Liebe Forianer,
mir ist aufgefallen, dass hier nur sehr selten über Pilzseminare berichtet wird (oder ich habs übersehen).
Deshalb will ich mich mal an einem solchen Bericht versuchen.
Ich hatte 2016 das Privileg, gleich zweimal an Seminaren teilnehmen zu können. Weil es ansonsten ein sehr dürftiges Pilzjahr war, zählten die Seminare zu meinen persönlichen Highlights.
Das erste Seminar fand vom 1. bis 4. September im schönen Fachwerkstädtchen Hann. Münden statt. Genauer gesagt war es ein Doppelseminar: erst 2 Tage Milchlinge, dann 2 Tage Täublinge. Seminarleiter war Lothar Krieglsteiner.
Ich war schon oft in Hann. Münden, habe aber nie Fotos von der wunderschönen Altstadt gemacht
. Sigi hat mir deshalb mit offiziellen Fotos von der Stadt ausgeholfen
.
1a Die Stadt liegt am Zusammenfluss von Fulda und Werra (Foto: Photo Burkhard)

1b Daraus entsteht dann die Weser, was auf dem Weserstein poetisch festgehalten ist (Foto: Stephan Schmidt)

1c Die Altstadt ist ein einziges Fachwerkensemble - hier das Weserrenaissance-Rathaus (Foto: Stephan Schmidt)

Wenn die Stadt selbst schon einen Besuch wert ist, dann gilt das als Pilzfreund gleich doppelt, denn die Stadt ist ringsum von größeren Wäldern umgeben. Man findet sowohl saure wie auch kalkhaltige Böden und verschiedene Höhenlagen - beste Voraussetzungen also für ein Pilzseminar.
1d Übersicht über den Naturraum von Hann. Münden (Foto: Stadt Hann. Münden)

Wie Ihr Euch vielleicht erinnert: Anfang September war Hochsommer (heiß, kein Regen, nur Wüste). Dementsprechend waren wir Teilnehmer auch mit sehr begrenzten Erwartungen angereist, was frische Pilze betraf.
Meinem Freund Sigi (als Lokalmatador war er unser Pilzscout) war es zu verdanken, dass wir nicht ganz leer ausgegangen sind. Er führte uns am ersten Tag in das Ablaufgebiet eines Hochmoors; an den dortigen Rinnsalen war zumindest eine gewisse Grundfeuchtigkeit erhalten.
Lothar Krieglsteiner (LK) und Klaus Bornstedt (KB) haben mir dankenswerterweise ihre Fotos zur Verfügung gestellt; die Verwendung ihrer Fotos habe ich jeweils gekennzeichnet.
Nachdem am Vormittag Theorie angesagt war - insgesamt 140 (!) Folien zu den Milchlingen, verteilt auf zwei Vormittage - , ging es am Nachmittag auf Exkursion.
2 Und tatsächlich: da im Bachbett, das sieht doch aus wie ein Pilz?

Der erste schöne Fund:
3a (LK) Torfmoos-Milchling Lactarius sphagneti

3b (LK)

3c (KB)
Etwas tiefer im gleichen Bachbett dann der
4a (KB) Olivbraune Erlen-Milchling Lactarius obscuratus

4b (LK)

Wie in solch sauren und feuchten Gebirgslagen nicht anders zu erwarten, fanden wir im Moos den
5 Maggipilz (Bruchreizker, Filziger Milchling) Lactarius helvus

Am schwierigsten zu bestimmen sind ja immer diese kleinen, braunen Exemplare bei den Milchlingen.
Einer davon ist der
6 (KB) Flatter-Milchling Lactarius tabidus

Ein anderer kleiner Brauner ist der
7 Süßliche Buchen-Milchling Lactarius subdulcis

Neben den Milchlingen wurden natürlich auch die anderen Funde näher unter die Lupe genommen.
8 (KB) Prächtiger Flämmling Gymnopilus junonius

9 Glatter Becher-Schichtpilz Cyphellostereum laeve

10a Gabeltrichterling Clitocybe subspadicea

10b

11 Grüngelbes Gallertkäppchen Leotia lubrica

12 (KB) ein Erlen-Schnitzling Naucoria spec.

13 (LK) Genabelter Schleierhelmling Delicatula integrella

Das war doch gar nicht so schlecht für den ersten Tag!?
14 Zufrieden gings zurück zu den Autos

Am nächsten Tag drängten die Teilnehmer darauf, die nächste Exkursion auf Kalkboden durchzuführen. Es ging auch ganz gut los:
15a Am Parkplatz leuchtete es gelb

15b Schwefelporling Laetiporus sulphureus am Zwetschgenbaum

In der nächsten halben Stunde mussten wir allerdings einsehen, dass auf Kalkboden rein gar nichts zu finden war, alles rappeltrocken. Also Abbruch und Revierwechsel in ein Bachtal, wo ein paar wenige Pilze zu finden waren.
16 (KB) Geschmückter Helmling Mycena amicta

17 (LK) Verfärbender Porenschwamm Physisporinus sanguinolentus

18 (KB) Porphyr-Wulstling Amanita porphyria

19 Rotbrauner Scheidenstreifling Amanita fulva

Der hat sein Pulver sehr fotogen verschossen
20 Flacher Lackporling Ganoderma applanatum

Sigi hatte vor dem Seminar eine
21 Ochsenzunge Fistulina hepatica gefunden

Die haben wir mal roh im Salat verarbeitet, mit einem Öl-Essig-Dressing angemacht. Hat uns beiden ausgesprochen gut gemumdet, ein feinsäuerlicher Geschmack und eine angenehme Konsistenz :yumyum: .
Am dritten (und vierten) Tag standen dann die Täublinge auf dem Programm. Vormittags wieder Theorie und dann noch mal raus in das Gebiet des ersten Tages (Hochmoor).
Und wir konnten tatsächlich einige Täublinge einfangen.
21a Birken-Speitäubling Russula betularum

21b

Der ebenfalls scharfe
22 Blassgelbe Täubling Russula raoultii

23 Diskussionen im Bachbett

24 Schmalblättriger Weißtäubling Russula choroides

25a (LK) Dickblättriger Schwarztäubling Russula nigricans

25b (LK) hier mit Doppelhut

26 Fleischroter Speisetäubling Russula vesca

An seinem Obstgeruch und den Farben (Lamellen eher creme, Hut und Stiel ockergelb) recht gut zu erkennen:
27a Gallen-Täubling Russula fellea

27b

Birken waren u.a. am Standort dieses Pilzes zu finden.
28a Erst rätselten wir ...

28b

Am nächsten Morgen reichte dann ein Blick; der Stiel war ordentlich nachgegraut.
28c Gelber Graustiel-Täubling Russula claroflava

Dann noch ein Schmackofatz-Pilz
29 Wieseltäubling Russula mustelina

Ein paar Beifunde gab es natürlich auch noch.
30 (LK) Gefleckter Rübling Rhodocollybia maculata

31 (LK) Getropfter Saftporling Oligoporus guttulatus

32 (KB) Kiefernbraunporling Phaeolus schweinitzii

33 (LK) Fuligo leviderma auf Buckeltramete Trametes gibbosa

Am vierten Tag zog dann ein kräftigeres Regengebiet auf, so dass wir entschieden haben, den Tag mit Theorie und Bestimmungsübungen zu verbringen.
So konnten wir alle 137 Folien, die Lothar allein über Täublinge vorbereitet hatte, in Ruhe durchgehen.
Toll finde ich übrigens, dass Lothar den Teilnehmern seine Folien zur Verfügung stellt, so dass man zuhause alles in Ruhe noch mal nacharbeiten kann
(z.B. an trüben Wintertagen).
Dafür, dass es ja eigentlich gar keine Pilze geben konnte während dieser Dürreperiode, ist dann doch etwas zusammen gekommen. Und so machten wir ca. 12 Teilnehmer uns ganz zufrieden wieder auf den Heimweg.
Mein zweites Seminar war bei Andreas Gminder. Aber dazu ein andermal ...
Gerd