Hallo,
am Pfingstsonntag war ich zusammen mit Bernd (Felli) auf der Ostalb, um dort die Flechten auf den Karbonatfelsen der Umgegend zu begutachten.
Leider war das Wetter an den Vortagen und am Ausflugstag selbst recht regenreich, wodurch die Flechten bis auf wenige Ausnahmen stark durchnässt und dadurch schwer zu erkennen waren.
Dennoch konnten wir einige schöne Funde machen, darunter auch einige Perser, wie Synalissa ramulosa, Bacidia bagliettoana, Acarospora claucocarpa und Rinodina lecanorinum.
Agonimia vouauxii hatte ich in den Alpen schon einmal gefunden, jetzt auch auf der Ostalb.

Bild 1 An derartigen Kalksteinaufschlüssen lebt eine große Vielfalt an Krusten- und Cyanoflechten. Sie bei Regenwetter zu finden ist eine Kunst, die ich noch verfeinern muss.

Bild 2 Pyrenodesmia chalybaea (aus dem Dunstkreis der grauen Caloplacen) ist an dem dicken, kreidig-weißgrauen Thallus, dem dunkeln Prothallus und den dichtstehenden, eingesenkten, braunen Apothecien mit Thalluskragen kenntlich.
Das gezeigte Exemplar ist während einer Regenpause gefunden, trocken und daher gut anzusprechen.
Um die Schwierigkeiten des nassen Wetters zu verdeutlichen, folgt ein Foto einer durchweichten Krustenflechte, die ich ebenfalls der Art Pyrenodesmia chalybaea zuordnen möchte.
Die Kruste ist nass dunkelgrün, hierdurch schwerer zu sehen, geschweige denn anzusprechen!

Bild 3 Durchweichte Krustenflechte, eventuell ebenfalls P. chalybaea.
Im nassen Zustand leuchten die Photobionten durch den nassen Cortex und verändern den typischen Farbeindruck der Flechte sehr stark.
Zudem kann die dunkle, grünliche Flechte sehr leicht übersehen werden.

Bild 4 Von dieser Protoblastenia mit orangebraunen Apothecien habe ich keine Probe genommen und später bereut.
Auffällig ist der dünne, cremefarbene, vermutlich endolithische Thallus, was etwas gegen die häufige P. rupestris (vgl. Bildeinsatz) spräche.
Die verwandte Protoblastenia calva wäre hier eventuell eine gute Option.

Bild 5 Eine Schuppenflechte, die uns häufig begegnete: Nass und grün, ein kleines Stückchen weiter (rechts im Bild) oberflächlich trocken, grau und weiß bereift.
An einer weiteren Stelle bildete die Flechte in die Schuppen eingesenkte Apothecien (Bildeinsatz), die im nassen Zustand leuchtend rot waren.
Die Asci sind sehr vielsporig (>100 Sporen) und lasst sich zu Acarospora glaucocarpa bestimmen.

Bild 6 Eine schöne schwarz-graue Krustenflechte mit reichlich Apothecien. Noch unbestimmt... => Rinodina lecanorinum mit sehr typischen Sporen:

Bild 6s: Sporen von Rinodina lecanorium

Bild 7 Dermatocarpon miniatum ist eine pyrenocarpe, genabelte, calcicole Blattflechte.
Hier völlig durchweicht und vom Wasserfilm an das Substrat geklebt.
Der Bildeinsatz zeigt ein Exempla im trockenen Zustand.

Bild 8 Auf Kalkstein, an feuchteren Stellen häufig zu finden, ist Gylecta jenensis mit ihren schüsselförmigen Apothecien.
Die Apothecien sind orange, die vertieft sitzende Scheibe ist dunkler orange.
Der Thallus ist von Cyanobakterien überwachsen und dadurch schwarz gefärbt.
Dafür ist der Algenpartner Trentepohlia ebenfalls orange.
Auch die Paraphysen leuchten im Mikroskop schön goldgelb bis orange. 

Bild 9 Eine gequollene Gallertflechte (Lathagrium) mit reichlich Apothecien.
Das müsste man mal trocken sehen. Eventuell L. polycarpon?

Bild 10 Auf einer klatschnassen Schrägfläche polsterförmige Krusten mit warziger Oberfläche, in welchen ich Apothecien vermutete.
Im trockenen Zustand ist ein kleinstrauchiger Bau mit braunen Ästchen erkennbar.
Die Apothecien sind endständig mit einer porenförmigen, später etwas weiteren Öffnung und einem dickem, schwarzen Thallusrand.
Die Asci sind typ. 24-sporig mit 1-zelligen, breit elliptischen bis subglobosen Sporen.
Die Cyanoflechte beherbergt Bkterien der Gattung Gloeocapsa, die frei in großen, bunten Gallertklumpen leben.
Im Inneren dieser Flechte kommen diese Cyanobakterien nur einzeln oder in sehr kleinen Gruppen vor.
Auf der Oberfläche der Flechte hingegen leben die gleichen Bakterien in typischen violetten oder roten Gallertkugeln.
Daher wirkt die Oberfläche der Flechte in trockenen Zustand etwas rau.
Mithin eindeutig eine Synalissa ramulosa. Diese Art hatte ich schon lange gesucht...

Bild 11 Bilimbia sabuletorum lebt im Moos über Kalkfelsen und zeichnet sich u.a. durch dicke querseptierte Aporen aus...

Bild 12 ... während der mögliche Verwechslungspartner Bacidia bagliettoana sich u.a. in dem Bau der Sporen deutlich von B. sabuletorum unterscheidet.
Ferner sind die Apothecien bei dieser Bacidia flach, lange berandet und glänzend. (Etwas mehr hierzu hier.)

Bild 13 Ebenfalls auf Kalkstein lebt diese schöne Kruste mit Randloben und braunen aufsitzenden Apothecien.
Sie kommt mir vertraut vor, aber man müsste sie halt trocken sehen...

Bild 14 Felswand und Steinschutt - Krusten und Cladonien

Bild 15 Ziemlich sicher Kalkstein, deshalb vielleicht etwas untypisch; vom Wuchs her, mit den konzentrisch angeordneten Apothecien, könnte dies eine Porpidia, z.B. Porpidia crustulata, sein.
Der Stein lag im Halbschatten unter locker wachsenden, jungen Bäumchen, was passen würde.

Bild 16 Keine Flechte, sondern "nur" eine große Cyanobakterienkolonie im Moos. Im trockenen Zustand wahrschienlich nicht weiter auffällig.

Bild 17 Die Krustenflechte ist sehr auffällig blaugrün (Bildeinsatz), was hier im Foto kaum zu erkennen ist. Leider habe ich keine Probe mitgenommen.

Bild 18 Ebenfalls im Halbschatten zwischen den Bäumchen gedeihen diese Becherflechten mit sprossenden Becherrändern und braunen Apothecien. Becherflechten gibt es viele, ohne weitere Analysen bleibt die Bestimmung offen.

Bild 19 Im besonnten Teil des Areals wachsen größere Bestände von Peltigera rufescens und Cladonia symphycarpa (Bild). Diese Cladonienart bildet am Fundplatz jeweils viele Quadratmeter große, zusammenhängende Bestände.
Diese Cladonieart bildet kaum jemals Podetien und Apothecien.
Schwarze Pyknidien auf der Oberseite der Grundschuppen sind zahlreich vorhanden.
Die Grundschuppen sind länglich und tief eingeschnitten, sie steigen steil empor.
Die Schuppen sind äußerst brüchig, selbst in feuchtem Zustand.
Ein Merkmal ist die K+ gelbe, an den Schuppenrändern auch K+rote Reaktion (Bildeinsatz).

Bild 20 Cladonie

Bild 21 Von Cladonia rangiformis ("Falsche Rentierflechte") hätte ich hier erwartet, mehr vorzufinden.
Sie war vor Ort nur in realtiv kleinem Bestand anzutreffen.
C. rangiformis ist gut ansprechbar durch die kleinen Schüppchen an den Podetien (Bildeinsatz).
Typisch sind ferner die braunen Spitzen und das grün-weiße oder braun-weiße Giraffenmuster der Podetien.

Bild 22 Keine Flechte, aber die orangen Trentepohlia-Puschel erfreuen mich jedes Mal, wenn ich sie finde!

Bild 23 Dieser Winzling ist erst unter dem Stereomikroskop zu entdecken, hier auf dem Thallus einer Peltigera rufescens.
Der hier angefeuchtete Thallus besteht aus kleinen grünen Körnern (100-200µm), die auf dem Substrat anhaften.
Die schwarzen kugelförmigen Perithecien (um 200µm klein) mit einer etwas in die Länge gezogenen Mündung gehören zur Flechtenart Agonimia vouauxii.
Die farblosen, gemauerten Sporen sind reichlich groß (bis über 150µm lang) für diese kleine Flechtenart und erinnern mich wegen der Vielzahl an Zellen an kleine Maiskolben.
Das Hymenium ist hemiamyloid und reagiert entsprechend J+rot, die Sporen sind J-, sie verfärben sich ledigleich gelb (Bildeinsatz).

Bild 24 Eine wassergesättigte Lathagrium fuscovirens, auf Kalkstein. Im feuchten Zustand sind die kugelförmigen Isidien schön zu erkennen. Der Thallusrand ist wellig verschlungen und aufsteigend.
Ein sehr schöner Ausflug - trotz zeitweiligem Regen. Und die Regenpausen sind auch nicht so langweilig, wenn man zu zweit unterwegs ist. Felli, wir sollten das bei Gelegenheit sehr gerne wiederholen!
LG, Martin