Zitat von Thomas
Bei Bulliard könnte sehr wohl der Eichen-Filzröhrling dargestellt sein, es könnte aber tatsächlich auch eine andere Art aus dem chrysenteron-rubellus-Komplex sein
Hallo Thomas,
nach dem heutigen Kenntnisstand ist das zu verneinen. Wenn man Bulliards Tafel nämlich genau ausdeutet, können alle anderen in Frage kommenden Sippen ausgeschlossen werden:
- moravicus, ferrugineus (Hutfleisch nicht blauend)
- subtomentosus (Poren viel leuchtender gelb)
- chrysenteron (Hutfleisch nicht blauend, andere Hut- und Stielfarben)
- cisalpinus (Hut schon jung rissig, Stiel zur Basis rotflockig, Hutfleisch blasser u. i.d.R. nicht blauend)
- pruinatus (andere Farben/Habitus, v.a.Stiel kräftiger gelb)
- porosporus (andere Hut- und Stielfarben)
- ripariellus (andere Stielfarben: oben gelb, zur Basis rot)
- armeniacus (kräftigerer Habitus, Hutfarbe heller, mehr orange)
- rubellus (Hut jung satt rot)
(Es sind die jeweils typischen Aspekte der Arten zugrunde gelegt)
Es bleibt nur die fragliche Art übrig, deren recht häufiger, schlanker "Wiesen-Aspekt" sehr treffend dargestellt ist: rötlichbrauner, glatter, bisweilen rissiger Hut, trübgelbe Poren, hellgelber, von der Spitze her rötlich längsstreifiger Stiel, Basis gelb, ausspitzend, Hutfleisch hellgelb, mäßig blauend).
Ich halte Bulliards communis-Tafel - für das späte 18. Jh. - nicht für "exceedingly poor" und auch nicht für siginifikant schlechter als seine anderen, von Fries sanktionierten (vgl. z. B. scaber, aurantiacus). Dass der karottenrote Anschitt bei Bulliard nicht dargestellt ist (bei Engels "quercinus" in der Erstbeschreibung 1989 übrigens auch nicht vermerkt!), ist allenfalls bedauerlich, doch ist die Art als solche dennoch kenntlich. Martins Tafel zeigt dieses Merkmal zwar, aber die Qualität seiner Darstellung (z. T. völlig atypische Monstrositäten) ist ansonsten durchaus fragwürdig. Letztlich ist es Geschmackssache, ob man Bulliards oder Martins Tafel für aussagekräftiger hält. Weil das aber nomenklatorisch irrelevant ist, hat der ältere Name Priorität und Bulliards Tafel als Typus zu gelten.
Das Epithet communis ist auch kein nomen dubium, denn es wurde in der Vergangenheit nicht über einen längeren Zeitraum für eine andere Art verwendet (nur sporadisch wurden die - damals noch als Sammelarten verstandenen - subtomentosus und chrysenteron damit belegt), spätestens seit der 2. Hälfte des 20. Jh. aber gar nicht mehr. Der Name ist somit auch formal "frei" für die fragliche, bis dahin unerkannte Art.
Es ist bedauerlich, dass Watling erst jetzt (2004/05) mit der Martinschen Neukombination ankommt. Er hätte Zeit und Gelegenheit genug gehabt, seinen Standpunkt in die europaweite Nomenklaturdiskussion einzubringen, denn dass declivitatum als Name in Frage kommt, war schon länger bekannt (nicht erst durch ihn). Evtl. war seine primäre Motivation, Martins Namen aus formalen Gründen auf Artrang zu heben (und dann freilich seinen eigenen Namen mit zu verewigen). Dennoch ist es ein Alleingang, der dort wieder Verunsicherung schafft, wo sie mit guten Argumenten und breitem Konsens ausgeräumt war, und der Stabilisierung der Nomenklatur einen Bärendienst erweist. Ich für meinen Teil werde bis auf Weiteres am Namen communis festhalten.
Viele Grüße, Jürgen