Hallo zusammen, erstmal danke für die Antworten und bitte verzeiht meine späte Rückmeldung. Ich kam unter der Woche nicht dazu, den Fund hier vernünftig zu dokumentieren. Und ja, das Problem mit dem Taschensequenzierer kenn ich - meiner ist damals zu Bruch gegangen, nachdem ich ihn an einem Siemens-Lufthaken aufgehängt hatte.
Bevor ich gleich zum Fund komme, nochmal zurück auf meine generelle Ausgangsfrage. Meine Frage war ja: Liegen so deutliche geschmackliche Unterschiede noch innerhalb dessen, was man als Varationsbreite bezeichnet, oder muss man bei deutlichen geschmacklichen Unterschieden von einer anderen Art ausgehen? Ich greife einmal das Bsp. von Pablo mit den Fichtensteinpilzen auf: Du sagst, du hast auch schon schlecht schmeckende B. edulis gefunden. Ok, aber das ist dann ja auch nicht der typische Geschmack. Jetzt gehen wir mal davon aus, du findest 100 B. edulis, wovon 98 den typischen Steinpilzgeschmack haben. Dann findest du weitere 100 St. von einer dir noch unbekannten Art oder Varietät (das ist eben die Frage), die aussieht wie ein B. edulis, nur viel blasser und alle Exemplare dieser Art/Varietät schmecken auffallend anders als B. edulis. Alle anderen Merkmale entsprechend weitgehend B. edulis. Wäre der auffallende Geschmacksunterschied in diesem Bsp. schon ausreichend, um sagen zu können, dass es sich hier um eine eigene Art handeln muss, oder wäre dies theoretisch noch innerhalb der Variationsbreite einer Art? Und vielleicht noch ein ergänzende Frage: Kennt jemand Bsp. für Arten, zu denen es verschiedene Varietäten gibt, wo die Varietäten auffallend anders schmecken als die Haupterscheinungsform?
Zum Fund: Ich habe die Art diese Woche tatsächlich noch einmal in einem anderen Waldstück bei mir in der Nähe finden können (beide Fundstellen sind Wälder und liegen ca. 5 km auseinander). Die Art scheint hier also nicht selten zu sein. Die nachfolgend beschriebenen äußeren Merkmale waren bei beiden Kollektionen völlig identisch (abgesehen davon, dass ich die 2. Kollektion nicht nochmal zum Geschmackstest in die Pfanne geschmissen habe...).
- Fundort: Einmal war es ein reiner Fichtenwald, einmal ein Fichten-Buchen-Mischwald, jeweils auf kalkhaltigem Boden. Bei beiden Funden wuchsen die Fruchtkörper eindeutig bei einer Fichte. Die Fruchtkörper wuchsen gesellig, waren jeweils so um die 10 St.
- Hutdurchmesser bis etwa 10 cm, Stiel bis 11 cm lang und zwischen 1,5 und 2,5 cm breit, Stielbasis meist keulig, teils scharf gerandet
- Hut sowie Stiel fast völlig weiß, Hut max. mit schwach honigfarbenen Flecken. Hut etwas schuppig, auch die Schuppen sind weiß.
- Gilben oder Röten ist praktisch nicht vorhanden. Im Schnitt ist definitiv überhaupt keine Spur irgendeiner Farbveränderung zu erkennen. Die einzige ernsthaft nennenswerte Reaktion zeigt sich beim Reiben der äußeren unteren Stielhälfte bzw. Richtung Basis - hier ist ein schwaches, mehr in Richtung orange gehendes, Röten zu erkennen
- KOH 20 % bringt an keiner Stelle irgendeine Farbveränderung, max. in der Stieltrama im oberen Stielbereich vielleicht ein ganz minimales Gilben, aber auch das ist schon fast Einbildung
- Geruch würzig-/champignonartig, vielleicht auch etwas anisartig, allerdings mit ganz leicht unangenehmer, würde sagen etwas metallischer Note. Nicht widerlich, aber schon schwach unangenehm. Allerdings überall gleich, also nicht in der Basis ausgeprägter als anderswo am Fruchtkörper.
- Geschmack ähnlich wie Geruch. Das leicht unangenehm metallische bleibt erhalten und man tendiert beim Probieren eher zum Ausspucken als zum Verzehren (was auch tatsächlich so passiert ist).
- Lamellen jung weiß bis blassrosa und auch reifere Exemplare haben eher rotbräunliche Lamellen. Eine tiefdunkle Lamellenfärbung konnte ich auch bei den größten und reifsten Fruchtkörpern nicht feststellen (was nicht heißt, dass eine schwarzbraune Färbung bei ganz alten FKs nicht eintritt, aber zumindest bleiben die Lamellen relativ lange eher hell bzw. schönrosa/-rötlich).
- Der Ring ist nach oben abziehbar, kann relativ breit und relativ weit unten am Stiel sein und besitzt unterseits ein "Zahnrädchen". Riefung ist nicht vorhanden.
- Sporenmaße eines mittelalten und eines älteren Fruchtkörpers von der 1. Fundstelle: 5-6,5x3-4
- Sporenmaße eines mittelalten Fruchtkörpers von der 2. Fundstelle: 5-6x3-3,5
(alle Fotos stammen von der 1. Kollektion)
Schon allein die sehr schmalen Sporen bei beiden Kollektionen sollten bspw. A. benesii und viele andere ähnliche Arten ausschließen. Am ehesten käme ich hier noch auf A. silvicola oder A. xanthoderma, aber mangels des bei durchgehend allen Fruchtkörpern beider Kollektionen zuverlässigen Merkmals des fast vollständigen Fehlens jeglicher Verfärbung (und wenn, dann eher noch ein Röten denn ein Gilben Richtung Stielbasis, siehe Bild 4 links) schließt sich das eigentlich auch aus, wobei für letzteren auch die Hutform nicht passen würde.
Daher lande ich immer wieder bei A. silvaticus var. pallidus und o. g. Problem des unangenehmen Geschmacks, den ich bei A. silvaticus nicht habe. Aber wie bei der im Eingangspost verlinkten Seite scheint das gleiche Phänomen ja auch schon mal jemand anders beobachtet zu haben. Nur finden sich zu dieser Varietät kaum Informationen. Auf dieser Seite (agaricus_silvaticus_var_pallidus.pdf) ist zumindest auch davon die Rede, dass der Fruchtkörper, im Gegensatz zur Haupterscheinungsform, nicht gilbt - wobei bei einer Var. von A. silvaticus eher interessant wäre, inwieweit er rötet, aber nun gut. Zumindest scheint auch dort, anders als bei A. silvaticus, keine Farbveränderung festgestellt worden zu sein.
Da ich nun auch nach der 2. Kollektion immer noch auf dem gleichen Schlauch stehe freue ich mich über jeden Input, den ihr mir hier geben könnt.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende allen Pilzfreunden