Glück auf
Da mein erster Beitrag so viel Anklang gefunden hat und ich grad bissl Leerlauf habe, kann ich ja schonmal den zweiten Beitrag einstellen
Als ich 2021 wieder nach Schneeberg gezogen bin (ich bin hier geboren, aber meine Eltern zogen weg, als ich ca 1 Jahr alt war), war für mich sofort klar, das ich mich gerne dem Schnitzhandwerk widmen möchte. Ich habe schon viel handwerkliches und Bastelei probiert, aber ans Schnitzen hatte ich noch nie rangetraut. Zum einen hätte ich keinen gehabt, der es mir hätte beibringen können, zum anderen hätte ich einfach viel zu wenig Ahnung gehabt was ich brauche usw. Also habe ich mich informiert, wo der nächste Verein ist. Siehe da, gleich bei mir um die Ecke (Luftlinie keine 50m ). Normalerweise fängt man im Erzgebirge schon sehr zeitig mit dem Schnitzen an. Mein Cousin begann mit 7 Jahren, da die Schnitzschulen den Nachwuchs schon sehr zeitig ranführen. Ich hatte als Kind im Vogtland diese Möglichkeit leider nicht. Ich nutzte den Bergstreittag in Schneeberg aus, um mal um die Ecke beim Schau-Schnitzen reinzuschauen. Ein herrlicher Geruch empfing mich im Haus schon und dann eine gemütliche Stube mit Werkbänken und 4 älteren Herrschaften in Schürze. Das Bier auf der Werkbank und schön ins Gespräch vertieft. Ich wurde mit meinem Anliegen sehr herzlich aufgenommen und wir verabredeten uns für den Herbst (Bergstreittag ist ein lokaler Feiertag in Schneeberg und geht auf den ältesten Streik in Europa zurück. 1496 sollte der Lohn der Bergarbeiter gekürzt werden, nachdem die Silbervorkommen in Schneeberg zurückgingen. Die haben sich kurzerhand bewaffnet und die Lohnkürzung abgewendet. Und das wird jedes Jahr in Schneeberg mit u.a. einer großen Bergparade und einem Berggottesdienst gefeiert. Der Bergstreittag ist immer am 22.7., also mitten im Sommer).
So bin ich dann am 1.9. rüber in den Verein und war sehr gespannt, was mich erwartet. Es waren noch mehr ältere Herrschaften da Aber auch ein paar jüngere, so in meinem Alter (um die 40). Dann wurde ich vom Chef rumgeführt und vorgestellt und an eine Werkbank gesetzt. Ich bekam ein Schnitzmesser in die Hand und mein erstes Werkstück:
Andy zeichnete mir eine Linie an dem quaderförmigen Mittelteil an, zeigte mir, wie ich das Messer halten und führen muss und los ging es. Ca 3mm Holz auf der glatten Fläche abtragen. Ich natürlich sofort losgelegt, woraufhin Andy mich fragte: „Sag mal, arbeitest Du irgendwo in der Produktion und musst Stückzahlen machen ? Wir sind hier gemütlich im Verein, hier gibt es keinen Stress!“
Als ich das zweite Mal zum Verein eine Woche später ging, wartete bereits mein erster Rohling auf mich. Der „Tannenbaum“ ist so das Standard-Erstprojekt eines jeden Schnitzers hier. Vom Rohling selbst habe ich leider kein Foto, aber von meinen ersten Schnitten daran schon. Der Baum ist quasi grob eckig ausgesägt. Erste Aufgabe: alle Ebenen zu Kegeln schnitzen:
Achja, ich hab das Teil nicht so schief ausgeschnitten
Anschließend wird der Stamm rundgeschnitzt:
Hier habe ich dann auch schon meine ersten eigenen Ideen umgesetzt, nämlich die Gestaltung der Wurzeln. Nächster Schritt: mit dem Gaissfuss die einzelnen Zweige anlegen. Man fängt immer auf der untersten Ebene an und arbeitet sich dann langsam nach oben. Nach oben wird nämlich alles filigraner und man kann, vor allem an der Spitze, auch nicht soviel Kraft drauf geben, da sonst die Spitze abbricht.
Stück für Stück nach oben:
So hangelt man sich langsam nach oben:
Anschließen werden, ebenfalls mit dem Gaissfuss, die Zweige weiter gestaltet. Hier sollten sich bereits zwei wichtige Dinge zeigen: erstens ich neige zur Perfektion, die bei Darstellung von natürlichen Dingen wie Bäumen mit durchaus im Wege stehen kann. Zweitens, ich mags gern filigran
Auch das bis ganz oben hin:
Dann habe ich mich nochmal an Stamm und Wurzeln gemacht:
Die Unterseiten der Zweige müssen auch noch verputzt werden:
Und dann, nach gut einem halben Jahr, war mein erstes Bäumchen endlich fertig:
Zitat von unserem Schnitzmeister (nicht der Schnitzlehrer!): „Der Baum sieht absolut unnatürlich aus, aber die Wurzeln reißen es echt raus!“ Da hat er ja nicht ganz unrecht.. ich habe mich jedenfalls sehr gefreut und war stolz wie Bolle
Soviel zu meinem Baum
Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende und bis bald,
Corne