanden sind, bin ich der Meinung, dass der Arsengehalt
nie so hoch werden kann, zumindest würde das einige Jahrzehnte dauern bis die
entsprechenden Gehalte bei einer allgemeinem Hintergrundbelastung zusammen
kommen.
Mausmann:
Arsen ist ja überall in der
Natur zu finden, insbesondere auch in der Erde. Und die Reichweite bzw. die
Oberfläche des Myzels ist schon eine beachtliche Größe.
Wir haben zu fast allen
Pilzproben auch eine Bodenprobe untersucht. In diesen Bodenproben konnten wir
zwischen 6 und 36 mg As/kg finden. Das ist keine besondere Kontamination. Der
„bioverfügbare“ Anteil davon war übrigens ca. 3-12 %.
Wie richtig bemerkt, kann das
Mycel der Pilze recht weitläufig sein, ein guter Austausch mit dem Boden ist
also möglich. Das bedeutet quasi ein unendlicher Vorrat an Arsen.
Übrigens, die
Arsenkonzentrationen in Pilzen sind immer auf den trockenen Pilz bezogen! Da
normalerweise Pilze aus ungefähr 10 % Trockenanteil und 90 % Wasser
zusammengesetzt sind, müssten alle Konzentrationen durch 10 dividiert werden,
um zu den Konzentrationen in den frischen Pilzen zu gelangen.
Zitat von Marcel
„Hierbei
gab es keine Korrelation zwischen dem Arsengehalt des Bodens und der Arsenmenge
im Fruchtkörper.“
Wie
man in der verlinkten Originalarbeit entnehmen kann ist das falsch. Dort steht:
“In
most collections, data for total and bioavailable arsenic in underlying soils
were collected but no significant correlation between the soil arsenic content
and arsenic concentrations in the associated fruit-bodies was found. “
Zunächst
einmal hatten die nicht für alle Proben Bodendaten, hier wäre interessant, ob
die denn welche für die angegeben Extremfälle hatten.
[…]
Wie
kommt man hier übrigens dazu eine Bodenprobe vorzunehmen? Eine Probe des
Grundwassers wäre relevant gewesen. Anorganisches Arsen - also wasserlösliche
Arsen III Verbindungen – geraten meistens übers Grundwasser in die Biosphäre.
Ob denn der Arsengehalt des oberflächennahen Bodens, von dem man vermutlich die
Probe genommen hat, mit dem des Grundwassers korreliert, entzieht sich meiner
Kenntnis.
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Zitat von Tricholomopsis
Ich
wäre mir nicht einmal sicher, ob Cyanoboletus überhaupt Grundwasserkontakt hat,
um von dort Arsen aufzunehmen, aber das ist eine andere Frage. Weshalb die
Autoren der Studie nur die Bodenproben untersucht haben und keine
Grundwasserbohrungen vornahmen, sollte man die Autoren fragen, nicht mich ;-).
Wir haben für 35 von 39
Pilzproben auch die Erde dazu untersucht. Die Einzeldaten sind in
der "Supporting Information" der Publikation zu finden. Bei Bedarf kann ich
diese auch gerne emailen. Die höchste Arsenkonzentration in
konnten wir in der Pilzprobe CBP-28 finden (1300 mg/kg). Der Boden dazu enthielt
13.90 mg/kg, wovon ca. 10 % bioverfügbar waren. Der Boden war also eindeutig
nicht kontaminiert.
Bezüglich der Frage, wieso wir
den Boden und nicht Wasser untersucht haben: Ich bin keine Mykologin oder
Biologin, aber das Mycel des Pilzes steht meines Verständnisses nach in
direktem Kontakt mit der umgebenden Erde und bezieht auch davon die
verschiedenen Nährstoffe etc. Aus diesem Grund wird auch der bioverfügbare
Anteil in der Erde bestimmt, also der Anteil, den der Pilz am
wahrscheinlichsten/einfachsten aufnehmen kann.
Zitat von Mausmann
Wenn
also besonders in den Sporen und dem Hymenium das Zeug zu finden ist, so hat
der Pilz es vielleicht extra zu einem bestimmten Zweck dorthin transportiert?
Hat das Arsen evtl. eine wichtige Funktion bei der Fruktifikation?
Die
Frage, ob Arsen einen Nutzen in der Natur hat, also essentiell ist, beschäftigt
uns schon lange. Bis jetzt gibt es keinen eindeutigen Beweis dafür. Ich fände
es allerdings auch sehr logisch, dass das Arsen zu einem bestimmten Zweck von
Pilzen wie dem Schwarzblauenden Röhrling angereichert wird. Es scheint ja ein
absichtlicher Prozess zu sein (also nicht zufällig).
Zitat von Tricholomopsis
Im
Vergleich zu z.B. Laccaria amathystina, die auch als Arsensammlerin bekannt
ist, sind das schon extreme Werte. Bei Laccaria amethystina wird in µg und
nicht in mg bzw. g gemessen (gut, die 1,3 g Arsen pro kg ist ein Extremwert,
der festgestellt wurde).
Da muss man aufpassen: In der
Publikation über Laccaria amethystina sind die Konzentrationen in µg/g
angegeben. Das ist dasselbe wie mg/kg! Auch hier wurde schon eine Probe mit
1400 mg/kg gefunden. Das war allerdings wirklich an einer kontaminierten
Stelle. Die nicht kontaminierten Proben in besagter Publikation enthielten 23
und 77 mg/kg. Eine aktuell von uns untersuchte Probe enthielt 25 mg/kg.
Übrigens, in der Studie über Laccaria
amethystina wurde auch geraten, diesen Pilz nicht mehr zu konsumieren. Fall
jemand an dieser Publikation interessiert ist, lasst es mich bitte wissen.
Zitat von Marcel
Weiterhin
haben die nur geschrieben, dass keine signifikante Korrelation gefunden wurde..
Um
eine signifikante Korrelation nachzuweisen, braucht man zunächst einmal Proben
in denen beide Größen gemessen wurden und dann auch noch genügend bei denen
erhebliche Unterschiede im Gehalt von DMAA gemessen wurden.
Wenn
die Korrelation nicht als signifikant nachgewiesen wurde, heißt das natürlich
in keiner Weise, dass keine Korrelation besteht. Wenn ich zum Beispiel als
Signifikanzniveau 95% festgelegt habe und berechne, dass eine Korrelation mit
94,9 Prozent Wahrscheinlichkeit vorliegt, ergibt meine Test keine Signifikanz.
Eine Aussage wie „gab es keine Korrelation“ ist immer falsch, egal zu welchem
Thema. Es gibt genau zwei sinnvolle Aussagen in Bezug auf Korrelationen:
1. Bei einem Signifikanzniveau von x% konnte
eine Korrelation nachgewiesen werden
2. Bei einem Signifikanzniveau von x% konnte
eine Korrelation nicht nachgewiesen werden.
Sie haben Recht, dass man
Korrelationen natürlich immer zu einem gewissen Signifikanzniveau angeben kann.
Würden Sie unsere Originalarbeit lesen (Falls Sie keinen Zugriff haben, lassen
Sie es mich wissen), würden Sie sehen, dass wir dieses Signifikanzniveau sehr
wohl definiert haben (95 %).
Des Weiteren wird sehr häufig „es
gibt keine Korrelation (p < 0.05)“ geschrieben, womit „eine Korrelation
konnte bei einem Signifikanzniveau von 95 % nicht nachgewiesen werden“ gemeint
ist, und von den meisten Lesern auch so verstanden wird.
Ich bin außerdem eine Verfechterin davon, nicht
einfach blind statistischen Test zu glauben, sondern sich die Daten mit
Fachverstand anzuschauen. Und ich kann Ihnen sagen: Wir die Arsenkonzentration
in der Erde ist nicht verantwortlich für die Arsenkonzentration im
Schwarzblauenden Röhrling. Zumindest in den Proben, die wir untersucht haben.
Zitat von Mollisia
Man
hat im übrigen in Tschechien an entsprechend schwermetallbelasteten Standorten
(wohl auch Arsen-belastet) im Kronenbecherling noch höhere Konzentrationen
nachgewiesen, mit bis zu 7 Gramm pro Kilogramm Frischpilzmasse!
Ja, der Kronenbecherling ist auch
unserer Erfahrung nach eindeutig der am stärksten Arsen-akkumulierende Pilz.
Wir haben in einer Probe sogar schon 9 g/kg gefunden. Allerdings ist das wieder
auf den trockenen Pilz bezogen. Das trifft auch auf die von dir erwähnten 7
g/kg zu. Das ist immer noch extrem hoch!
Unsere Arbeiten über die Kronenbecherlinge
wollen wir übrigens demnächst publizieren.
Zitat von Tricholomosis
Wie der Pilz das Arsen
aufnimmt und wie er DMA aufbaut, das weiß ich natürlich nicht.
Das
ist ein sehr interessanter Aspekt, den du da erwähnst. Diese Frage beschäftigt
uns und andere Forscher schon seit gut 20 Jahren! Es ist leider sehr, sehr
schwierig, eine Antwort darauf zu finden.
Zitat von Tricholomopsis
Sollten
in dem Paper sachlich-inhaltliche Mängel sein, wäre das wichtig, diese
anzumerken.
Als analytische Chemiker
beschäftigen wir uns schon seit vielen Jahren mit Spurenelementbestimmungen in
verschiedenen biologischen Proben. Dafür haben wir Methoden mit modernsten
Geräten entwickelt, verwenden zertifizierte Referenzmaterialien, nehmen erfolgreich
an Ringversuchen teil, sodass die Wahrscheinlichkeit eines Analysenfehlers sehr
gering ist.
Wir haben unsere Untersuchungen und
Schlussfolgerungen nach bestem Wissen und Gewissen gemacht.
Zitat von Tricholomopsis
"C.
pulverulentus is considered a good edible mushroom but in view of our results
it should not be further recommended for consumption. Because of the
carcinogenic potential of DMA, we advise against the regular consumption of
more than 90 g of fresh mushrooms per year."
Als
aktiver Pilzberater und Pilzsachverständiger kann ich da nicht einfach drüber
hinweggehen und weiterhin diesen Pilz zu Speisezwecken empfehlen. Zudem gibt es
so viele andere essbare Pilze, dass ich es nicht als schlimm empfinde, diesen
Pilz nicht weiter zu verzehren.
Mir
ist auch klar, dass jede Publikation nur das Aufstellen einer These ist, die
auch in sich falsch sein kann. Die Community der Wissenschaftler wird über
weitere Publikationen, hoffentlich auch über ein "Nachkochen" der
Studie, diese kritisch überprüfen.
Ich möchte nochmal darauf
hinweisen, dass wir hier von einer regelmäßigen (!) Konsumation reden, über
mehrere Jahre.
Dennoch sehe ich das genau wie
du, dass ich eher zu den vielen anderen harmlosen Speisepilzen greifen würde
statt zu einer Art, die möglicherweise ungesund ist.
Stichwort „Nachkochen“: Es wäre sehr
interessant, den Pilz einmal zu kochen, und zu überprüfen, ob das DMA im Pilz
bleibt oder „ausgekocht“ wird. Das steht auf jeden Fall auf unserer To
Do-Liste.
Zitat von Tricholomopsis
Was
ich aber selber als schwierig ansehe: Aktuelle Studien direkt wegzuwischen mit
dem Argument "wie wenig konkret..". Dabei ist diese Studie in ihren
Aussagen sogar sehr konkret!
Von Laien wird denke ich oft
nicht verstanden, dass (Natur-)Wissenschaftler nicht so einfach sagen können
„90 g von dem Pilz bringen dich definitiv um“. Ich verstehe durchaus, dass man
gerne einfache und eindeutige Informationen hätte. Aber als gewissenhafte/R
Wissenschaftler/In berücksichtigt man immer, dass man nur Aussagen über die
Proben treffen kann, die man auch tatsächlich untersucht hat. Über die
Allgemeinheit lassen sich dann nur mit gewisser Vorsicht Schlüsse ziehen. Und
deshalb wirken dann wissenschaftliche Aussagen auf Laien oft schwammig.
Aber, wie du schon angemerkt
hast, sind wir in unserer Publikation dafür eigentlich schon sehr konkret
geworden und haben von dem regelmäßigen Verzehr vom Schwarzblauenden Röhrling abgeraten.
Liebe Grüße,
Simone (Braeuer)