Hallo, eine sehr interessante und zudem schöne Kollektion mit guten Mikrofotos und auch eine sehr interessante Diskussion.
Vielleicht kann ich etwas beitragen, wenn ich auch nicht die Lösung liefern kann. Allemal ist es diese gut dokumentierte Kollektion wert, in ein Sequenzierungsprojekt eingereiht zu werden. Hast Du Exsikkate davon, Sandra?
Ich würde bei allen diesen trichterlingsähnlichen Pilzen immer zuerst die Fundumstände (d. h. Biotop und Jahreszeit) betrachten. Abweichungen davon sind zwar immer mal möglich, aber, dass z. B. eine Hochgebirgsart wie I. bresadolana in Hamburg auf einem Friedhof vorkommt, ist nahezu ausgeschlossen. Aber betrachten wir mal alle genannten und nicht genannten Kandidaten.
Was wir heute als Infundibulicybe glareosa bezeichnen ist eher ein Pilz des Spätherbstes, der auf kalkigen, kargen Böden wächst. Allerdings ist der Name wohl zu korrigieren, weil es für den Pilz einen älteren Namen gibt, der Priorität genießt. Dazu aber an anderer Stelle mehr. Aussehen tut der aber anders, insbesondere solch kompakte Stiele hat er nie. Die Sporen dieser Art sind lacrymoid mit einer Größe von 5-8 x 3,5 µm. Vor 1984 wurden die Funde meist mit dem Namen folgender Art belegt.
Infundibulicybe bresadolana kommt – wie oben schon gesagt - nur im Hochgebirge vor und nicht im Flachland. Es ist ein Pilz mit einem eher dunkelbraunen Hut. Fundmeldungen dieser Art aus dem Flachland und insbesondere von vor 1984 (Erstbeschreibung von C. glareosa) sind meist I. glareosa zuzuordnen. Insofern sind eben auch die Verbreitungsangaben in älterer Literatur und auch auf der DGfM-webseite mit Vorsicht zu interpretieren. Selbst Singer, der Autor von C. bresadolana (als bresadoliana), hatte sich hier geirrt und Einhellingers I. glareosa von der Garchinger Heide mit Verwunderung – weil eben auch ihm nur aus dem Hochgebirge bekannt - als C. bresadolana bestätigt. Die meisten Bilder im web, die diese Art zeigen sollen, zeigen tatsächlich andere Arten.
Es fiel die Bezeichnung „Dünentrichterling“ – so wird in aller Regel Clitocybe barbularum bezeichnet – ein kleiner, relativ langstieliger, brauner Pilz, der zuerst als Omphalia beschrieben wurde. I. glareosa wird meist als Kiesliebender Trichterling, manchmal auch als Gerölltrichterling bezeichnet.
Clitocybe paropsis (Fr.) Sacc. 1887 – nom. dub. – ist ein Name, der oft für einen rotbraunen Trichterling herumgeistert. Schon Clémencon (1984) listete ihn in seinem Clitocybe-Kompendium 1984 ganze drei Mal mit verschiedenen Deutungen auf, meint aber, dass die richtige C. paropsis auf Tafel 157 bei Bresadola zu sehen sei. Ich denke, dass dort eine Herbstkollektion von Bonomyces sinopicus dargestellt ist, die entgegen Bresadolas Auffassung nicht nur im Frühjahr fruktifiziert, sondern zwei Mal im Jahr (April bis Juni und dann September bis November) Fruchtkörper schiebt. Das Bild von C. paropsis in der Sachsen-Flora zeigt eindeutig typische I. glareosa, ob auch die anderen Fundmeldungen in der Sachsen-Flora diese Art betreffen, ist natürlich unbekannt. Der Name sollte daher tatsächlich als Nomen dubium angesehen und folglich gemieden werden.
Tafel 157 von Bresadola
Clitocybe clavipes ist inzwischen Ampulloclitocybe clavipes und gehört in die Familie Hygrophoraceae. Die aus Amerika beschriebene Clitocybe subclavipes soll nach Bon zwar auch in Südeuropa vorkommen, hätte aber ebenso wie A. clavipes gelbliche Lamellen – beide scheiden also aus.
Bonomyces sinopicus und Bonomyces arnoldii würden beide deutlich mehlig riechen.
Dann gibt es noch Clitocybe squamulosoides P.D. Orton 1960.
Dem Protolog zufolge hat P. D. Orton hier Clitocybe trullaeformis von Tafel 35E bei Lange (1935) auf Artrang neu beschreiben wollen, weil er darin (wie fast alle anderen Mykologen auch) nicht C. trulliformis sah. Mehrheitlich wurde in der Tafel 35/E aber von nahezu allen Mykologen eine Darstellung von Clitocbe costata gesehen. C. squamolosoides P. D. Orton wäre demnach ein Synonym von Infundibulicybe costata (Kühner & Romagn.) Harmaja. IF und MB sehen das Taxon jedoch als Synonym von Ampulloclitocybe clavipes. Für meine Begriffe zeigt Lange hier jedoch tatsächlich einen Pilz aus der squamulosa – Gruppe. Infundibulicybe squamulosa selbst schließt P. D. Orton im Protolog aus, wegen einer blasseren Färbung, einem mehligen Geruch und lacrymoiden Sporen gegenüber der neu beschriebenen C. squamulosoides. Die Sporen dieser Art sind deutlich schmaler als die von I. squamulosa, Orton nennt 7-8 x 3,5 - 4 µm
Tafel 35E von Lange
Infundibulicybe costata (Kühner & Romagn.) Harmaja 2003 mit Sporen von 5-7 x 3,5-4,6 µm, scheidet auch diese Art, die mir von allen hier genannten die häufigste scheint, aus.
Clitocybe incilis (Fr.) Gillet 1874 wird ss. Bresadola, Ricken, Métrod und Nüesch als Synonym von I. costata gesehen. Ss. Favre, Lamoure, Gröger und Ludwig ist das jedoch tatsächlich eine „gute“ Art. Gillet (1874) sah sie in der Nähe von C. sinopica.

Abb.: Clitocybe incilis Fr. aus: Bresadola Tafel 163/1
Infundibulicybe meridionalis (Bon) Pérez-De-Greg. 2012 sieht dem hier gezeigten Pilz sehr ähnlich, auch die Sporengröße würde hinhauen, sie wird mit 6-10,5 x 3,5 – 6 µm angegeben, nur sind die Sporen bei I. meridionalis eher ovoid und keinesfalls so tropfenförmig – scheidet also auch aus.
Infundibulicybe mediterranea Vizzini, Contu & Musumeci 2011 - Ludwig (2012) hatte die Art, die als Infundibulicybe beschrieben wurde, zu Clitocybe transferiert, da er die Abtrennung der Gattung Infundibulicybe von Clitocybe nicht anerkannte. Für mich ist das eindeutig in der Zuordnung eine Infundibulicybe.
Die Sporen sind lacrymoid, aber werden in der OB nur mit 4,5–6 x 3–4 µm angegeben, sind also für den hier gezeigten Fund zu klein.
Clitocybe pseudosquamulosa Singer ex Bon ist ein neuerer (gültiger) Name für die ohne lat. Diagnose von G. Métrod beschrieben Clitocybe sinopica var. microspora. Genauer: Zunächst hatte Singer diesen Namen nur ad interem gegeben und mitgeteilt, dass C. sinopica var. microspora synonym sei und Bon hat den neuen Namen dann gültig gemacht. Singer hatte erkannt, dass der von ihm vorläufig beschrieben Pilz nichts mit Clitocybe sinopica zu tun hat, aber ebenso wie dieser mehlig riecht, was C. squamulosa jedoch nie tue. Die Angaben zur Synonymie mit Bonomyces sinopicus verschiedener Datenbanken wären demnach unzutreffend.Aber mit mehligem Geruch scheidet der Kandidat auch aus.
Clitocybe subsquamulosa Singer ist zwar aus dem sibirischen Altai beschrieben worden, doch gibt Singer als Referenz Clitocybe squamulosa ss. Konrad & Maublanc und Bresadola an, womit die Art dann auch in Mitteleuropa vorkommen würde. Tafel 158 bei Bresadola zeigt demnach also nicht C. squamulosa, was angesichts der gegenüber der Originalbeschreibung viel zu schmalen Sporen auf der Tafel von Bresadola auch Sinn macht.
Tafel 158 Bresadola
Infundibulicybe squamulosa (Pers.) Harmaja 2003 ist hier im Forum schon diskutiert worden
Infundibulicyvbe alkaliviolascens (F. Bellú) F. Bellú
Sporen - 7.0-9.6 x 4.5-5.6 µm, 7-8 x 4,5-5 µm.
Geruch aromatisch nach Blausäure oder Kumarin (typisch für zahlreiche Trichterlinge der Sektion); Lamellen crèmefarbig, crèmegelblich, bis seltener blaßocker.
Ist aus dem herzynischen Trockengebiet bei Gommern (ST) mit einem Fund für D belegt.
Infundibulicybe splendoides (H.E.Bigelow) Versterh. – C. splendoides wurde aus Michigan beschrieben. Bigelow vermerkte, dass seine Art identisch mit C. splendens ss. Bresadola sei. Ich tu mich immer schwer damit, vom äußeren Erscheinungsbild und auch von den Mikros her, Pilze Nordamerikas für dieselben des europäischen Kontinents zu halten. Zu oft erwies sich das nach molekularer Untersuchung als Trugschluss. In jedem Fall ist der Pilz aber gelblich und sollte anders aussehen als der Gefundene.
Tafel von Bresadola
Beste Grüße - Peter