"Die Vermessung der Welt" ist just im Kinostart. Der Film stellt zwei berühmte Wissenschaftler gegenüber, einen Feldforscher und einen Grundlagenforscher. Natürlich prägnante Charakteren, die unterschiedlicher kaum sein können. Tiefsinnig berührt die Komödie aber die gleichen Fragen, welche hier im Forum ständig kollidieren.
Es wäre dem Feldforscher absolut unverständlich, wenn alle Pilze auf die Reaktion von allen möglichen (100tsde) chemischen Substanzen getestet werden müssen, um sich bei einer Art festzulegen.
Eine "allergische Reaktion" auf in der Natur nicht vorkommende Chemikalienkombinationen begründet eigentlich keine Arteinteilung. Der Trend geht jedoch in diese Richtung.
Auch las ich von großen Pilzsammlungen, die plötzlich in Frage gestellt werden, weil das Institut keine genetische Einordnung vorgenommen hat. Soll die ständige Neubestimmung eine Arbeitsbeschaffung für Labore werden und somit der Feldforscher endgültig der Automatisierung zum Opfer fallen ?
Denn im Verwirrspiel der ständigen Namensänderungen und durch immer neuere Untersuchungsmethoden bleibt ein Thema auf der Strecke: Damit sich Menschen untereinander verstehen können, ist eine gemeinsame Sprache die Grundvoraussetzung. Das perfekte Auswendiglernen von lateinischen- und Fachbegriffen mag zwar für die Geheimsprache der Wissenschaft als Abgrenzung zum Feldforscher nützlich sein, aber geht dadurch nicht das Grundwissen über die Natur den Bach runter, weil diese naturbezogene Sprache und bildliche Vorstellungskraft nicht verstanden wird ? Die natürlichen Kennzeichen und Merkmale verschwinden mit der Zeit aus dem Gedächtnis, weil eine Dokumentation von der anderen abschreibt, natürlich mit Wortumstellungen... mitsamt den Fehlern, bis am Ende eine Vorgabe entsteht, die dem Feldforscher absolut suspekt erscheint.
Ein ähnliches Phänomen findet auch bei den Insekten statt. Immer häufiger wird betont, dass Arten und auch Geschlechter nur und ausschließlich durch Genitaluntersuchungen zu unterscheiden sind. Der Feldforscher vor Ort weiß es zwar besser, weil er die Feinheiten der Unterschiede vor Ort am lebenden Objekt erkennt. Dieses Wissen stirbt jedoch aus.
Beispiel Admiral, denn den Großfalter kennt fast jeder von uns:
In der Literatur wird mittlerweile der Genitalfraktion der Vorschub geleistet, indem fast überall in den Beschreibungen erwähnt wird, dass beide Geschlechter optisch nicht zu unterscheiden sind. In der Realität ein absoluter Blödsinn nicht nur für den Feldforscher, sondern auch für den guten Beobachter, aber dieser einmal begonnene Blödsinn manifestiert sich immer weiter.
Wahrscheinlich würde ich von den Laborwissenschaftlern in die Psychiatrie gesteckt, wenn ich behaupte und auch beweise, dass am Admiral auf 4 m Entfernung die Geschlechterzuteilung zu erkennen ist. Es darf ja nicht sein, dass jemand das künstliche Wissen untergräbt. Zur eigenen Sicherheit nehme ich folglich mein Wissen mit ins Grab.
Wie groß ist also die Gefahr für den normalen Pilzinteressierten, wenn er wegen dim Wirrwarr irgendwann nur noch die in der Landessprache üblichen Bezeichnungen benutzt und keiner der Wissenschaftler intelligent genug ist um diesen Interessierten zu verstehen oder umgekehrt ?