Schlechtes Wetter ? Hmmm....
Man geht los, den Korb in der Hand, leichtes Regenzeug und Gummiestiefel. Man kommt im Wald an, steht vor der Fichtenschonung, überlegt kurz....und kriecht rein. Recht schnell lernt man, dass Regenwasser nicht immer den Boden erreicht, sondern literweise an Zweigen hängend auf arglose Pilzsucher lauert.
Die bist an die Knie reichenden trockenen Äste der Fichten und gelegentliche Brombeerranken sind so nett, die Kaputze alle paar Schritte vom Kopf nach hinten zu streifen, sodass Wasser und Tannennadeln einen Weg vom Nacken auf den Rücken finden. Aber die Tannennadeln haben es nicht einfach, denn die Nässe lässt sie auf der Haut kleben, eine pieksende Panade im Nacken und Gesicht bildend.
Bald gibt man sich geschlagen im Kampf um die Kaputze, lässt sie einfach hinten runter hängen, nutzt ja eh ´nix.
Dann der erste Steinpilz. Faustgroß, dicht am Stamm der jungen Fichte. Runter suf die Knie. Man lernt, dass ein großer Teil des Regenwassers doch auf die Erde kommt. Die Knie sind sofort patschnass, macht nix.
Den Steini angefasst - glitschig ist er von der Nässe, das Messer angesetzt, ein Schnitt und er ist mein. Stiel kontrollieren, Maden über Maden. Schade aber auch.
Noch kniend wandert der Blick umher. Da hinten, noch mehr Steinpilze. Verdammte Brille. Man lernt, dass Wasser sich nicht nur an Zweigen festklammert, den Boden tränkt, sondern auch als Dampf die Brille von Innen beschlagen lässt. Abbutze also, nutzt aber nicht viel.
Also hin zu den erkannten Steinpilzen. Klar stehen die in einer Festung aus vertrockneten Brombeerranken. Egal, durch.
Fluchend, kriechend, stolpernd, halbblind erreicht man das Objekt seiner Begierde. Erst mal Brille abbutze. Zum 78ten mal in 5 Minuten.
Die abbutzte Brille offenbart es dann. Keine Steinis, sondern Perlpilze. Jung und fest, sehr stämmig. Auch nicht schlecht. Ein etwas älteres Exemplar genauer betrachtet. Keine Riefen in der Manschette, Der Hutrand gerieft. Da muss man gar nicht mehr nach einer rosafärbung suchen. Die bleiben stehen, der Weg war vergeblich.
Zurück aus dem Verschlag gehts nur Rückwärts.
Erwähnte ich die Brombeerranken ? Die erste zieht die Regenjacke in Richtung Nacken. Die zweite das Shirt und die dritte verpasst mir eine temporäres Arschgeweih. Brombeertattoo ohne Tinte.
Man robbt, kriecht, kämpft sich zu einer kleinen Lichtung. Jetzt erst mal, die Garderobe wieder hergestellt. Shirt in die Hose, Regenjacke geordnet, Tannennadeln abgewischt ( klappt nur sehr begrenzt ) und Kaputze wieder auf.
Dabei lernt man, das Wasser nicht nur an Tannenzweigen hängen bleibt, den Boden tränkt oder als Dampf die Brille erblinden lässt, sondern sich auch in wasserdichten Gefäßen, Mulden, Bechern, oder eben einer Kaputze, sammelt. Die kleine Kopfdusche ist erfrischend.
Man denkt so langsam ernsthaft über die Anschaffung eines Astronautenanzugs nach.
Eine halbe Stunde und ein paar leckere junge Steinis später, kriecht man aus der Schonung. Man steht auf dem Weg, versucht sich halbwegs zu säubern. Der Korb ist voll....mit Tannennadeln. Also alle Pilze raus und den Korb erstmal grob gereinigt. Die Pilze abgewischt und zurück in den Korb. Weiter gehts.
Ein paar Pfifferlinge würden jetzt noch gut passen. Der einsetzende Starkregen passt weniger, aber egal.
Die Regenjacke ist gut, sie ist dicht. Man ist trotzdem klatschnass. Eine Mischung aus Wasser, welches in der Schonung in den Nacken gelaufen ist und Schweiß ob dem anstrengenden kriechen. Die Knie sind ebenfalls gut befeuchtet, aber die Socken und die U-Hose sind noch trocken. Prima.
So wandert man durch den Regen. Das blöde an wasserdichten Regenjacken ist, dass sie nur bis knapp über den Hintern reichen. Ab da saugt die Hose das abtropfende Wasser blitzschnell auf. Sind die Beine vom Popoansatz bis zum Stiefelschaft so richtig nass, lernt man den sog. Kapillareffekt kennen.
Das Wasser stets nach unten strebt ist hinlänglich bekannt und wird schon dadurch bewiesen, dass es an den Hosenbeinen entlang den Weg in die Stiefel findet. Aber dieser ominöse Kapillareffekt lässt es eben auch nach oben klettern und das Gesäß und somit die Unterhose erreichen. Man beginnt zu begreifen, dass man eigentlich auch in T-Shirt und kurzer Hose (Nur Badehose würde auch gehen, könnte aber für Gesprächsstoff bei den Nachbran sorgen) hätte losgehen können.
Bald darauf ist die Pfifferlingsstelle erreicht. Ein ziemlich steiler Hang um dn zu erreichen, man einen ca. 3 Meter tiefen Graben durchqueren muss. Auf der einen Seite runter, auf der anderen wieder hoch. Steil, sehr steil. Aber das wird schon gehen.
Runter geht auch, Prima sogar. Es bedarf nur eines Schrittes, den Rest macht der glitschige Boden ( man lernt, dass Wasser aus Dreck Schmierseife machen kann) und die Schwerkraft. Den Pilzkorb geistesgegenwärtig in die Höhe gestreckt, damit dem wertvollen Inhalt ja nichts passiert, schlittert man in halb liegender Stellung in den Graben.
Was im Wald die Brombeerranken erledigen, schafft hier der Reibungswiederstand. Regenjacke und Shirt werden nach oben gezogen. Das Brombeerarschgeweih liegt frei und huminöses Substrat verteilt sich auf dem ungeschützten Rücken. Gleichzeitig werden noch zwei,drei lose in der Haut steckende Brombeerdornen sicher darin verankert.
Nun ist man also unten und macht sich Gedanken über den Aufstieg.
Man rutscht, macht drei Schritte hoch und zwei runter. Die freie Hand sucht verzweifelt nach Halt, entwurzelt ein paar Hainbuchenschößlinge, greift nach einer Himbeerute, lässt die wieder los, denn auch die haben Stacheln, und krallt sich schließlich in den Boden.
Nun lernt man den Umkehreffekt.
Während es beim Abstieg in aller Regel der erste Schritt ist, der zum abrutschen und runterschlittern führt, ist es beim Aufstieg meist der letzte. Das Ergebnis ist aber im Prinzip das gleiche, nur dass diesmal die Vorderseite mit Dreck beschmiert ist und der Korb beim Rutschen nach hinten oben gehalten wird.
Man ist also wieder unten im Graben, ordnet die Kleidung erneut und putzt die Brille. Die mitgeführten Taschentücher haben inzwischen ihren Wassersättigungsgrad erreicht. Zwar kann man den Beschlag entfernen, aber es bleiben dicke Wasserstreifen. Ein Interessante Erfahrung, weil der Blick durch die Brille dem durch ein Kaleidoskop gleicht. Alles ist verschwommen und verzerrt. Verzweifelt gilt die Suche nach dem letzten trockenen Faden an der Kleidung um damit Klarsicht herzustellen. Vergeblich.
Muss halt so gehen.
Drei Abrutsche später hat man dann den Grat des Grabens ereicht. Was man vermeintlich als Sphäenklänge zu vernehmen glaubt, als Glorientusch zur Erstürmung des Gipfels, stellt sich dann doch nur als der eigene, pfeifende Atem heraus.
Aber Pfifferlinge sind da. Hurra.
Schnell eine Portion gesammelt und zurück. Ja, man muss wieder durch den Graben. Und ja, es ist die exakte Wiederholung des Disasters vom Hinweg.
Irgendwann steht man dann vor der Haustüre. Ausziehen sollte man sich im Keller oder notfalls draußen, weil Frau inder Zwischenzeit geputzt hat. Schnell unter die Dusche, welch ein Hochgenuss. Trocken und sauber gehts es daran die Pilze zu putzen und ein schönes leckeres Essen zu bereiten.
Ja, es war schlechtes Wetter. Ja, es war anstrengend. Aber es war auch schön, hat Spass gemacht. Keine Konkurrenz im Wald, keine Spaziergänger. Nur der Wald, die Pilze, der Regen und Ich.
Bekloppt, aber glücklich.