Beiträge von Clavaria

    Hallo zusammen


    Also die Tatsache, dass zwischen den Sklerotien-Rüblingen und den Rötelritterlingen eine sehr enge Verwandtschaft besteht, ist schon länger bekannt.

    So tauchen diese Collybia-Arten auch schon bei Alvarado et al. 2015 im phylogenetischen Baum mitten zwischen Lepista und Clitocybe auf.

    Im Text gehen sie auch darauf ein:

    "Results (FIG. 5) show that most whitish clitocyboid species analyzed (C. phyllophila, C. cerussata, C. rivulosa, C. dealbata) have a closer relationship with the Lepista-Collybia clade than to the type species of Clitocybe (C. nebularis)."

    In der folgenden Diskussion gehen sie auch auf die möglichen taxonomischen Konsequenzen ein. Sehen aber bewusst davon ab, diese Änderungen vorzunehmen.


    Die chinesischen Autorengruppe hat dann halt diesen Schritt vollzogen, der aus wissenschaftlicher Sicht grundsätzlich auch völlig richtig ist.

    Da wird nichts herbeigeredet, und es ist auch kein Fehler.

    Es ist lediglich eine suboptimale Umkombinierung von Namen, vielleicht unter Publikationsdruck oder auch nicht, ein erfahrener Mykologe hätte es wohl anders gemacht.

    Uns Hobby-Mykologen stört jetzt halt, dass kleine "Rüblinge" und "Rötelritterlinge" in der gleichen Gattung landen, aber das ist eine Tatsache. Nur weil sie anders aussehen, muss uns die Wissenschaft nicht einen Gefallen machen und sie in zwei Gattungen belassen.

    Es ist nämlich nicht Sinn der Mykologie, uns Laien das Leben so einfach wie möglich zu machen und dafür zu sorgen, dass wir nichts Neues lernen müssen.


    Da gab es vorher 200 Jahre lang nichts Vergleichbares, insofern ist der Nachholbedarf riesig.

    Dazu noch ein Hinweis: In den letzten 200 Jahren wurden auch fleissig umkombiniert, nur aus anderen Gründen.

    Schaut mal, was Quélet in den Jahren zwischen 1870 und 1890 alles an neuen Gattungen produziert hat. Er hat seine eigenen Konzepte sogar innert 10 Jahren verworfen und nochmal alles neu umkombiniert. Und dann gleich als Kundumschlag quer durch alle Gattungen.

    Davor hat Gray 1821 das gleiche gemacht und Kuntze 1898 auch nochmal. Singer hat sein System der Agaricales auch mehrmal umgebaut, und war jedes Mal der Ansicht dass es nun richtig sei. Wenn man heute Kühner & Romagnesi's "Flore analytique" aus den 1950er Jahren anschaut, findet man vertraute Arten in völlig anderen Gattungen, die heute gar niemand mehr kennt. Was waren nochmal die Gattungen "Galera", "Rhodopaxillus" oder "Psalliota"? Wenn sich nichts ändern darf, warum benutzt niemand mehr diese Gattungen? So lange ist das noch gar nicht her, sogar im Moser sind viele Rötlinge noch unter Rhodophyllus drin, und das alles hat sich ohne Phylogramme geändert! Man darf nicht den Fehler machen, ein auserwähltes modernes Werk als "den Anfang und das Mass aller Dinge bezüglich Pilznamen" zu betrachten. Jedes Pilzbuch gibt nur den Stand zum Zeitpunkt seiner Entstehung wieder. Der Wunsch, dass sich die Pilznamen seit dem Besuch der Pilzschule möglichst nicht mehr ändern, ist zwar menschlich und nachvollziehbar, aber eigentlich illusorisch.


    Ich finde, die genetischen Methoden werden oft viel zu voreilig verurteilt. Natürlich macht da nicht jeder Autor alles perfekt. Irrtum gehört zur Wissenschaft, das war früher so und wird auch in Zukunft so bleiben. Aber die Namen der Pilze haben sich schon immer geändert, das ist keine Erfindung der Genetik. Es ist einfach eine neue Methode, und wir müssen/werden uns mittelfristig an die neuen Namen gewöhnen.

    Das braucht seine Zeit, aber dass sich die meisten Namen irgendwann durchsetzen sieht man an Beispielen wie "Coprinopsis", "Gymnopus" oder "Rhodocollybia". Diese Gattungen haben erst etwa 20 Jahre auf dem Buckel, und wir haben uns daran gewöhnt. Natürlich muss nicht jeder Hobbypilzler jeden neuen Namen sofort lernen. Da kann man sich beliebig Zeit lassen. Das hat den Vorteil, dass man Namen, die sich nicht durchsetzen, nicht zu lernen braucht.


    LG Raphael

    Hallo Hias


    Meinst du das hier? https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1002/tax.13149

    Ja, ich empfehle auch diese neuen Collybia-Kombinationen zu ignorieren. Das wird sich kaum durchsetzen, der Widerstand ist gleich gross wie bei Cortinarius.


    Was die Autoren des Papers vorschlagen, macht viel mehr Sinn, auch wenn es nicht der nomenklatorische Standard-Prozess ist.

    Die drei Sklerotienrüblinge, die bisher noch in Collybia s.str. laufen, sind genetisch mit einigen grossen Trichterlingen und Rötelritterlingen sehr nahe verwandt.

    Diese Tatsache kriegt man nicht vom Tisch.

    Aber da macht es viel mehr Sinn, diese drei Arten umzukombinieren, statt die meisten Rötelritterlinge und Trichterlinge. Genau das schlagen die Autoren hier vor.


    Gruss Raphael

    Hallo zusammen


    Hier auch noch ein paar News:


    1:

    Offenbar ist das Hodophilus fuscofoetens, von der Art höre ich zum ersten Mal.


    10:

    Das ist wie erwartet nicht Entoloma pseudoturci, im Moment ist der beste Treffer E. kumraticum (eine Art aus Pakistan).

    Ich vermute aber schwer, dass das ein Synonym von Entoloma porphyrogriseum ist.


    Gruss Raphael

    Hallo Sebastian


    Ich habe jetzt das Resultat, es ist identisch mit "Entoloma aff. iodiolens", Voucher JC20110804 aus Spanien.

    Die Kollektion ist in zwei Papers erwähnt die ich habe, aber mehr finde ich so auf die Schnelle nicht dazu.

    E. iodiolens s.str. ist wohl was anderes.

    Ich hab es mal ins DGfM-Forum gestellt, vielleicht kommt da noch was raus.


    Gruss Raphael

    Hallo zusammen


    Nr. 1 hat sich nun endlich geklärt. Ich habe die Kollektion letztes Jahr sequenzieren lassen.

    Im Blast kam ein unglaubliches Chaos diverser Trichterlinge heraus, unmöglich daraus eine "Bestimmung" abzuleiten.


    Aber es lohnt sich, ab und zu nochmal zu blasten.

    Jetzt gibt es einen sehr guten Treffer mit der Typus-Sequenz von Collybia tomentostipes, die 2023 aus Tibet beschrieben wurde.

    Nach unserem Verständnis müsste sie eher Clitocybe tomentostipes heissen, sie wurde in diesem Paper publiziert wo einige Trichterlinge und Rötelritterlinge in Collybia umbenannt wurden.

    Die Morphologie stimmt perfekt überein, auch das Habitat passt. Und angeblich gibt es einen Nachweis dieser Art in Kanada, sie scheint also nicht auf Tibet beschränkt zu sein.


    Vermutlich ist es eine weltweit verbreitete Art, die auch in Europa schon lange einen Namen hat, aber niemand weiss mit Sicherheit welcher das ist.

    Bis hier jemand einen Typus-Beleg ausgräbt und die gleiche Sequenz bekommt, belasse ich es wohl oder übel bei dem chinesischen Namen.


    LG Raphael

    Hallo Helmut


    Ahh, doch noch ein Einspruch wegen diesem Tricholoma aestuans!


    Tricholoma psammopus finde ich hier auch oft, aber so hatte ich ihn noch nie.

    Zudem solte der nicht scharf sein (nur bitter), oder habe ich da etwas übersehen?


    Naja es ist ein nicht taufrisches Einzelexemplar und ein miserables Foto. Ich hätte das weder mitnehmen noch hier zeigen sollen.

    Wirklich klären werden wir es wohl nicht mehr.


    LG Raphael

    Hallo Hias


    Ja, ich finde sowohl die genetischen als auch morphologischen Unterschiede extrem dürftig.

    Auch Liimatainen et al. schreiben, dass die genetische Abweichung sehr klein ist.

    In dem Paper wird auch nicht wirklich klar, aus wie vielen Kollektionen sie ihre morphologischen Unterschiede ableiten und wie konstant diese sind.


    So gesehen spricht nichts dagegen, einfach Cortinarius glaucopus agg. dranzuschreiben.


    LG Raphael

    Hallo Helmut


    Sehr interessant, danke fürs Zeigen deiner Kollektion!


    Ich würde das hier auch Helvella philonotis nennen.

    Inzwischen habe ich die klassische Literatur etwas besser im Griff. Daraus geht eigentlich klar hervor, dass Helvella alpestris etwas anderes ist:



    Boudier beschreibt 1894 eine becherförmige, gestielte Lorchel.

    Das lässt sicherlich noch etwas Interpretations-Spielraum offen, aber passt ganz und gar nicht zu dem, was an manchen Stellen in der modernen Literatur als Helvella alpestris gezeigt wird.

    So zeigt Jamoni 2008 unter dem Namen Helvella alpestris sicher auch Helvella philonotis.

    Da kann man nur vermuten, dass irgendwenn jemand nach dem Prinzip "nomen est omen" bestimmt hat.

    Also wenn die Lorchel im alpinen Raum wuchs, dann muss es dem Namen nach Helvella alpestris sein.


    Helvella alprestris s.str. sollte eine stets gestielt-becherförmige Lorchel sein, wie Helvella corium (oder sogar ein Synonym davon).

    Helvella philonotis kann im Einzelfall auch becherförmig sein. Aber wenn man mehrere reife Fruchtkörper sammelt, sind die meisten irgendwie sattelförmig oder unregelmässig lappig.


    Gruss Raphael

    Hallo zusammen


    Drei Jahre später... Die Sequenz von Nr. 1 würde für Cortinarius subrubrovelatus sprechen (Match mit Typus 99.54%).

    C. glaucopus ist allerdings sehr nahe. Beim Liimatainen et al. 2014 werden aber einige Unterschiede aufgeführt, die alle für subrubrovelatus sprechen.


    LG Raphael

    Hallo zusammen


    Ja diese Bücher erheben auch nicht den Anspruch, eine Russula-Monographie zu sein.

    Der ursprüngliche Fokus waren wohl die Heringstäublinge, aber inzwischen ist es viel umfangreicher.


    Ich würde es einfach "Lebenswerk" nennen. Diese Art von Buch finde ich ungemein wichtig, es sollte mehr davon geben.

    Viel zu viele erfahrene Hobby-Mykologen arbeiten jahrzehntelang an ihrem Hobby, legen ein Herbar an, sammeln Literatur, erstellen für sich selbst Fundlisten und Fotoalben, gehen an Tagungen, aber schreiben wenn überhaupt nur vereinzelt mal einen kleinen Artikel.

    Und eines Tages nehmen sie ihr ganzes Wissen ins Grab, während das Herbar und die Literatur der Gunst der Erben ausgesetzt sind.

    Ich kannte einige Mykologen, deren "Lebenswerke" direkt im Container und im Altpapier gelandet sind.

    Da lobe ich mir jede(n), die/der sein Wissen in irgendeiner Form der Nachwelt zugänglich macht.


    LG Raphael

    Hallo zusammen


    Das ist eigentlich sogar recht typisch für einige Pholiotina-Arten.

    Zum Beispiel sieht man bei Pholiotina aporos oft schräge oder tiefsitzende Ringe, anhand dieses Merkmals vergebe ich gerne "aporos" als Arbeitsname im Feld.

    Aber ich glaube nicht, dass das als Merkmal konstant und für die Bestimmung wirklich relevant ist (anders als z.B. bei Macrolepiota).

    Der Ring ist zu zart, um im Einzelfall zuverlässig entscheiden zu können, ob er festsitzt oder etwas lose ist.

    Je nach äusseren Umwelteinflüssen fallen diese Ringe halt manchmal ab oder rutschen nach unten, nur eben nicht immer bei der gleichen Spezies.

    Das kommt auch bei anderen beringten Pholiotina-Arten vor, mir scheint es einfach bei aporos am häufigsten zu sein.


    Gruss Raphael

    Halo zusammen


    Die Endung -ii kommt daher, dass früher der Name, nach dem der Pilz benannt ist, zuerst noch "latinisiert" wurde.

    Also aus "Houghton" wurde "Houghtonius", und der Genitiv davon ist houghtonii.

    Von dieser Latinisierung hat man inzwischen Abstand genommen und macht deshalb nur noch ein -i, wenn der Pilz nach einer Person benannt ist. Oder -ae, wenn der Pilz nach einem weiblichen Eigennamen benannt ist.

    Das gilt aber nicht automatisch für alle älteren Namen, dieser hier stammt aus dem Jahr 1876. Sonst müssten wir jetzt alle Arten die "friesii" heissen in "friesi" umtaufen.

    Die vereinfachte Schreibweise ist erst seit 20-30 Jahren üblich.


    Zur Aussprache: Da gibt es keine verbindliche Regel, wichtiger ist dass andere verstehen was man sagt.

    Hier würde ich jetzt nicht versuchen, den Namen künstlich in Latein auszusprechen.

    Sondern einfach in der Sprache, aus der der Name stammt. Also englisch "Houghton" mit zwei i hinten dran.


    Im Übrigen ein super Fund, eine der Arten die ich schon lange suche.


    Gruss Raphael

    Hallo zusammen


    Hmm, spricht denn abgesehen von den minimal zu langen Sporen etwas gegen Coprinopsis strossmayeri?

    Die werden in der gängigen Literatur bis 9.5 µm angegeben. Wenn sie jetzt ein halbes µ länger sind, würde ich das nicht überbewerten.

    Die Art ist ja sehr selten, vermutlich ist die wahre Bandbreite der Sporen gar nicht bekannt.

    Und wenn man sich die spärlichen Beschreibungen anschaut, gewinnt man den Eindruck dass vielfach die Sporenmasse irgendwo abgeschrieben wurden.


    Ah, und hier eine kürzliche Publikation, wo die Sporen bis 11 µm lang sind:

    https://www.researchgate.net/publication/349604529_First_record_of_Coprinopsis_strossmayeri_Psathyrellaceae_in_Ukraine_morphological_and_cultural_features


    Gruss Raphael

    Hallo romana


    Das ist wirklich schwierig. Das Habitat wäre ja typisch für Coprinopsis stangliana, aber die hätte breitere Sporen und auch eine mehr schollige Hutoberfläche.

    Einen wirklich brauchbaren Vorschlag habe ich nicht...


    LG Raphael

    Hallo Felli


    Hast du Agaricus subperonatus in Betracht gezogen?

    Ich meine auf einigen deiner Bilder unter dem Ring eine Gürtelzone zu erkennen. Das würde zu subperonatus passen.


    Gruss Raphael