Lieber Dirk,
da ich keine Zeit für eine kurze Antwort habe, hier eine lange (*)
Was die Fachleute nutzen, weiss ich nicht. Ich habe nur Vorkenntnisse von den gängigen Pilzen, gelegentlich gelingt es mir auch, etwas spezielleres zu bestimmen, wenn es keine Doppelgänger gibt.
Meine erste Erwerbung vor einigen Jahren lag im modernen Antiquariat der Wohlthatschen Buchhandlung, weit unter dem Normalpreis. Ich meine ich hätte für die Bände 1+2 ca 10 Euro gezahlt.
1.) Verbreitungsatlas der Großpilze Deutschlands (West) : [im Rahmen des Artenschutzprogramms Baden-Württemberg]
/ Krieglsteiner, German J. . - Stuttgart : Ulmer 1991-1993. 3 Bände.
Warum kaufe ich so was? Es ist manchmal hilfreich, nach einer versuchten Artbestimmung nachzuschauen, wo der Pilz in dem Atlas vertreten ist. Wenn es nur ein paar Fundpunkte in den Alpen gibt und man sitzt in Niedersachsen, dann hat man sich möglicherweise geirrt.
Die Kartierung von Pilzen ist natürlich deutlich schwieriger, als die von Gefäßpflanzen oder Moosen und Flechten, da die Fruchtkörper oft nur kurze Zeit zu sehen sind. Außerdem weisen sie nicht nur das Vorkommen der Pilze nach, sondern auch das der Pilzbestimmer / Mykologen, die an dem Werk gearbeitet haben. Beim Verbreitungsatlas der Moose gibt es zum Beispiel in Bereichen von Mittelhessen auffällige Lücken, die nicht sehr wahrscheinlich sind, da die Art sonst fast überall vorkommt.
Außerdem ist nicht jeder, der Pilze bestimmen kann, ein Spezialist für alle Gattungen. Das ist auch bei Gefäßpflanzen so: es gibt viele, die eine gute Artenkenntnis haben, aber um Habichtskräuter, Rosen oder Brombeeren (diese mit ca 200 Kleinarten) einen Bogen machen.
Ein schönes Beispiel, wo die Dichte der Spezialisten den Atlas dominiert, ist der Band mit den Schlauchpilzen. Bei sehr vielen Arten gibt es nur ganz wenige Nachweise in Deutschland. Bei den Schlauchpilzen erfüllt der Verbreitungsatlas nicht den Zweck, den die Atlanten sonst haben, außer, dass er auf die mangelnde Artkenntnis hinweist.
Eventuell gibt es aber auch einen Verbreitungsatlas für Dein Bundesland oder eine kleinere Region. Es gibt z.B. einen Verbreitungsatlas der Flechten des Odenwaldes.
2.) Die Klassiker, ursprünglich aus "Gams: Kleine Kryptogamenflora" bzw. daraus hervorgegangen:
a) Röhrlinge und Blätterpilze
Röhrlinge und Blätterpilze in Europa : Bestimmungsschlüssel für Polyporales (p.p.), Boletales, Agaricales, Russulales / Egon Horak
6., völlig neu bearb. Aufl., fußend auf Moser, 5. Aufl. (1983): Kleine Kryptogamenflora, Bd. 2, Teil b2
München [u.a.] : Elsevier, Spektrum, Akad. Verl., 2005. - XVII, 555 S.
und
b) Nichtblätterpilze etc
Die Nichtblätterpilze, Gallertpilze und Bauchpilze : Aphyllophorales, Heterobasidiomycetes, Gastromycetes / von Walter Jülich.
Jena : Fischer 1984. - 626 S.
(Kleine Kryptogamenflora ; Bd. 2, Teil b, Teil 1)
Das sind die klassischen Bestimmungsbücher für Experten, es geht schon ziemlich früh im Schlüssel mit der Mikroskopie und Chemie los. Der HORAK ist sehr knapp gehalten, viele Kürzel. In den Jülich habe ich noch nicht so oft geschaut. Er hat natürlich den Nachteil, dass die Artnamen sich in der Zwischenzeit geändert haben können.
Die Bände sind auch für den Nicht-Mikroskopiker nützlich, da man oft schon mal abschätzen kann, wie viele ähnliche Arten es gibt, beispielsweise dass der Karbolegerling zu einer Gruppe von ca 5 ählichen Pilzen gehört.
3.) Die Großpilze Baden-Württembergs
/ Krieglsteiner, German J. . - Stuttgart (Hohenheim) : Ulmer
Bisher sind 5 Bände erschienen, wobei die ersten vier in diesem Frühjahr etwa zum halben Preis im modernen Antiquariat oder im Versandbuchhandel zu bekommen waren. Normalerweise kosten die wunderschönen Bände aus Baden-Württemberg um die 50 Euro, was in Bezug auf die Ausstattung nicht zu viel ist, aber halt nicht für jeden Geldbeutel geeignet. Enthält auch Bestimmungsschlüssel, wobei leider die Eigenschaften aus dem Schlüssel oft nicht noch mal bei der Art wiederholt werden. In manchen Bänden hätte ich mir auch mehr Bilder gewünscht. Das ist halt das Problem, wenn die Kosten nicht ausufern sollen trotz der Wünsche, die die Leser und vermutlich auch die Autoren haben.
Das Buch ist wie die anderen Bänden aus den Baden-Württembergischen Reihen (Flechten, Moose, Schmetterlinge etc) auch in anderen Regionen brauchbar, auf jeden Fall in den Mittelgebirgsbereichen.
4.) Kein Bestimmungsbuch, aber für mich eines der nützlichsten "Bilderbücher", weil viele Arten vorkommen, die in den gängigen Bild-Bestimmungsbüchern für Anfänger fehlen:
Der neue Kosmos-Pilzatlas : über 1000 Fotos
/ Laux, Hans E. . - 1. Aufl. - Stuttgart : Kosmos, 2002
Ich meine die Ausgabe im Großformat, die ich auch nur antiquarisch bekommen habe. Trotz Internet finde ich das Buch sehr nützlich, da die Arten nach der Systematik zusammen stehen.
Die meisten dieser Bücher sind zur Zeit nicht im normalen Buchhandel zu bekommen, sondern nur antiquarisch, z.B. bei ZVAB , dem gemeinsamen Portal von Antiquariaten, das ich am liebsten benutze, oder booklooker und anderen.
Auch spezialisierte Versandbuchhandlungen + Antiquariate sind hilfreich, z.B. Kleinsteuber
Man sollte nicht jeden Preis zahlen, sondern ruhig einige Zeit den Markt beobachten. Das Buch von Jülich habe ich sehr günstig für 10 Euro + Versand bekommen.
Leider gibt es anscheinend nicht so was wie den "Rothmaler" für die Gefäßpflanzen oder den Frahm / Frey für Moose bzw. Wirth für Flechten. Das kann auch daran liegen, dass es immer weniger Wissenschaftler gibt, die das Gesamtgebiet überblicken, oder auch daran, dass immer weniger Verlage bereit oder in der Lage sind, so ein Vorhaben zu stemmen.
In einem anderen Beitrag im Forum stand ja auch, dass vor allem Bücher zu Gattungen oder Familien erscheinen, was aber schon ziemlich viel Vorwissen voraussetzt. Ich habe mir das Buch von Christian über die Gattung Ramaria per Bibliotheks-Fernleihe bestellt. Das Buch ist beeindruckend, sicher auch seinen Preis wert, wenn man die Anzahl der potentiellen Kunden betrachtet. Aber das lohnt nur, wenn man zunächst einmal die nötige technischen + chemische Ausstattung hat.
So viel von einen Nicht-Experten.
Viele Grüße
Graubart
(*) Stammt nicht von mir, ich gebe es zu, aber ich finde es passend.