Servus Björn,
jetzt widerspreche ich dir partiell
Richtig ist, dass man zwischendurch mangels Wissens imperfekte Stadien von Pilzen als eigene, von den perfekten Stadien unbterschiedliche Arten aufgefasst hat, die teils auch im System entfernte ingeordnet wurden. Dass man davon Abstand gewinnen will, ist nachvollziehbar und richtig.
Man hat aber auch diese Gattungen, in denen man "imperfekte Stadien" zusammenfasste, anatomisch definiert. Kurz gesagt: die Form der Phialiden, der Konidienträger, der Konidien usw. war ausschlaggebend für Gattungskonzepte. Beispiele: Trichoderma, Aspergillus, Penicillium usw.
Diese Benennung nach anatomischen Merkmalen hat auch seine Vorteile - man kann diese Formgattungen gut erkennen. Und ja, man ist sie gewohnt.
Es ist ungewohnt, zu einer "Hypocrea", die gar keine "Trichoderma-Nebenfruchtform" besitzt, jetzt Trichoderma zu sagen (nur als hypothetisches Beispiel - ich weiß nicht, ob alle Hypocreae Trichoderma-Stadien besitzen). Ich fände es da einfacher, den ältsten Namen einer Teleomorphe als prioritär zu verwenden. Dann wäre es eine Hypocrea, die keine trichodermatoide Nebenfruchtform besitzt. Ein Pilz, ein Name wäre dann immer noch gegeben.
Manche Namen sind allerdings nicht so einfach. Was, wenn verschiedene Teleomorphe die gleiche Nebenfruchtform ausprägen und als solche nicht unterscheidbar sind (außer genetisch)? Dann könnte man den Namen der Nebenfruchtform weiter nutzen - aber eben nur als Bezeichnung für eine Sammelart.
Oder nimm Aspergillus:
Eurotium hat Aspergillus-Nebenfruchtformen, Petromyces ebenfalls. Nimmt man den Namen Apsergillus, weiß man nicht genau, welche Gattung im engeren Sinn gemeint ist bzw. man muss manche typischen Aspergillus-Arten in eine andere gattung stecken. Und bei den Aspergilli, bei denen keine Teleomorphe bekannt ist, nimmt man auch weiterhin den Namen der Anamorphe her. Wo wäre das Problem?
Oder Penicillium:
Chromocleista, Eladia, Eupenicillium, Torulomyces und Thysanophora haben Penicillium-Nebenfruchtformen. Fasst man alle fünf Gattungen zusammen (aufgrund von DNA-Stammbäumen), dann nimmt man halt den ältesten der fünf Namen. Und wenn sich zeigt, dass manche "Aspergillus-Arten" wie Aspergillus crystallinus, A. malodoratus und A. paradoxus auch da hinein gehören, dann gibt es eben auch "Aspergillus-Nebenfurchtformen" innerhalb der Gattung Chromocleista (oder welche auch immer die älteste ist). Das finde ich "schöner" als eine Aspergillus-Nebenfuchtform als Penicillium crystallinum zu bezeichnen.
Es ist praktikabler, die Nebenfruchtformen rein nach Formgattungen aufzugliedern. Und ja, man weiß dann, dass das nicht systematisch gemeint ist - davon gehe ich aus.
Die Doppelnomenklatur bleibt übrigens auch nach dem Umbruch. In Apotheken kauft man immer noch Secale cornutum und nicht Claviceps purpurea. Und in Mikrobiologielabors bleibt es dabei, auch dann Anamorphe als Namen zu verwenden, wenn die Teleomorphen älter als Name sind.
Die Frage ist, ob man bewusst in der Systematik eine Doppelnomenklatur fährt, was unsinnig wäre, oder in der Anwendung, wo es sinnvoll sein kann.
Mein Hauptargument gegen die Änderung im Code ist, dass so die alte Idee und Grundregel, die Benennung soweit möglich, stabil zu halten, also möglichst wenige nomenklatorische Änderungen zu bewirken, weiter in den Hintergrund gerät. Mir geht es dabei nicht um Namensänderungen aufgrund des Aufspaltens in mehrere Gattungen, weil sich das Wissen erweitert, sondern um die Stabilität der Namensgebung ohne Neuerungen, die auftreten.
Gerade Hypocrea ist hier für mich das Paradebeispiel. Es ist m.E. völlig unnötig, Hypocrea Trichoderma zu nennen. Lieber nenne ich Trichoderma-Arten Hypocrea, wenn die Trichoderma einer Hypocrea zuzuordnen ist. Und wenn nicht, dann den Formnamen Trichoderma, bis man's weiß.
Die Meinungen gehen hier auseinander, klar. Imperator ist aber ein hinkendes Beispiel, da es hier um eine Hauptfruchtform geht. Und dass große Gattungen zerpflückt werden, ist Folge des Wissenszuwachses.
Was ich mich da frage: muss man nicht die Gattung "Sclerotium Tode 1790" wieder auspacken? Der Gattungstypus ist Sclerotium complanatum, was heute als Typhula phacorrhiza var. complanata De Bary 1844 interpretiert wird?
Dir ist bewusst, dass alles, was Sklerotien bildete, mal da reingenommen wurde? Und dass man jetzt die gut definierte Gattung Typhula, Typus der Tyhpulaceae wegwerfen muss, und als Sclerotium bezeichnen muss? Und dass vermutlich manche Namen besetzt sind, weil es sehr viele "Sclerotium"-Kombinationen gibt?
Ich finde das absolut unnötig und überflüssig. One Fungus one Name geht auch mit Telemorphen. Und dann ist Typula immer noch Typhula. Und viele Namen bleiben stabil. So haben wir ziemliches Chaos. Unnötiges Chaos.
LG
Christoph